Dendro - Erkundung

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Erkundung

Mil und Andrej verfolgen im Kommandoraum den Fortschritt des Erkundungsteams auf dem Hauptschirm. Andrej betätigt einige Tasten und die Bilder der drei Maskenkameras werden am unteren Rand des Schirms eingeblendet. Koshi, Dray und Carlos gehen mit einigen Schritten Abstand nebeneinander vorsichtig vom Schiff weg. Der Kommandant gibt das Tempo an. Alle paar Schritte bleibt er stehen um sich umzusehen. Carlos benutzt einen dieser Momente, um sich rings um seine Achse zu drehen. Das Schiff glänzt silbern im Sonnenlicht. Dray bückt sich, um eine Handvoll Asche aufzuheben und in ihrem Handschuh zu zerreiben. Ihr Blick wandert zum Horizont und sie spricht nachdenklich zu sich selbst.

«Unglaublich, was unsere Triebwerke aus diesem Wald gemacht haben.»

Mil schluckt leer. Dray spricht ihr aus der Seele. Bis vor kurzem bezweifelte sie, dass sie und die Pilotin jemals der gleichen Meinung sein könnten. Nun folgt sie gespannt der Aufzeichnung von Drays Kamera, während diese etwas von der Asche in einen Beutel packt und versiegelt. Den Beutel steckt sie in die Hüfttasche ihres Anzugs. Dann bedeutet ihr Koshi, weiterzugehen. Er wendet sich vor allem an Mil und Andrej, als er beginnt, seine Eindrücke zu beschreiben.

«Die Hitze hat die Vegetation im Umkreis von mehreren hundert Metern vollständig versengt. Sogar der Boden ist gerötet und stellenweise richtig verbrannt und rissig. Wir werden bis an den Rand der Lichtung gehen müssen, um vernünftige Proben zu bekommen.»

Mil fallen tausend Fragen ein, die sie gerne stellen möchte. Aber die erste Priorität hat wie immer die Gesundheit der Crew.

«Wie fühlt ihr euch da draußen? Ist die Atemluft in Ordnung? Carlos?»

Der Techniker dreht sich zurück zum Schiff und winkt kurz, bevor er antwortet.

«Alles in Ordnung, Mil. Du hast recht gehabt, die Luft scheint einwandfrei zu sein. Zum Glück gibt es keinen Wind, sonst wären die Filter sofort mit Asche verklebt. Hier ist alles voll davon.»

«Wir können die Filter jederzeit wechseln oder verdoppeln, wenn das ein Problem wird. Gibt es sonst irgendwelche Beobachtungen? Geräusche? Wie ist die Temperatur?»

Koshi überprüft eine der Anzeigen an seinem Handgelenk. Erstaunt blickt er dann zur lokalen Sonne hoch, die sich gerade dem Zenit nähert. Mil weiß, dass die Hitze da draußen für einen ungeschützten Menschen kaum erträglich wäre. Koshi räuspert sich.

«Mein Thermometer zeigt über 40 Grad Celsius an. Davon ist im Anzug nichts zu spüren. Geräusche höre ich keine, nur meinen eigenen Atem. Aber das kann an der Maske liegen.»

Carlos und Dray bestätigen diese Beobachtung. Andrej meint, das werde sich bestimmt ändern, wenn sie den Wald erreichten. Schweigend vertieft er sich dann in eine Kalkulation, während Mil den Fortschritt des Erkundungsteams verfolgt. Es scheint endlos lange zu dauern, bis sie endlich den Rand der verbrannten Zone erreichen. Andrej lehnt sich in seinem Sessel zurück.

«Ich habe nachgerechnet. Die Temperatur am Boden muss weit über 1000 Grad betragen haben. Das ist mehr als nötig ist, um Keramik zu brennen. Kein Wunder, dass der Boden hart gebrannt ist. Ab etwa 1400 Grad wäre sogar eine Verglasung möglich.»

«Dann ist nicht zu erwarten, dass es auf dem Landeplatz noch irgendwelches Leben gibt.»

Mil wendet sich wieder dem Schirm zu. Hier, am Rand der Brandzone, scheint die Zerstörung nicht ganz so vollständig zu sein. Dray hebt etwas auf, das auf den ersten Blick wie verbranntes Holz aussieht. Es verschwindet in einem weiteren Probebeutel. Das Vorankommen des Teams wird nun schwierig. Sie müssen über größere verkohlte Pflanzenteile klettern und rücken vorsichtshalber näher zusammen. Bald sind die silbernen Anzüge mit schwarzer Asche verschmiert. Koshi unterdrückt einen erschreckten Aufschrei, als er bis zum Knie in einem Schlammloch versinkt. Dray reicht ihm eine Hand und hilft ihm, das Bein wieder aus dem Morast zu ziehen.

Carlos hat inzwischen den ersten der umgestürzten Baumriesen erreicht. Das Bild seiner Kamera zeigt das mächtige Wurzelgeflecht, welches nun schwarz und nutzlos gegen den tiefblauen Himmel ragt. Mil fällt dieser Farbunterschied zum ersten Mal auf. Er muss auf die andere Dichte und Schichtung der hiesigen Atmosphäre zurückgehen. Aber im Moment interessiert sie sich mehr für den toten Baum. Carlos geht um den Wurzelteller herum. Mil folgt seinem Blick entlang des gewaltigen, blaugrauen Stamms. Er hat mehrere Meter Durchmesser und besitzt eine beinahe glatte, leicht glänzende Rinde, die in regelmäßigen Abständen porenartige Löcher aufweist. Der Stamm steigt leicht an. Carlos' Blick folgt ihm bis zu der verfilzen Krone, die in einem Wirrwarr von abgebrochenen Ästen in den ersten noch stehenden Bäumen des Waldes festhängt.

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