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Die alte Dame vor mir schüttelt traurig den Kopf und trinkt einen Schluck Tee.
Eine Weile ist es still.
Das Feuer knackt und knistert und trotz der schläfrigen Stimmung möchte ich doch den Ausgang der Geschichte wissen, auch wenn ich das traurige Ende schon erahnen kann.

"Und dann?", frage ich.
Betty stellt ihre Teetasse ab.
"Es kann wie es kommen musste", erwidert sie leise. "Charles Eltern hielten sie für eine Hexe. Nur Charles hielt noch zu ihr. Aber er war viel beschäftigt und wurde immer kränklicher. Es war sein Herz. Charles wurde schwach.
Als er geschäftlich in London war ergriffen seine Eltern die Initiative und nahmen Mary ihren Sohn weg."

Ich schnappe nach Luft.
"Als Charles zurückkam hatten sie Mary isoliert. Schon länger hatten sie ein Schloß in Auftrag gegeben - Carbisdale Castle.
Und dort war Mary.
Allein und unglücklich.
Ihren Ehemann wollten sie nicht zu ihr lassen. Sie wurde zur Aussätzigen.

Nur eine Möglichkeit gab es für Charles sie zu sehen. Ein Geheimgang, versteckt unter einer Statue.
Einige Male kam Charles zu ihr, bis er schließlich seiner Krankheit erlag.

Mary lebte bis zu ihrem Tod hier in diesem Schloß. Ihren Sohn hat sie nie wieder gesehen. Das einzige, was dieser von den beiden hatte, war ein Fotoalbum, das sein Vater ihm angefertigt hatte."
Erschrocken sehe ich, dass Betty angefangen hat zu weinen.
"Das einzige, was noch existiert von ihr." Sie wischt sich die Tränen vom Gesicht. "Es wird weitervererbt, mitsamt einigen Briefen."
Also ist Matthias ein Nachfahre von Mary.
"Matthias...", bringe ich hervor, entsetzt, wie gut das alles zusammenpasst.
"Ja", Betty lächelt traurig. "Matthias. Der Sohn meiner Schwester."

"Ihre Schwester?" Diese Frage kann ich mir nicht verkneifen. Alles hängt irgendwie zusammen und ich brenne darauf zu wissen wie, denn es betrifft mich auch irgend einem Grund. Die Schwester ist doch nicht etwa Mary aus dem Turmzimmer oder? Das kann nicht sein.

"Du hast Sie bereits kennengelernt", sagt Betty
Verwirrt blicke ich ihn an, während ich mein Gehirn durchforste.
"Sie heißt Mary, wie ihre Urahnin", erklärt Betty. "Meistens ist sie in Ihrem Turmzimmer. Matthew hat da so etwas erwähnt..."
Perplex starre ich sie an. Also doch!

"Wir sind Zwillinge.", die alte Dame deutet ein Lächeln an.

Ja, das meinte Wallace auch schon...

Nun verstehe ich auch den Unterscheid zwischen ihnen. Betty scheint warm und liebevoll zu sein, während die Mary aus dem Turmzimmer scheinbar dem Gegenteil gleicht.
Aber das ist auch das einzige, was mir logisch erscheint. Wie genau muss ich mir das vorstellen und wie hängt Wallace da drin?

"Ich verstehe überhaupt nichts mehr.", sage ich wahrheitsgemäß und versuche das Chaos in meinem Kopf irgendwie zu lüften. "Wer ist jetzt mit wem wie verwandt?"

"Das könnte dauern." Wallace lehnt sich zurück.

Das klingt nach einer großen Familie.
Müde blicke ich in Zimmer umher. Mein Blick bleibt an der Kaminuhr hängen.
Ich reiße die Augen auf. Panisch werfe ich Wallace einen Blick zu. Es ist bereits elf Uhr.

Meine Mutter denkt sicher, ich wäre im Loch ertrunken. Oder von dem Monster gefressen worden. Nur wie komme ich hier am besten wieder weg? Gerade will ich mir einen Satz zurechtlegen, da kommt mir Betty schon zuvor.

"Geh ruhig", sagt sie. "Es gibt auch noch andere Tage, an denen wir uns unterhalten können."
Mit einem kleinen Knall stellt sie ihre Teetasse ab und ich weiß nicht genau, was ich tun soll. Ist sie beleidigt, wenn ich gehe oder warum hast Sie die Tasse so auf den Tisch geschlagen?
Wallace nimmt mir die Entscheidung an, indem er sich erhebt und mir einen auffordernden Blick zuwirft. Ich stehe ebenfalls auf und reiche Betty die Hand.
"Pass auf dich auf", sagt sie, als sie meine Hand nimmt.

Carbisdale - How to defeat the Spirit of CastlesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt