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Wir sitzen wieder an der selben Stelle, wie am Tag zuvor. Die Sonne strahlt und das Loch ist ruhig. Noch immer ist kein Seemonster in Sicht.
Anders sieht es in mir aus. Ruhelos streifen meine Gedanken hin und her. Wallace sitzt neben mir und seine Augen funkeln im Sonnenlicht. Zwischen uns liegt das Kästchen, unheilvoll schimmernd.

"Ist es das?", frage ich schließlich, es sind die ersten Worte, die ich sage, seit wir aus dem Auto gestiegen sind. "Ich werde immer mehr zu Mary? Das Schicksal einer Frau, die längst tot ist, bestimmt mein eigenes?"

"Nein!", schreit Wallace fast schon. "So darfst du gar nicht denken."
Immer diese Stille.
"Mary, meine Großtante, denkt das. Also die, die du kennengelernt hast. Und du siehst ja, wo das hingeführt hat.
Es sind viele Menschen an diesem ganzen zugrunde gegangen, aber du musst dir klarmachen, dass es nicht stimmt."

Eindringlich schaut er mir in die Augen.
"Viele behaupten, es wäre Mary Mitchells Geist, der durch das Schloss spukt, der manche Menschen, wie dich, in den Wahnsinn treiben kann."
Ich runzle die Stirn.

"Ja, ziemlich creepy, ich weiß. Keine Ahnung, ob da was dran ist. " Seine Augen funkeln. "Aber meine Mutter zum Beispiel hat es geschafft. Sie hat etwas ähnliches wie du durchgemacht. Sie hat erkannt, dass es diese Denkweise ist, die so zerstörerisch ist und sich Schritt für Schritt an das Gefühl gewöhnt. Genau das könntest du auch tun."
Okay...

"Und wenn ich einfach nicht mehr in diese Schlösser gehe?", möchte ich wissen. "Was dann?"
"Gute Frage", sagt Wallace. "Es kann sein du kannst dein Leben weiterleben, allerdings können dich die Gedanken daran auch weiterhin stören und vielleicht wird es trotzdem schlimmer. Das kann ich dir nicht sagen, es kommt darauf an, wie tief Du da schon drinsteckst."
Na toll.

"Kann man ihren Geist nicht irgendwie...vernichten?", schlage ich unsicher vor. Vor drei Tagen hätte ich mich für diesen Vorschlag noch selbst ausgelacht, aber jetzt ist es mir bitterernst.
Ich habe keine Lust darauf, mein restliches Leben in einer  Psychiatrie in zu verbringen.

Wallace scheint meinen Vorschlag ziemlich lustig zu finden.
"Du meinst so nach dem Motto: lasst uns einen Geist heraufbeschwören und Räucherkerzen verteilen? Nee, tut mir leid. Das geht nicht."
Enttäuscht verziehe ich das Gesicht.
Das wäre so cool gewesen! Vor allem das mit dem Geisterbeschwören.

"Wir könnten es ja mal mit so einem Brett versuchen.", schlage ich vor. Plötzlich ist meine gute Laune wieder da und ich muss grinsen. "Du weißt schon, so ein... keine Ahnung wie das heißt. Das mit den Gläsern."
Wallace grinst amüsiert zurück. "Alles klar, Caro", sagt er. "Jetzt weiß ich auch, was du in deiner Freizeit machst."
"Hey!", verteidige ich mich. "Das wäre doch lustig."
"Vor allem nachts", meint er "so wie gestern, da hattest du schon Angst, bevor du das Schloß überhaupt betreten hattest." Herausfordernd legt er den Kopf schief.

"Wir müssten es natürlich in einem richtigen Raum machen...", sage ich ausweichend. "Bei Betty zum Beispiel. Dann beschwören wir Mary herauf und sagen ihr, dass alles gut ist und sie in Frieden sterben kann."
"Genau", Wallace nickt spöttisch. "Du liest zu viele Romane. Das hier", er zeigt um sich auf den See und die Bäume, "dass ist die Realität. Da gibt es keine Geister."
Verdutzt schaue ich ihn an. "Du hast vohin gesagt..."

"Ich habe gesagt viele meinen, Marys Geist würde hier sein.", unterbricht er mich. "Geist. Nicht Körper. Ich meine nicht das weiße Gespenst, das im Schloss herumspukt, sondern die Verbitterung, die sich auf das Gebäude übertragen hat, auf mehrere Gebäude um genau zu sein."
Ich kichere. "Das ist mindestens genauso blöd und realitätsfern."
Aber Wallace bleibt ernst. Nur seine Augen funkeln belustigt, doch er gibt keine Antwort.
"Ach Wally", sage ich scherzhaft "Du benimmst dich ja wie ein alter Mann!"

Carbisdale - How to defeat the Spirit of CastlesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt