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Das Wasser rauscht nun ruhiger als zu dem Zeitpunkt, als ich noch hierher gekommen bin.
Ich höre das Zwitschern der Vögel.
In der Ferne die Autos.
Und dann spüre ich, wie sich der Boden vor mir etwas senkt.
Wallace ist aufgestanden.
Er geht.

Aus irgendeinem Grund macht mich das traurig.
Noch trauriger.
Ich mag ihn.
Und auch wenn er jetzt verschwindet, weiß ich, dass ich nicht aufhören werde an ihn zu denken.

Was hast ihn so verärgert? Die Tatsache, dass ich ihn so zugeschüttet habe mit meinen Problemen?
Dass ich über Matthew geschimpft habe?

Ich weiß, dass ich ein nerviger Mensch bin. Vielleicht liegt es auch daran.
Langsam atme ich die klare Luft ein und wieder aus.
Beim zweiten Atemzug spüre ich sie noch intensiver und genieße das Gefühl, wie sie in meine Lungen strömt.
Dann, um es kurz zu machen, öffne ich ruckartig meine Augen.

Wie schon vermutet ist Wallace weit und breit nicht mehr zu sehen.
Ich kann es mir nicht verkneifen mich in alle Richtungen umzusehen.
Alles, was ich erblicke sind Bäume, Wiesen, der Weg und das Loch.
Kein Wallace.

Plötzlich schäme ich mich dafür, dass ich mir so gewünscht habe, er wäre noch hier. Er ist nicht mein Babysitter.

Hör endlich auf, für ihn zu schwärmen, flüstert mir eine Stimme in meinem Inneren zu.
Du weißt genau, wie unerreichbar er ist.

Und ich muss der Stimme recht geben.
Was bin ich mir für ein albernes unnützes Mädchen.
Ich bringe nichts zusammen und wünsche mir trotzdem Aufmerksamkeit von Wallace. Mein Hass auf mich wächst.

Um nicht zu explodieren stehe ich langsam auf und gehe einige Schritte in Richtung Wasser. Dabei versuche ich fest, nichts zu denken.
Denn Denken kann wirklich Schaden anrichten, das ist mir bewusst.
Seit ich im Castle war umso mehr.

Ausdruckslos starre ich das dunkle Wasser an. Leichte Wellen kräuseln das Wasser, machen es noch unheimlicher, als es schon ist. So fällt es leicht zu glauben, dass irgendwo in diesem riesigen undurchsichtigen Loch ein Monster haust. Fast schon warte ich darauf, dass es aus dem Wasser bricht.
Bei dem Gedanken wird mir ganz anders. Ich will zurückweichen, aber ich kann nicht. Der Anblick scheint mich zu fesseln.
Die Welt ist nicht das, was sie vor einigen Tagen noch War.

Mir allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, dass Wallace zurück kommt.
Als ich Schritte höre lasse ich mich daher nicht ablenken, sondern setze mich wieder ins Gras.
Ein Schatten im Gras kommt näher und als er wieder vor mir steht muss ich mir ein Lächeln unterdrücken. Ich habe ihn gern.

"Kommst du mit Caroline?", fragt Wallace und sofort erhebe ich mich wieder, sodass wir uns in die Augen schauen können. Wie mitkommen? Was hast Wallace vor.
"Wohin denn?", möchte ich wissen. Neugierig Blicke ich in seine Augen. Er lächelt mich an: "Zu meiner Großmutter. Nach Carbisdale Castle."

Eine Sekunde lang stehe ich wie geschockt da. Zu Mary? Zu der gruseligen Frau im Turm? Jetzt? Moment mal, das ist seine Großmutter? Okay...
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die beiden tatsächlich verwandt sind. Die gruselige alle Dame und der charmante junge Typ, der da neben mir sitzt. Sachen gibt es.
Deshalb weiß er wahrscheinlich auch so viel.
"Zu deiner Großmutter?" Ich muss Wallace vorkommen wie ein Papagei. Lerne mal selbst Sätze zu bilden, tadele ich mich.
"Wozu Das?",füge ich noch hinzu. Man kann es ja mal probieren.

"Du wolltest Antworten", erklärt Wallace. "Dann bekommst du sie auch."
Es verblüfft mich, dass er mich so ernst nimmt. Da dachte ich er hat genug von mir und dann sowas. Er will mir helfen.
Oder etwa nicht? Ist das alles nur ein Trick?
"Ist das dein Ernst?", sicherheitshalber muss ich nochmal fragen.
"Klar. Ich habe uns schon angemeldet."
Wallace scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein und so folge ich ihm zögernd in Richtung seines Autos.
"Wie kommt es, dass du das tust? Woher kennst du Mary?"
Ja, ich habe viele Fragen. Aber irgendwie muss ich ja anfangen.
Wir erreichen sein Auto und ich gehe herum und setzte mich auf den Beifahrersitz, während er den Motor startet.
Wallace seufzt: "Ausgerechnet da fängst du an." Nachdenklich blickt er aus dem Fenster. Die Sonne steht schon recht tief. Bald wird es dunkel werden.
"Nun", Wallace hat ausgeparkt und gibt Gas. "Es ist so: Mary ist, wie du vielleicht festgestellt hast nicht ganz... normal, wie du es vielleicht bezeichnen würdest."
Stumm sehe ich ihn an und warte darauf, dass er fortfährt.
"Um ehrlich zu sein ist Mary meine Großtante. Ihre Schwester Betty wohnt auch in Carbisdale und zu ihr gehen wir jetzt." Erstaunt sitze ich nur da. Dann habe ich es mir nur eingebildet und die Mary aus dem Turm ist gar nicht die echte Mary?

"Damit hast du wohl nicht gerechnet", stellt Wallace fest und schaltet einen Gang nach oben, als wir auf die A 813 fahren.
Stumm nicke ich, bis mir einfällt, dass er mich ja nicht einmal sieht.
"Ja", sage ich, unsicher, wie ich mich jetzt verhalten soll, "das hätte ich wirklich nicht gedacht."
Kurz zögere ich und dann platze ich einfach heraus: "Ist sie immer so... gruselig?"
Kaum habe ich die Worte ausgesprochen bereue ich sie auch schon.
Unhöflich Catherine!, schimpfe ich in Gedanken und nehme mir fest vor, nicht mehr so vorlaut zu sein. Wie schon tausende andere Male.
Wallace scheint an meiner Frage nichts seltsames zu finden. Doch sein Gesichtsausdruck ist ernst.

"Sie hat es nicht leicht", beginnt er langsam. "Viele halten Sie für verrückt oder für labil. Aber wenn man sie wirklich kennt, dann weiß man genau, dass sie dafür nichts kann." Er macht eine kleine Pause. Verwirrt runzle ich die Stirn. Ich verstehe nicht ganz, was er damit sagen will.
"Später wirst du wissen, was ich damit meine", höre ich Wallace Stimme und als ich meinen Blick hebe erblicke ich seine warmen braunen Augen. Nur kurz schlägt mein Herz schneller, dann richtet er seinen Blick wieder auf die Straße. Er bringt mich völlig aus dem Konzept.

Carbisdale - How to defeat the Spirit of CastlesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt