Dendro - Dray

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Dray

Carlos' Schwall von spanischen Flüchen ist bis in den Kommandoraum zu hören. Resigniert lehnt sich Mil in ihrem Sessel zurück. Andrej betritt mit rußverschmiertem Gesicht den Raum. Die Haut seiner Hände ist stellenweise blasig und verbrannt. Mil steht auf, um Verbandsmaterial zu holen.

«Dray? Da ist etwas schief gelaufen beim Start. Bitte hab etwas Geduld. Ich muss mich um Andrejs Brandwunden kümmern. Ich bin in wenigen Minuten wieder bei dir.»

«Ist Andrej schlimm verletzt?»

«Nein, Mädchen, mir geht es gut, nur einige Brandblasen. Aber das Hilfstriebwerk ist ausgebrannt. Carlos versucht, zu retten, was zu retten ist. Hältst du es da draußen noch eine Weile aus?»

Mil wirft Andrej einen vernichtenden Blick zu. Seine Worte scheinen ihr zu hart. Er presst den Mund zusammen und blickt zur Seite. Dray braucht einige Zeit, um die Wahrheit zu verarbeiten.

«Sieht nicht so aus, als bekäme ich bald ein Taxi, hmm?»

«Wir tun was wir können. Mit den Vorräten des Shuttles solltest du es einige Zeit aushalten.»

Mil verbindet schweigend Andrejs Hände. Sie rechnet sich aus, das Dray kaum Chancen hat, allein da draußen. Als sie fertig ist, nickt der Astrophysiker ihr zu und steht energisch auf.

«Also, ich gehe wieder runter zu Carlos. Mil bleibt hier bei dir, Dray. Du solltest nachsehen, wieviel von deiner Ausrüstung noch brauchbar ist. Alles Gute und bis später, wir halten Kontakt.»

Trotz seiner forschen Worte erkennt Mil, dass Andrej den Tränen nahe ist, als er den Kontrollraum mit einem letzten Blick auf den Monitor verlässt, der das zerstörte Shuttle zeigt. Verzweifelt sucht sie nach einem Thema, um Dray abzulenken. Aber diese nimmt ihr das Problem ab.

«Okay, Mil, du kannst mir helfen, ein Inventar aufzustellen. Mal sehen was den Sturz überlebt hat.»

Zwei Stunden später wissen die beiden Frauen, dass Dray Lebensmittel für rund zwei Wochen und Wasser für knapp zwei Tage hat. Der Haupttank und der Recyclator des Shuttles sind zerstört.

«Gibt es einen dieser Wasserläufe bei dir? Das Wasser sieht zwar aus wie Tinte, müsste gefiltert aber genießbar sein. Du kannst den Aktivfilter des Recyclators ausbauen.»

«Gute Idee. Den kann ich auch mitnehmen, wenn ich losgehe. Gibt es auch essbare Pflanzen?»

Drays heisere Stimme klingt gelassen. Sie macht sich sofort an die Arbeit. Mil ist schockiert.

«Du willst losgehen? Wohin? Das ist ein Dschungel da draußen!»

«Glaub mir, das habe ich schon bemerkt. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Carlos die Maschine hinkriegt? Ich kann mich auf den Weg machen und ihr holt mich dann unterwegs ab.»

«Ich weiß nicht, Dray, mir passt das nicht. Wir könnten einen Notruf an Spacecorp absetzen.»

Das Lachen der Pilotin ist trocken und humorlos. Sie wirft einen Blick in Koshis Richtung.

«Spacecorp? Du kennst doch die Verträge: ‹Keine Rettungsmission, wenn keine Garantie auf Erfolg besteht.› Ich bezweifle, dass die hier gewährleistet ist. Bis sie die Nachricht bekommen, vergehen zudem mindestens zwei Monate. Und dann müssten sie zuerst ein Schiff bereitstellen.»

Mil reibt sich die Schläfen. Auf einmal ist sie nicht mehr sicher, ob Drays Schicksal schlimmer als das der anderen ist. Es ist unwahrscheinlich, dass Carlos ohne Hilfe des Manövertriebwerks oder des Shuttles das Schiff starten kann. Dray scheint einmal mehr ihre Gedanken zu lesen.

«Hey, Carlos ist ein ausgezeichneter Techniker. Wenn jemand das hinkriegt, dann er. Ich werde in der Zwischenzeit auf jeden Fall versuchen, zu Fuß zu euch durchzu...»

Sie wird von einer Erschütterung des Shuttles unterbrochen. Auf dem Schirm kann Mil erkennen, wie sich die Seitenwand nach innen wölbt und Koshis leblose Gestalt in eine Ecke rutscht.

«Mach dass du da raus kommst! Gleich bricht das Wrack zusammen, beeil dich!»

Dray lässt sich das nicht zweimal sagen. Durch den Riss in der Außenhülle klettert sie geschickt ins Freie, aber nicht ohne den Filter und ein Paket Lebensmittel mitzunehmen. Draußen auf der Lichtung scheint alles ruhig. Im rötlichen Licht des Abends erkennt Mil eine dicke Wurzel, die nun über dem Shuttle liegt und das Wrack weiter zusammendrückt. Dray wendet sich schweigend ab, um loszugehen. Auf dem Schirm verfolgt Mil, wie sie durch das Feld von kniehohen Bäumchen watet und schließlich den Waldrand erreicht. Dort blickt sie zum Shuttle zurück. Die Last der Wurzel hat es beinahe auf die Hälfte seines Volumens zusammengedrückt. Dray geht kommentarlos weiter, in den dunkler werdenden Wald hinein. Plötzlich bleibt sie stehen.

«Mil, siehst du das? Sind sie nicht wunderschön? All diese Farben!»

«Wovon sprichst du? Ich sehe hier nichts, es ist schon ziemlich dunkel bei dir draußen.»

Dray lässt sich am Fuß eines Baums auf einer Wurzel nieder und lehnt sich zurück.

«Die Lichter, siehst du sie nicht? Ich glaube, ich bleibe einen Moment hier, um mich auszuruhen...»

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