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Als wir bei Matthias ankommen, dämmert es bereits wieder. In der kleinen Stadt mit dem unaussprechlichen Namen haben wir noch zu Mittag gegessen, dann sind wir noch ein wenig am Loch Ness entlangspaziert und Wallace hat mir noch einiges über seine Großtante Mary erzählt.

Anscheinend verwechselt sie sich selbst oft mit seiner Großmutter Betty und für Wallace sind sie beide wie Großmütter, weil Mary sich früher, vor dem Tod ihres Mannes, noch oft um ihn gekümmert hat. Heute besucht Wallace sie - und kümmert sich um sie. Seine Familie scheint wirklich groß zu sein. Ich dagegen habe Mom. Aber das reicht. Klein aber fein, wie ich zu sagen pflege.

Wir steigen aus dem Auto und gehen langsam auf das Anwesen zu, dass im Dunkeln gespenstisch aussieht und mir einen Schauder über den Rücken jagt. Zu dumm, dass ich da jetzt rein muss.

Automatisch werde ich immer langsamer und schließlich bleiben wir vor einem kleinen Seiteneingang stehen.

Wallace öffnet die Tür und mich überkommt ein Deja-Vu. Reflexartig greife ich nach seinem Arm. Fragens schaut er auf mich herunter. Ich blicke nur stumm zurück.

"Was ist los?", fragt er mich und ich weiß, dass er es eigentlich genau weiß.

"Du bringst mich doch raus, falls ich einen Anfall bekommen sollte oder?", frage ich ein wenig panisch und blicke ihn hoffnungsvoll an. "Nur für den Fall...du weist schon."

Er grinst zurück: "Du wirst doch wohl keine Angst vor einem Gebäude haben?"

Ärgerlich zucke ich mit den Schultern und blicke ihn böse an.

"Du weißt, dass das die falsche Einstellung ist, nicht wahr?", fragt Wallace. "Du musst deine Angst überwinden, sonst wirst du Mary nicht besiegen." Streng schaut er mich an und ich nicke hastig.

"Trotzdem...", sage ich und meine Wut verraucht sofort, als ich sehe, dass er sich nur um mich sorgt. "Nur für den Notfall. Wenn ich weiß, dass du dabei bist, dann...ist es auch nicht so schlimm. Wenn ich weiß, dass nichts passiert...Bitte versprich es mir einfach."

Wallace nickt ernst, dann lächelt er mich an und nimmt meinen Arm. "Gehen wir", sagt er und nickt in Richtung Tür."

Schweigend setzen wir uns in Bewegung und gehen durch die schwach beleuchteten Gänge. Immerhin gibt es hier Licht, anders als auf Carbisdale.
Außerdem gibt mir Wallace' Anwesenheit Sicherheit. Er kennt sich aus und er weiß, was zu tun ist, zumindest denke ich das.
Der Gedanke daran beruhigt mich, auch, wenn es irgendwie falsch ist, einem fast Fremden so zu vertrauen. Wie lange kenne ich in nun? Drei Tage?
Wie auch immer: ich bin schon ziemlich abhängig von ihm. Wahrscheinlich hätte ich all die Jahre so einen Freund wie ihm gebraucht.
Einen, der mir geholfen hätte, der für mich da gewesen wäre.
Ich bin gut alleine zurechtgekommen, aber so...so ist es auf einmal viel schöner.
Ich muss lächeln, während ich noch immer am seinem Arm durch das Schloß laufe. Wer hätte das gedacht, dass es einmal so kommen würde?

Schon bald sind wir an Matthias' Wohnungstür und Wallace klingelt einfach. Leicht nervös warte ich, bis die Tür geöffnet wird. Drinnen bin ich in Sicherheit, da kann mir diese Macht, die Aura des Schlosses nichts mehr anhaben. Drinnen warten Antworten und es ist warm. Ungeduldig wackle ich in den blauen Sneakers mit den Zehen.

Nichts passiert. Eine Weile horchen wir einfach nur, doch es bleibt still und nichts rührt sich. Na toll! Wenn ich das gewusst hätte...

"Vielleicht hätte ich vorher anrufen sollen", murmelt Wallace und zieht einen Schlüssel aus seiner Tasche, mit der er die Tür aufschließt und öffnet.
Verdutzt schaue ich ihn an, er schaut zurück und lächelt mich an.

Er hat wirklich ein schönes Lächeln. Erheitert strahlen seine Augen, weil er mich so überraschen konnte.
Stumm schaue ich zurück und kann kein Wort hervorbringen.

Carbisdale - How to defeat the Spirit of CastlesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt