Kapitel 17

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Am nächste Morgen konnte Jonas sich nicht auf dem Weg zur alten Fabrik machen, um sich dort um zuschauen.

Er hatte sich nicht noch einen Tag frei nehmen können, da sich einer seiner Kollegen an diesem Tag krank gemeldet hatte.

Also saß Jonas am Vormittag im Büro an seinem Schreibtisch und versuchte telefonisch die Buchhaltungsabteilung seiner Firma von einer neuen, billigeren Computersoftware zu überzeugen. „Herr Huber, es ist wirklich preiswerter für uns, wenn wir diese preiswertere, dafür aber bessere...“

Jonas gähnte. 

Er konnte sich nicht so recht auf das Telefonat konzentrieren. „Was haben Sie gerade gesagt, Herr Huber?“, fragte er daher.

Doch dann ging ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht.

„Das ist eine sehr gute Entscheidung! Dann werde ich das Herrn Cremer genau so mitteilen!“, meinte er und legte auf.

„Noch vor einer Woche hätte ich mich jetzt total gefreut, dass mein Vorschlag mit der Software angenommen worden ist!“, dachte Jonas.

Doch nun wollte trotz des Erfolges, der seiner eventuellen Beförderung sicherlich dienlich sein würde, keine rechte Freude bei Jonas aufkommen. Seine Gedanken wanderten an einen anderen Ort und in eine andere Zeit. Zuerst versuchte Jonas die Erinnerungen, die gar nicht seine sein konnten, zu verdrängen, doch dann schloss er die Augen und spürte, dass er in den Schlaf hinüber glitt.

Erneut war Greta Gegenstand seines Traums...

Simon betrat das Stadtgefängnis, es war ein grauenhafter Ort.

„Die Kleine ist da drüben in der Zelle! Rein zu ihr lasse ich dich nicht und du hast nicht lange Zeit, um mit ihr zu sprechen,“ sagte der Wächter, den Simon bestochen hatte, damit er ihn zu Greta durch ließ.

Simon ging zu der vergitterten Türe, die der Wächter ihm gezeigt hatte.

„Greta?“, fragte er.

„Simon, bist du das?“, hörte er Gretas Stimme, dann raschelte etwas und sie kam zu ihm an die vergitterte Türe.

Sehnsüchtig streckte sie ihre Hand durch die Gitter. 

„Simon, du bist gekommen! Kannst du mich mitnehmen? Ich will nicht hier bleiben, es ist schrecklich hier! Und ich habe nichts getan!“

„Das weiß ich doch, Greta!“, sagte Simon und streichelte ihre Wange. 

Nun sah er, dass sie geweint hatte. „Behandeln sie dich hier einigermaßen gut?“, fragte er.

„Ja, mir hat keiner was getan. Sie sagen alle, sie brauchen  mich noch für unsere Statue, auf das sie uns weiterhin Glück bringt. Dazu wäre eine Diebin wie ich gerade noch gut genug! Aber ich bin keine Diebin!“, schluchzte sie nun.

Ganz offenbar hatte sie sehr große Angst.

„Ich glaube dir, dass du keine Diebin bist und den Apfel, der herunter gefallen ist, nur aufheben wolltest!“, sagte Simon.

„Wenigstens du glaubst mir. Meine eigene Mutter war vorhin hier und hat mich gefragt, ob ich wirklich eine Diebin sein. Dann meinte sie, ich würde verdienen, was mit mir geschehen wird! Ich musste lange mit ihr reden, bis sie mir geglaubt hat,“ erwiderte Greta leise und umklammerte Simons Hand.

„Bitte, hol mich hier heraus. Ich habe Angst!“, sagte sie.

Simon sah sie traurig an, doch dann wischte er eine ihrer Tränen fort.

„Dir wird nichts geschehen, Greta. Diese Statue wird dir und auch sonst niemandem mehr etwas antun. Das verspreche ich dir!“,

„Was hast du vor?“, fragte Greta und sah ihn besorgt und ängstlich an.

Doch noch bevor Simon antworten konnte, wurden sie unsanft durch den Wächter unterbrochen. „Das langt jetzt! Mach, dass du nach Hause kommst! Der Kleinen da kann niemand mehr helfen. Die kriegt, was sie verdient!“, sagte er grob.

Am liebsten hätte Simon den Mann geschlagen.

„Alles wird gut, Greta! Ich liebe dich!“, sagte Simon noch, bevor der Wächter ihn am Arm packte und mit sich nach draußen zog.

„Ich liebe dich auch,“ flüsterte sie und wieder sah er Tränen in ihren Augen....

„Herr Schneider! Geht es ihnen nicht gut?“, fragte auf einmal eine Stimme.

Jonas öffnete die Augen und sah in das Gesicht seines Chefs. War er tatsächlich am Schreibtisch eingeschlafen?

„Entschuldigen Sie bitte, Herr Cremer. Ich bin ein wenig....müde. Ich fühle mich nicht so besonders!“, stammelte Jonas.

„Vielleicht sollten Sie sich wirklich ein paar Tage frei nehmen. Sie haben in der letzten Zeit immerhin sehr viel gearbeitet und vorhin rief mich Herr Huber aus der Buchhaltung an. Das haben Sie großartig gemacht! Aber machen Sie sich doch nicht immer so einen Stress! Sie haben doch  noch Überstunden für ein paar Tage zusammen. Feiern Sie die diese Woche ab!“, meinte Herr Cremer.

Jonas stand auf. „Vielen Dank für Ihr Verständnis, Herr Cremer. Ich brauche wirklich ein paar Tage Ruhe!“

Jonas verließ das Büro und dankte dem Himmel für seinen netten Chef. “Jeder andere an seiner Stelle hätte mich gefeuert!“

Jonas fuhr nach Hause, zog sich um und machte sich auf den Weg zur alten Fabrik.

„Wenn Herr Cremer wüsste, was ich vorhabe, dann würde er mich wahrscheinlich doch noch hinauswerfen,“ dachte der junge Mann, als er seinen Wagen vor dem alten verfallenen Fabrikgebäude parkte.

Er stieg aus und sah sich um. „Hier soll tatsächlich mal ein Kloster gestanden haben?“

Leider waren lediglich Überreste von der Fabrik zu erkennen, doch so schnell gab Jonas nicht auf. Sorgsam sah er sich um und umrundete das Gebäude. Einige lose Steine lagen herum und ein paar Mal wäre er fast gestolpert. 

Trotzdem wanderten seine Gedanken wieder zu den Träumen und Visionen, die ihn in der letzten Zeit heimgesucht hatten.

„Was hat das nur zu bedeuten? Warum bin ich so traurig, wenn ich an Greta denke? Es ist fast so, als hätte ich sie tatsächlich gekannt. Bin ich am Ende doch die Wiedergeburt von Simon? Aber das hieße ja, dass ich immer schon Pech hatte. Damals bin ich jung gestorben, und dieses Mal bin ich mit einer widerlichen Schulzeit gestraft worden. Das darf doch nicht wahr sein! Und Greta habe ich auch verloren! Ich oder Simon oder wer auch immer hatte ihr versprochen, sie zu retten und hat es nicht geschafft!“

Doch das würde Jonas nun nachholen. „Ihre Seele werde ich retten!“

Gleichzeitig kamen ihm diese Gedanken irgendwie sehr dumm vor. „Vielleicht ist das alles nicht wahr und ich leide unter Wahnvorstellungen, aber dann hätten Dennis und die anderen ja auch welche, obwohl es mich bei Britta und Julia nicht wundern würde!“

Jonas betrat ein kleines Waldstück, das sich ein Stückchen vom alten Fabrikgebäude entfernt befand. 

Und dort wurde er schließlich fündig. Ein paar alte verwitterte Steine lagen dort herum. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Jonas, dass Buchstaben in sie hinein gemeißelt worden waren.

„Sind das Grabsteine?“, fragte er sich.

Stammten diese vielleicht noch aus der Zeit, als die Mönche hier in ihrem Kloster lebten? Alt genug sahen sie auf alle Fälle aus. Jonas beschloss, sich die alten Steine einmal genauer anzuschauen.

Geheimnis der alten StatueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt