Dendro - Vorbereitung

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Vorbereitung

Während sie die Sensoren für die notwendigen Scans programmiert, sinniert Mil über den Begriff ‹Routinemeldung› nach. Was kann Routine daran sein, sich einem unbekannten Planeten zu nähern? Natürlich war QRX-57 von Anfang an ihr Ziel, der Planet wurde von Spacecorp wegen seiner vielversprechenden Daten ausgewählt. Trotzdem sind sie das erste Schiff, das sich diesem Planeten so weit nähert. Das muss doch etwas mehr als eine Routinemeldung wert sein?

Sie schüttelt diesen Gedanken ab, um sich auf die Analyse der ersten Messwerte von der Planetenoberfläche zu konzentrieren.

Die Atmosphäre scheint tatsächlich beinahe perfekt zu sein, sie enthält aus menschlicher Sicht kaum Schadstoffe - auf jeden Fall wesentlich weniger als gewisse Städte auf der Erde, trotz aller Luftreinigungsprogramme. Die Luftfeuchtigkeit scheint an allen bisherigen Messpunkten permanent hoch zu sein, annähernd 100 %. Das scheint Mil erstaunlich, denn auf Emerald gibt es offensichtlich kaum größere zusammenhängende Wasserflächen. Auch Bergketten scheinen nicht wirklich vorhanden zu sein. Andrej, der die Messungen von seiner Station aus verfolgt, wirft ihr einen fragenden Blick zu.

«Keine Meere, keine Berge. Ist es möglich, dass dieser Planet tektonisch praktisch inaktiv ist?»

«Ich bin Biologin, nicht Geologin. Aber du hast recht, ich habe mir gerade das gleiche gedacht. Auf jeden Fall gibt es da unten mehr als genug Wasser für eine fast ununterbrochene Vegetationsdecke. Und die Wolkenbänder sind von hier aus deutlich zu erkennen.»

«Außerdem keine nennenswerten Polkappen, subtropisches Klima in fast allen Breiten. Sieht aus, als bekämest du da unten alle Hände voll zu tun, Mil. Botanik ist doch dein Spezialgebiet?»

«Xenobotanik, um genau zu sein.»

Mil lächelt ihm zu, bevor sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentriert. Andrej vertieft sich mit einem Nicken erneut ins Studium der Messwerte. Es wird bestimmt nicht einfach, in dieser grünen Masse einen guten Landeplatz auszuwählen.

Nach einigen Stunden taucht Dray wieder im Kommandoraum auf. Die Pilotin hat das atmosphärische Shuttle überprüft und sich dann auch die Notkapseln angesehen. Sie ist verschwitzt und trägt auf der Wange einen dunklen Streifen von Hydrauliköl. Mit einem Seufzen lässt sie sich in den Sessel der Navigationsstation fallen.

«So, Shuttle und Rettungskapseln sind in Ordnung, kontrolliert und die Auslösemechanik ist geschmiert. Da sollte sogar Carlos zufrieden sein. Und wie sieht es auf unserem persönlichen Paradies aus?»

Andrej lehnt sich zurück und streckt stöhnend seine verkrampfte Rückenmuskulatur. Er hat wie Mil seit Stunden in der gleichen Haltung gearbeitet, Daten zusammengetragen und Statistiken erstellt.

«Vielversprechend, würde ich sagen. Die Details versteht nur Mil. Auf jeden Fall sollten wir sogar die Luft da unten atmen können. Allerdings müssen wir zum Landen wohl einige der riesigen Bäume fällen, die die Oberfläche überwuchern. Das, oder wir setzen das Schiff in einen Sumpf. Wie geht es Koshi und Carlos?»

«Klettern immer noch auf den Triebwerken herum. Ich glaube, sie haben sie jetzt bald ganz auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Koshi meint, wir sollen uns mit Schlafen ablösen. Er will eine ausgeruhte Crew, wenn wir in 15 Stunden mit dem Anflug beginnen.»

Mil blickt zuerst Dray und dann Andrej an. Sie ist gerade dabei, erste relevante Werte über die Biosphäre des Planeten zusammenzustellen. Im Moment will sie ihre Arbeit nicht unterbrechen.

«Ich bin hier gerade noch an etwas dran. Ich schlage vor, dass ihr beide euch schon mal hinlegt oder was auch immer. Ich rufe dich, Andrej, wenn ich etwas Wichtiges entdecke.»

Der Astrophysiker steht auf und streckt sich noch einmal.

«Gut, meine alten Knochen vertragen eine Pause. Soll ich dir noch einen Kaffee bringen, Mil?»

Sie nickt, wendet sich aber gleich wieder ihren Daten zu. Dray kann beim Aufstehen ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sie scheint sich bei dem Check des Shuttles nicht geschont zu haben.

«Ich bin unter der Dusche und hau mich dann hin. Ruf mich, wenn du etwas brauchst, Milena. Ich kann auch Koshi ablösen, wenn er eine Pause machen will.»

«Ich sage es ihm, wenn er hier reinschaut.»

Geflissentlich überhört Mil die ungeliebte Form ihres Namens. Vielleicht wird ihre Beziehung zu Dray endlich doch noch erträglich, denkt sie, als sie sich wieder ihren Analysen zuwendet.

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