Dendro - Orbit

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Orbit

Emerald - das Wort hängt beinahe spürbar im Raum. Alle betrachten schweigend den Planeten, das Ziel ihrer langen Reise. Andrej ist der erste, der die Stille bricht. Diesmal ist sein Lächeln nicht spöttisch.

«Emerald, der Smaragd. Nun ja, dein Name scheint mir in jedem Fall deutlich treffender als ‹Zielplanet QRX-57›, Carlos.»

Koshi löst den Blick vom Schirm und liest mit einem Stirnrunzeln über Drays Schulter die ersten entschlüsselten Informationen über den Planeten. Dann wendet er sich an Mil.

«Das Schiff ist bereit für den Endanflug. Wie steht es mit der Crew?»

Mil räuspert sich. Es kostet sie Mühe, sich vom zauberhaften Anblick des Planeten zu lösen und sich ihrer medizinischen Aufgabe zuzuwenden. Sie fühlt sich ertappt.

«Die Scans von Dray, Andrej und mir sind in Ordnung. Dich und Carlos muss ich noch bestätigen.»

Sie tritt eifrig an die nächste Konsole, um Koshis Daten abzurufen: alles in Ordnung. Mit einem kurzen Blick auf den Kommandanten gibt sie ihren Code ein. Es erscheint ihr unsinnig, dass ihr optischer Eindruck für die medizinische Freigabe notwendig ist. Aber Regeln sind Regeln. Dann sucht sie erfolglos den Eintrag von Carlos. Der Mund des Technikers verzieht sich zu einem schiefen Lächeln, während er seine Hand auf die Scanplatte drückt.

«Sorry, Mil. Bei mir hatte vorhin die Maschine Priorität.»

«Kein Problem, wir sind noch im Zeitlimit. Aber apropos Zeitlimit, wir sollten alle dringend etwas essen. Der letzte Transfer war lang und hat uns viel von der Reserve gekostet.»

Koshi nickt dazu nur, aber Drays strahlendes Lächeln versöhnt Mil beinahe mit der Pilotin. Wenn es ums Essen geht, hat Dray meistens beste Laune. Während sie sich in den Aufenthaltsraum begeben, ist die freudige Erwartung gut spürbar. Andrej schaltet die Übertragung auf den Schirm über dem Esstisch. Mils Blick hängt während der Mahlzeit ununterbrochen an dem Bild des geheimnisvollen grünen Planeten. Ihr Herz klopft erwartungsvoll. Das ist es, worauf sie die letzten harten Jahre hingearbeitet hat. Endlich ist sie am Ziel, im Orbit über einer fremden Welt. Sie kann es nicht fassen, dass sie all das erreicht hat, wovon sie seit ihrer Kindheit immer wieder träumte.

Einzig der sonst immer fröhliche Carlos wirkt während der Mahlzeit ungewohnt nachdenklich. Schließlich spricht Koshi ihn darauf an. Carlos zuckt resigniert die Schultern und schüttelt seine schwarzen Locken.

«Ich weiß einfach nicht, was mit der Maschine während des Abbremsens los war. Das Checkprogramm findet keinen Fehler. Die Harris-Werte müssten normal sein. Im Moment spricht laut der Analyse nichts dagegen, einen weiteren Distanztransfer einzuleiten. Keine Ahnung was vorhin beim Austrittsmanöver passiert ist.»

Mil spürt deutlich wieviel es Carlos kostet, das zuzugeben. Er ist nicht nur ein Perfektionist, er behandelt seine Maschine fast wie ein lebendiges Wesen. Koshi weiß das auch, obwohl er selber dazu neigt, den Anzeigen zu glauben. Sein Gesicht bleibt reglos, während der Kommandant zu einer Entscheidung kommt.

«Gut, technisch gesehen gibt es also keinen Grund, die Mission hinauszuschieben. Lasst uns hier aufräumen und dann loslegen. Dray, ich möchte, dass du das Schiff auf eine stabile Umlaufbahn bringst, die uns erlaubt in den nächsten zwanzig Stunden die gesamte Oberfläche des Planeten zu scannen - nimm das Hilfstriebwerk dafür. Andrej, programmiere die Sensoren für die Suche nach einem geeigneten Landeplatz. Mil, ich möchte so rasch wie möglich Daten zu Atmosphäre und Umweltbedingungen da unten. Wir landen erst, wenn wir eine Vorstellung davon haben, was uns erwartet.»

Während die drei eifrig nicken, wirft Koshi Carlos einen ungewohnt freundlichen Blick zu.

«Wenn du noch einmal einen Check der Haupttriebwerke durchziehen möchtest, kannst du das jetzt machen. Ich möchte nicht, dass wir da unten in Schwierigkeiten kommen. Ich setze noch die Routinemeldung ans Hauptquartier ab, dann komme ich dir helfen.»

Mil wirft einen letzten Blick auf die verheißungsvoll schimmernde grüne Kugel, bevor sie das Geschirr wegräumt. Sie ist erleichtert darüber, dass Koshi die Bedenken des Technikers ernst nimmt. Dies ist ihr Traum, sie will nicht, dass ihn ein technischer Fehler so kurz vor der Erfüllung noch zerstört.

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