Kapitel 12

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Nachdem er die Tür geschlossen hatte und sich Dennis Schritte im Hausflur entfernten, starrte Jonas auf die Tüte in seiner Hand.

„Die sollen mich mit ihrem Mist in Ruhe lassen! Ich kann mir schon denken, was da drin ist. Bestimmt wieder irgend etwas Ekelhaftes, so wie damals, als man mir einen Schuhkarton mit einer toten Ratte auf den Tisch in der Schule gestellt hatte!“, dachte Jonas.

In der sechsten Klasse war es zu einem solchen Vorfall gekommen, während des Religionsunterrichts.

Der Religionslehrer, Herr Bach, der gleichzeitig der Pfarrer der St. Andreas Kirche war, hatte die anderen Schüler zur Rede gestellt und ihnen die Leviten gelesen.

Doch geholfen hatte er Jonas damit nicht, im Gegenteil. Nach dem Unterricht hatte ihm jemand einen Stoß auf der Treppe versetzt; er war die letzten drei Stufen hinunter gestürzt und hatte sich den Fuß verstaucht. 

Etwa zwei Wochen lang hatte er danach nur noch humpeln können, aber wenigstens hatte ihm dies ein paar Tage Schulfrei eingebracht.

In dieser Zeit hatte er seine Eltern angefleht, die Schule wechseln zu dürfen, doch diese hatten nur gemeint:“ Wenn die ganze Klasse gegen dich ist, dann muss es ja irgendwie an dir liegen! Geh doch mal ein wenig mehr auf andere Menschen zu.“

Jonas dachte noch immer mit einer gewissen Bitterkeit an diese Zeit. Seine Eltern hatten ihm die alleinige Schuld an seinen Problemen mit den anderen Kindern gegeben, lediglich seine Oma war da anderer Meinung gewesen.

Auch sie hatte die Eltern gedrängt, den Enkel die Schule wechseln zu lassen, leider ohne Erfolg.

„Das es nicht nur an mir gelegen haben kann, sieht man doch daran, dass ich auf der Berufsschule und bei der Arbeit Freunde gefunden habe! An meinem Verhalten habe ich nicht allzu viel geändert, also kann es doch nicht nur das gewesen sein,“ dachte Jonas.

So ganz verzeihen konnte er den Eltern ihr verständnisloses Verhalten nicht, deshalb hatte Jonas den Kontakt zu ihnen auch auf Familienfeiern beschränkt, seitdem er nicht mehr daheim lebte. Lediglich seine Oma besuchte er regelmäßig und pflegte ein sehr herzliches Verhältnis mit ihr.

„In der ganzen Zeit, die ich mit Nadine zusammen war, haben wir meine Eltern höchstens dreimal besucht,“ dachte Jonas. 

„Bei ihren Eltern waren wir viel häufiger, und die haben ihn mir fast schon so was wie den künftigen Schwiegersohn gesehen.“

In der Tat hatte Nadines Mutter ihn kurz nach der Trennung noch einmal angerufen und ihm gesagt, dass es ihr sehr leid täte, dass die Beziehung auseinander gegangen sei.

Auch weiterhin sei er ihr und ihrem Ehemann willkommen, sie würden sich immer wieder über einen Besuch freuen.

Doch Jonas hatte davon bislang noch keinen Gebrauch gemacht.

„Was ist, wenn Nadine mit ihrem Neuen da ist? Ich sitze neben ihr, sie in der Mitte und auf der anderen Seite ihr neuer Freund, und wir alle essen Kuchen? Nein danke!“, dachte er.

Allerdings traf er die Beinaheschwiegereltern manchmal bei seinem wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt und sie begrüßten sich immer sehr freundlich und hatten dort beim letzen Mal eine Tasse Kaffee miteinander getrunken.

Jonas warf einen Blick auf die Plastiktüte.

„Am besten, ich schaue nach, ob das Buch wirklich dem Pfarrer gehört und schicke es ihm mit der Post zurück, aber durchlesen werde ich mir das ganz bestimmt nicht!“, dachte Jonas und nahm seine Pizza aus dem Ofen. 

Dann schaltete er den Fernseher an und versuchte den unangenehmen Besuch aus seinen Gedanken zu verdrängen.

Dieses war leider gar nicht so einfach. Immer wieder wanderte sein Blick zu der Plastiktüte, die er auf einen Sessel geworfen hatte.

Geheimnis der alten StatueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt