Hinaus
Carlos betrachtet skeptisch die leichte Atemmaske, die Mil ihm in die Hand drückt. Eigentlich handelt es sich nur um einen einfachen Filter, der nicht an eine Luftversorgung angeschlossen ist.
«Und du bist sicher, dass man damit da draußen atmen kann? Keine Gefahr, sich eine Vergiftung oder eine Krankheit zu holen?»
«Carlos! Andrej und ich haben jetzt zwei Tage damit verbracht, diesen Planeten auf Herz und Nieren zu prüfen. Eigentlich müsstest du die Luft sogar ohne Filter atmen können. Sie ist etwas dünner als auf der Erde, mit etwas höherem Sauerstoffanteil und etwas mehr Edelgasen. Die Kohlenstoffdioxid-Werte schwanken stark zwischen Tag und Nacht. Das ist bei der Vegetationsdichte nicht verwunderlich. Die gute Nachricht ist, dass es deutlich weniger Schwefeldioxid und Kohlenstoffmonoxid als zuhause gibt. Ich kann dir die genauen Werte liefern, wenn du willst.»
Der Blick des Technikers drückt immer noch Zweifel aus. Dray hat inzwischen den Schutzanzug übergestreift und setzt versuchshalber die Maske auf. Ihre Haut ist jetzt vollständig abgedeckt. Sie grinst Carlos durch das Sichtglas breit an. Ihre heisere Stimme bekommt durch die Maske einen scheppernden Klang.
«Siehst du? Alles gut geschützt. Mach endlich, oder sag Koshi, dass du dich nicht traust. Mil kommt sicher gern an deiner Stelle mit.»
Carlos blickt von Dray anklagend zu Mil. Diese muss über seinen gequälten Gesichtsausdruck lachen. Es ist ihr auch nicht entgangen, dass Dray sie zum ersten Mal Mil genannt hat. Sie überprüft die Ausrüstung der Pilotin, um sicher zu sein, dass alles funktioniert. Dray lässt den Check geduldig über sich ergehen. Sie weiß, dass die Biologin sie um diesen ersten Ausflug auf den Planeten beneidet und ist ungewohnt kameradschaftlich. Mil würde zu gern mit hinausgehen. Aber Koshi besteht darauf, dass sie den Erkundungsgang zusammen mit Andrej vom Schiff aus überwacht. Vermutlich macht das Sinn, die beiden Wissenschaftler nützen dem Team im Moment an den Monitoren am meisten. Während Carlos sich nun ebenfalls in seinen Anzug zwängt, wiederholt Mil noch einmal die wichtigsten Fakten.
«Also, Emerald ist ein gutes Stück kleiner als die Erde. Die Gravitation beträgt nur ungefähr 0,8 g. Was das bedeutet, wisst ihr selbst. Gegen das meiste was euch da draußen erwartet bieten die Anzüge Schutz, sogar gegen die Hitze. Aber ich empfehle, die Masken aufzubehalten. Ich möchte sicher sein, dass alles so ungefährlich ist, wie es im Moment scheint. Deshalb werde ich den Inhalt der Filter analysieren, wenn ihr zurück seid. Soweit alles klar?»
Dray nickt. Während Mil den Check von Carlos' Ausrüstung vornimmt, fährt sie fort.
«Dass es da draußen Pflanzen gibt, wissen wir. Tiere oder Aliens haben unsere Sensoren bisher keine entdeckt. Falls es welche gibt, halten sie sich gut versteckt. Beim Überflug hätten wir eigentlich Lebenszeichen auffangen müssen.»
Carlos runzelt die Stirn.
«Was ist, wenn es Kaltblüter sind? Schlangen oder so was?»
«Schlangen sind Reptilien, also poikilotherm. Das heißt wechselwarm. Ich kann im Moment nicht hundertprozentig ausschließen, dass es da draußen Lebewesen gibt, die von den Sensoren nicht erfasst werden. Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall, vorsichtig zu sein.»
«Außerdem nehmen wir die hier mit!»
Koshi hat mit Andrej den Schleusenraum betreten und drückt Dray und Carlos je eine Handwaffe in die Finger. Er trägt bereits seinen Anzug und Mil glaubt in seinem Gesicht freudige Erwartung zu erkennen, als er sich rasch die Maske aufsetzt. Andrej übernimmt die Überprüfung seiner Ausrüstung. Als der Astrophysiker Mil zunickt, schaltet sie die Maskenmikrophone des Erkundungsteams ein. Koshi klopft ihr kameradschaftlich auf die Schulter, bevor er in die Luftschleuse vorangeht. Carlos zeichnet mit der Hand vor seiner Stirn und Brust ein seltsames Zeichen und folgt dem Kommandanten offenbar immer noch mit gemischten Gefühlen. Dray ist die Letzte. Ihre Augen glänzen erwartungsvoll. Mil schließt die Schleusentür und betätigt die Verriegelung. Dann tritt sie an den Überwachungsschirm, um die Sprechverbindung zu testen.
«Dray, hörst du mich? Vergiss nicht, mir Pflanzenproben mitzubringen!»
Dray verspricht lachend, daran zu denken. Mil gibt Andrej das Zeichen, den Auslöser für den Mechanismus der äußeren Schleuse zu betätigen. Auf dem Monitor beobachten sie gemeinsam, wie Dray mit langen Schritten als erste die Ausstiegsrampe und den Planeten betritt.
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Dendro
Science FictionDer Planet scheint wie geschaffen für eine menschliche Besiedlung. Genügend Wasser, eine erdähnliche Atmosphäre und eine üppige Vegetation. Mil macht sich mit Begeisterung an die Erforschung der Biosphäre. Dabei entgeht ihr ein Detail...