Gestrandet
Andrej, Carlos und Mil haben sich im Kontrollraum versammelt, um sich Drays Bericht anzuhören und die Aufzeichnungen des Absturzes zu analysieren. Die Stimme der Pilotin klingt seltsam distanziert und unpersönlich. Mil ist sich sicher, dass sie unter Schock steht.
«Ich habe nur Notenergie und keine Außenbilder. Das Shuttle sieht schlimm aus, auf der ganzen Länge eingestaucht. Die Hülle hat einen Riss. Ich kann die Maschine nicht starten, aber das erstaunt mich nicht, die ganzen Kontrollen sind blind oder zerbrochen. Der seitliche Navischirm ist gesplittert und eines dieser Kunststofffragmente hat Koshi regelrecht aufgespießt.»
Mil schluckt leer. So etwas hätte nicht passieren dürfen, vorschriftsmäßig angeschnallt in seinem Sitz hätte der Kommandant fast jeden Aufprall gut geschützt überleben müssen.
«Dray? Wo war Koshi, als es passiert ist?»
«Er war dabei, seinen Anzug überzuziehen. Ich hätte ihn in seinem Sessel festbinden sollen.»
Drays Stimme klingt bitter. Mil fällt keine Antwort ein, stumm starrt sie ihre ineinander verkrampften Hände an. Andrej ist es inzwischen gelungen, die letzten Daten der Shuttlesensoren auf die Schirme zu projizieren. Mil blickt auf, um die Aufzeichnung zu verfolgen. Carlos legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Andrej lässt die Bilder aller Sensoren synchron abspielen. Die Bilderflut ist verwirrend und nach wenigen Sekunden verlöscht eine Aufzeichnung nach der anderen, bis alle Schirme schwarz sind. Carlos deutet mit dem Finger auf einen Monitor links unten. Andrej holt diese Aufzeichnung einzeln auf den Hauptschirm. Es ist das Bild eines hinteren Seitensensors, der die Rotation des Shuttles mitverfolgt. Bei der ersten Umdrehung ist das friedliche Bild der Lichtung zu sehen. Dann, halbwegs durch die zweite Drehung, zeigt er plötzlich einen mächtigen Ast. Das Shuttle prallt ungebremst seitlich dagegen. Bevor das Bild erlischt, ist noch zu sehen, dass es mit der Nase steil nach unten kippt. Mil kann einen erschrockenen Ausruf nicht unterdrücken. Dray fragt verunsichert nach der Ursache. Andrejs Antwort ist betont ruhig und sachlich.
«Wir haben uns die Aufzeichnungen des Absturzes angesehen. Du hast recht, da war ein Baum, wo keiner hätte sein dürfen. Du hattest keine Chance. Glaubst du, du kannst das Shuttle retten?»
«Negativ. Aber ich bin dabei, meinen Anzug anzuziehen. Ich will mir das von außen ansehen.»
«Vergiss die Maske nicht!»
«Weshalb? Die ganze Seite des Shuttles ist aufgerissen. Ich atme schon die ganze Zeit Luft von da draußen. Du hast übrigens recht, Mil, sie ist soweit in Ordnung, nur etwas feucht.»
«Nimm trotzdem die Maske, sie hat eine Kamera. So können wir etwas sehen.»
Gespannt wartet Mil auf die Übertragung. Das Bild ist verwackelt, Dray scheint die Maske in der Hand zu halten. Eines der ersten Bilder zeigt Koshi, der blutüberströmt auf dem schrägen Boden des Shuttles zusammengesunken ist. Mil schließt die Augen und ist dankbar für Carlos Nähe. Andrej fröstelt und schlingt die Arme um sich selber. Aber seine Stimme bleibt sachlich.
«Setz die Maske auf, Dray, damit das Bild stabiler wird und du zum Klettern die Hände frei hast.»
Wortlos gehorcht die Pilotin. Schweigend verfolgen sie, wie Dray durch den Riss in der Wand auf die Lichtung hinausklettert. Das Shuttle steckt mit der Nase tief im sumpfigen Boden, mitten in einer Fläche von winzigen Schösslingen, die Dray knapp bis zum Knie reichen. Dann dreht sich die Pilotin um und blickt nach oben. Das ganze Ausmaß des Schadens wird sichtbar. Dicht neben dem Shuttle steht ein mächtiger Baum auf der Lichtung. Einer seiner riesigen, weit ausladenden Äste ist abgeknickt. Er hat das Shuttle auf ganzer Länge aufgerissen, es wird nie mehr fliegen.
«Hör zu Dray, wir versuchen dich da rauszuholen. Andrej, komm mit, wir starten das Schiff.»
Carlos Stimme ist entschlossen. Er hat den Kontrollraum bereits verlassen und Andrej folgt ihm auf dem Fuß. Mil bleibt es überlassen, den Kontakt mit Dray zu halten. Sie atmet tief durch.
«Carlos versucht mit Andrej, die Triebwerke zu starten. Es wird wohl eine Weile dauern, aber wir holen dich da raus. Erzähl mir mehr von dir. Wie geht es dir? Bist du verletzt?»
«Nein, mir geht es gut. Besser, jetzt wo ich Koshi nicht mehr sehe. Die Lichtung hier ist hübsch, fast wie bei uns zuhause im Wald. Ich habe den Wald als Kind geliebt.»
Während sie mit Dray über Kindheitserinnerungen plaudert, lauscht Mil angestrengt auf das Starten der Maschine. Endlich spürt sie das Vibrieren des Manövertriebwerks und kurz darauf das vertraute Summen der Haupttriebwerke in der Aufwärmphase.
«Dray? Carlos hat es...»
Mil unterbricht sich mitten im Satz. Ein lautes Knistern, das Summen verebbt und der beißende Geruch verbrannter Komponenten breitet sich unheilverkündend im Schiff aus.
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Dendro
Science FictionDer Planet scheint wie geschaffen für eine menschliche Besiedlung. Genügend Wasser, eine erdähnliche Atmosphäre und eine üppige Vegetation. Mil macht sich mit Begeisterung an die Erforschung der Biosphäre. Dabei entgeht ihr ein Detail...