Centum triginta quinque (Luca)

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Aufgrund plötzlich auftretender Müdigkeit und diversen Geburtstagen kommt dieses Kapitel leider erst heute. Tut mir leid.

Ich hüpfe vom einen Fuß auf den anderen. Heute wird es endlich so weit sein. Ich werde endlich meinen Eltern erzählen, was ich schon so lange geheim gehalten habe. Ich glaube, dass ich noch nie so nervös war wie jetzt gerade. Mein Herz hämmert gegen meine Brust und ich verfalle ständig in eine art Sekundenschlaf und vergesse dann sofort wieder, was ich in diesen Sekunden gemacht habe. Ich kann nicht still stehen und renne schon beinahe um unser Sofa, was wohl aber eher ein gemächliches Gehen ist, das mir einfach nur um einiges schneller vorkommt. Auf dem Sofa sitzt Julian. Mein Freund. Auch er ist nervös und ich kann echt nicht sagen, wer von uns beiden aufgeregter ist. Er wird jetzt nicht nur zum ersten Mal meine Eltern kennen lernen, er wird auch an meiner Seite sein, wenn ich ihnen sage, dass ich auf Männer stehe, oder besser gesagt, schwul bin. Persönlich weiß ich es bereits seit den ersten Jahren meines Gymnasiumaufenthaltes. Bereits in der Grundschule hatte ich kein besonders großes Interesse an einer Beziehung und als ich dann doch eine hatte und das Mädchen mehr von mir wollte, bemerkte ich zum ersten Mal, das das nicht ist, was ich will. Julian ist dennoch mein erster richtiger Freund, den ich nach einer langen Findungsphase im Internet kennengelernt habe. Zu unserem Glück wohnen wir nicht einmal eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt und ich fühle mich schon fast schlecht, da ich unsere Beziehung bereits ein Jahr meinen Eltern verschwiegen habe. Er ist zwei Jahre älter als ich und war darum auch schon beinahe 17 als wir zusammen kamen, wohingegen ich gerade 15 wurde. Es ist mein 16. Geburtstag und ich habe diesen Tag gewählt, da ich mir momentan nichts sehnlicher wünsche als das Einverständnis meiner Eltern. Ich habe ihnen auch extra gesagt, dass sie heute keine Gäste einladen sollen. Ich habe das schon lange geplant. Die Tür geht auf und ich stolper fast vor Schreck. Auch Julian zieht sich komisch zusammen und es sieht fast so aus, als würde er seine Hände noch weiter zusammen drücken, als das sie eh schon sind. Mein Herz schlägt so laut, dass ich kaum höre, wie meine Eltern auf mich zu kommen um mir zu gratulieren. Sie nehmen Julian zwar wahr, denken sich aber nichts weiter und dann platzt es einfach aus mir heraus. Meine Erinnerung an diesen Moment sind wie ein leeres Blatt und ich hab keine Ahnung mehr, was ich alles geredet habe aber als ich zu ende war, konnte ich nicht anders als beschämt auf den Boden zu schauen. Ich traute mich nicht ihnen in die Augen zu schauen. Ich bin anders. Abfall. Abnormal. Ungewollt. Bereits auf die 'es ist nur eine Phase'-Sprüche gefasst stelle ich bereits auf Durchzug an. Doch es kommt nichts. Ein missbilliger Blick meines Vaters zu Julian, ein seltsames Schnauben meiner Mutter. Das war's. Zwar reden sie das komplette Wochenende nicht mit mir, doch ich sehe es als eine Art Verarbeitungsphase. Ich selber habe ja auch lange Zeit gebraucht, bis ich es mir selber zugestehen konnte. Wir beide sehen grünes Licht und vor allem keinen Grund, unsere Liebe nicht weiter zu lieben. Meine Eltern sind zwar nicht zu 100% dafür, aber auch nicht dagegen, was immerhin doch ein gutes Ergebnis ist und es lief alles gut. Alles bis zu seinem 18. Geburtstag. Meinen Eltern sagte ich, dass ich bei Sebastian übernachte, mit dem ich damals ziemlich gut befreundet war, denn eine Nacht gemeinsam mit Julian würden sie mir trotz ihrer halben Akzeptanz nicht erlauben.
Es ist spät, dunkel und kaum noch Gäste da. Die Kante hat er sich bereits vor Stunden gegeben, während ich aber immer abgelehnt habe. Das letzte was ich jetzt noch will, ist morgen mit einem Karter zuhause aufkreuzen. Wir beschließen in sein Zimmer zu gehen. Ein wenig aufgeregt bin ich, denn ich weiß ganz genau, was wir dort machen werden.
Wir gedacht beginnt Julian mir meine Kleider auszuziehen, seiner eigenen Fahne nicht bewusst. Mich stört das allerdings nicht wirklich. Ich will endlich eins mit ihm werden und ich finde nach einem Jahr und ein paar zerquetschten Monaten ist das auch okay. Ich merke von Sekunde zu Sekunde wie mehr wir uns beide wollen. Als er dann endlich meine Hose öffnet, kann er es wohl kaum erwarten und stößt ohne jegliche Vorwarnung direkt in mich. Ein Schrei. Ein gescheiterter Versuch, mich zu trösten und viele Tränen. Erst am frühen Morgen erreichen meine Eltern das Krankenhaus, in welches mich Julian noch in der gleichen Nacht gefahren hat. Das Ergebnis ist eindeutig und weder ich noch Julian können meinen Eltern in die Augen sehen, als der Arzt ihnen von meinem Schließmuskelriss erzählt. An sich keine große Sache, doch für mein Vater stellten sich sofort alle Signale auf rot. Ich weiß noch, wie ich meinen Vater gerade so daran hindern kann, Julian zu schlagen. Meine Schmerzen lassen leider nicht mehr zu und zerren stark an meinen Kräften. Das er der eigentliche Schuldige ist verrate ich nicht. Werde ich auch nie. Für mich ist das kein Problem. Aus Fehlern lernt man und da ich ihn immer noch liebe und mir der Arzt versichert hat, dass es keine bleibenden Schäden haben wird, ist das Thema für mich bereits wieder vergessen. 
Doch lange nicht für Julian.
Neben dem Führerscheinentzug aufgrund alkoholisierten Fahrens in der Probezeit bekommt er noch eine hohe Geldstrafe deswegen. Doch als wäre das nicht genug, bekommt er auch noch eine fette Anzeige meines Vaters. Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen. Dass Julian bereits erwachsen ist haben wir dabei völlig vergessen und um ehrlich zu sein war es uns auch egal. Ich bitte meinen Vater die Anzeige zurückzunehmen, doch er lässt nicht mit sich verhandeln und keine zwei Monate später wird Julian zu drei Jahren auf Bewährung, ebenso wie 100 Sozialstunden verurteilt. Meine Eltern verbieten mir jeglichen Kontakt zu ihm und er selber hat auch nicht versucht mich erneut zu kontaktieren. Verständlich. Ich bin derjenige, der für das Loch in seinem Leben verantwortlich ist. So viel ich weiß verlor ich ebenso seine Ausbildungsstelle, einige Freunde und sein Profil auf der Datingseite, auf der wir uns kennengelernt haben. Zwar sehe ich ihn noch ein paar mal auf der Straße, doch ansprechen tu ich ihn nie. Ich laufe immer schnell weiter, in der Hoffnung, dass er mich nicht gesehen hat. Ich habe bereits eine andere Leidenschaft entdeckt. YouTube. Mit meiner bereits doch recht ansehnlichen Community freunde ich mich immer mehr an und freue mich jeden Tag, wenn neue dazukommen. Seitdem hatte ich keinen Freund mehr, doch nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich den Richtigen bereits vor Monaten gesehen habe, und seither keinen anderen mehr wollte.

Unexpected plot twist (Mauz/BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt