Ich bin mir nicht sicher.
Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde sich hinter Moms Begeisterung zu diesem Ort noch etwas anderes verbergen, als nur ihre Liebe zu alten Bauwerken.
Sie schwärmt nahezu ununterbrochen von alten Bauten und von der Landschaft hier. Von dem Schloss, das wir gleich besichtigen werden: einem typischen Castle in Schottland.Seit wir mit unserem alten blauen Golf auf den großen Schotterparkplatz gefahren sind, gibt es kein anderes Gesprächsthema mehr als diesen vielleicht zweihundert Jahre alten Klotz. Zugegeben: es ist ein wirklich hübsches Castle. Die gut erhaltene Fassade und der große Vorplatz mit dem kleinen rosenumrankten Seiteneingang lassen das Schloss wirken, als hätte Dornröschen hier ihre hundert Jahre geschlafen.
Da ist aber noch etwas anderes, das dieses romantische Bild zerstört, es ins Unheimliche wandelt. Ich weiß nur noch nicht was.Meine Mutter läuft eifrig voraus in Richtung Kasse, die kaum zu übersehen ist. Dabei hält sie immer wieder an, um ein Foto mit ihrer neuen Kamera zu schießen.
Ich weiß, dass Mom auch von anderen Bauwerken schwärmen würde, aber trotzdem sagt mein Gefühl mir, dass ich hier doch lieber vorsichtig sein sollte. Irgendwas stimmt hier nicht.
Ob es an Moms Begeisterung liegt und daran, dass mit einfach die künstlerische Ader dazu fehlt, solche architektonische Meisterwerke anzuerkennen?
Ich habe ein wirklich mulmiges Gefühl im Magen.Irgendetwas ist heute anders als sonst.
Das Castle vor uns, das majestätisch und doch trügerisch friedlich in den Himmel ragt, hat etwas an sich, das mir nicht gefällt.
Schön ist es, keine Frage, aber es wirkt furchteinflößend und überhaupt nicht so, wie Mom es gerade beschreibt."Schau nur, Caro!", ruft sie begeistert aus. "Diese Türmchen! Und dahinter der kleine Park! Das ist ja total romantisch!"
Ja. Total. Wieso nur ist sie von dem gruseligen Ding so begeistert?
Trotz meines Unbehagens lächle ich sie an und nicke, was meine Mutter gar nicht wahr nimmt.
Sie hat einen kleinen "entzückenden" Brunnen entdeckt und holt ihre Kamera aus der Tasche.Ich verdrehe leicht die Augen.
Ein Brunnen! Wenn Mom erst den steinernen Torbogen entdecken wird, den ich vorhin vom Parkplatz aus gesehen habe, wird es um sie geschehen sein."Caroline!" Mom fuchtelt aufgeregt mit den Händen und ich seufze, als ich einen rothaarigen Mann mittleren Alters neben ihr stehen sehe: Richtig, mit ihrer Kamera in der Hand.
"Komm schon!", ruft meine Mutter eifrig, "der nette Herr hat angeboten uns zu fotografieren."Ich gehe über den knirschenden Kies in ihre Richtung und Mom zieht mich regelrecht neben sie, während sie ihr berühmtes strahlendes Lächeln aufsetzt, das schon mehrere Männer um den Verstand gebracht hat.
Auch der nette Herr mit unserer Kamera starrt meine Mutter an, als er die Kamera schließlich zurückgibt. Er ist ein bisschen rot im Gesicht und schiebt seinen kleinen Bauch, der in einem grün gemusterten Hemd steckt, noch weiter nach vorne.
Ziemlich unvorteilhaft, denke ich."Charles!", ruft da eine hohe Frauenstimme und unser 'Charles' zuckt ein bisschen zusammen. "Wiedersehn", sagt er freundlich und geht zurück zu seiner Frau, einer ebenfalls typisch rothaarigen Engländerin, die wohl nachgekommen ist. Sie packt ihn sofort am Arm und zieht ihn mit sich.
Offenbar hat ihr unsere Fotoaktion genauso wenig gefallen wie mir. Der arme Mann. Er wirkt wie ein Hund an der Leine. Mit der Frau hat er es bestimmt auch nicht leicht..."Wir sollten mal so langsam an die Kasse", sage ich und mache unauffällig schon einmal einen Schritt in Richtung Eingang. "Sonst ist die Schlange zu lang.
Die Umgebung können wir uns später noch ansehen.", füge ich hinzu, als meine Mutter das Gesicht verzieht.
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Carbisdale - How to defeat the Spirit of Castles
RomanceSchon als Caroline zum ersten Mal Cawdor Castle, ein Schloss in ihrer neuen Heimat Schottland, betritt, ahnt sie, dass hier etwas nicht stimmt. Seltsame Legenden ranken sich um die Schlösser hier in der Gegend, insbesondere um Carbisdale Castle, de...