Dendro - Jungwuchs

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Jungwuchs

Mil richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Stelle, welche Dray gezielt ansteuert. Die Kamera zeigt dort einen helleren Bereich im Grün des Waldes. Das deutet auf andere Baumsorten oder jüngere Pflanzen hin. Vorsichtig fliegt Dray das Shuttle näher heran und zieht eine Schleife. Koshi hat recht, die Bäume hier sind deutlich kleiner als in der Umgebung. Wasserläufe durchziehen in einem dichten Netz die Stelle mit dem Jungwuchs. Mil kann aus dieser Entfernung allerdings keinen Hinweis auf eine künstliche Ordnung oder eine bewusste Kultivierung erkennen.

«Die Distanz ist zu groß, Koshi. Ich kann nicht beurteilen, ob das tatsächlich eine Pflanzung ist oder ob hier nicht zufällig durch ein Naturereignis ein Teil des alten Waldes zerstört wurde und jetzt einfach junge Bäume nachwachsen. Ich müsste wissen, ob es sich um die gleichen Sorten handelt und ob die Bäume alle gleich alt sind. Könnt ihr mir Proben besorgen?»

Dray hält das Shuttle nun stationär über den Wipfeln und lässt es auf der Suche nach einem Landeplatz langsam um 360 Grad rotieren. Schließlich äußert sie etwas zögernd einen Vorschlag.

«Ich könnte versuchen, da drüben auf dem Teich hinunterzugehen. Das Shuttle ist für Wasserlandungen ausgerüstet und die Oberfläche scheint ruhig zu sein, es gibt nur einige von Mils Emerald-Wasserlinsen und ein paar von diesen weißen Beutelpflanzen.»

Mil lächelt und fragt sich, weshalb sie während des Trainings und des ersten Teils der Reise immer nur Streit mit der Pilotin hatte. Jetzt, wo beide ihr wirkliches Talent einsetzen können, scheinen sie sich auf einmal wesentlich besser zu verstehen und zu akzeptieren. Sie verfolgt gespannt, wie Dray das Shuttle vorsichtig über der Wasserfläche tiefer sinken lässt. Schließlich setzt sie es sanft mit einem leisen Klatschen auf das tintenblaue Wasser auf. Ringförmige Wellen breiten sich über die Oberfläche aus - für Mils Gefühl etwas zu langsam und als ob das Wasser dickflüssig wäre. Koshis Stimme klingt seltsam verzerrt, offensichtlich trägt er bereits Schutzanzug und Maske.

«Wir sind gelandet. Ich gehe raus, um einige Blätter einzusammeln und Bohrproben zu nehmen. Da kann ich auch gleich den verbesserten Bohrer ausprobieren. Dray bleibt im Schiff.»

Langsam lässt Dray das Shuttle ans Ufer gleiten. Jetzt ist klar zu erkennen, dass die Bäume hier um ein Vielfaches kleiner sind als jene beim Raumschifflandeplatz. Dann schaltet Koshi seine Maskenkamera ein. Mil wendet den Blick nicht mehr von der Übertragung. Der Kommandant schafft es, von der Schleuse aus ans Ufer zu springen, ohne im Morast zu versinken. Sich ständig umblickend dringt er vorsichtig in den Wald vor. Die Bäume hier scheinen zu den Sorten zu gehören, die Mil bereits kennt. Allerdings sind einige kaum größer als Koshi und ihre Stämme erreichen nur wenige Zentimeter Dicke. Der Kommandant reißt einige der hellgrünen Blätter ab und bohrt systematisch verschiedene Stämme an. Der neue Bohrer ist effizient, bald hat Koshi mehr Proben gesammelt als in der Tasche seines Anzugs Platz finden. Er packt sie in einen Beutel und deponiert diesen mit dem Bohrer zusammen auf einer Luftwurzel, bevor er sich weiter in den Wald vorarbeitet. Mil bezweifelt, dass die Bäume gepflanzt oder kultiviert sind. Dazu wirkt der Wald als Ganzes zu natürlich - zu idyllisch. Auch hier ist der Boden durchgehend von alten Blättern bedeckt und es gibt kein Unterholz. Koshi muss deshalb seinen Erkundungsgang erst abbrechen, als er auf den nächsten Wasserarm stößt. Er hat bereits den größten Teil des Rückwegs zum Schiff hinter sich, als Dray ihn heiser anruft. Sie klingt ungewohnt besorgt.

«Koshi, ich glaube, du solltest zurück zum Shuttle kommen. Hier passiert gerade irgendetwas.»

Andrej holt die Aufzeichnung der Shuttlesensoren auf den Hauptschirm des Labors. Aus dem Augenwinkel erkennt Mil am wackligen Bild auf dem Seitenschirm, dass Koshi zurück Richtung Shuttle läuft. Im Vorbeikommen greift er sich den Beutel mit den Proben und den Bohrer.

Rings um das Shuttle steigen aus der Tiefe des trüben Teichs langsam mehr und mehr der blasenartigen, grünlichweißen Wasserpflanzen auf. Bald ist fast die ganze Oberfläche davon bedeckt. Die Exemplare sind deutlich größer als dasjenige, das ausgetrocknet auf Mils Labortisch liegt. Koshi landet mit einem großen Sprung und keuchendem Atem in der offenen Schleusentür. Über den Lautsprecher ist deutlich das Zischen zu hören, als Dray eilig den Zugang versiegelt. Mil umklammert die Lehnen ihres Sessels, während die Pilotin das Shuttle hochzieht und dann einige Meter über der Wasseroberfläche in der Schwebe hält. Sofort füllen die blassgrünlichen Blasen den freigewordenen Platz. Dann zerplatzt eine nach der anderen, um eine Wolke von blaugrünem Staub abzugeben, der von einem leichten Wind über das Wasser davongetragen wird. Mil betrachtet fasziniert das Schauspiel. Ihre Stimme ist nur ein schwaches Flüstern.

«Sporen und Windverfrachtung. Das klärt endlich die Frage der Fortpflanzung.»

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