Probleme

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Am Abend machten wir uns gemeinsam auf den Weg in eine nageliegende Bar. Als wir ankamen stellten wir fest, dass da überhaupt nichts los war, doch das machte weder mir, noch irgendjemand andren etwas aus. Schließlich wollten wir uns doch unterhalten und nicht schlichtweg betrinken. Also ließen wir uns an einem ziemlich großen Tisch nieder. Ich saß zwischen Kat und Ethan, gegenüber von Christian. ''Na? Wie läuft's so?'', fragte Kat neugierig. ''Wie ist es in der Kompanie Tara?'' Traurig schaute ich zu Boden. Ich würde lieber in Unterwäsche durch die Stadt laufen, als über die Kompanie zu sprechen. Doch, was sollte es? Sie hatten schließlich ein Recht, es zu erfahren. Ich strich mit den Fingern über das Armband von Lucas und begann dann zu erzählen:"Ich hatte eine Rolle...'' ''Du hattest eine Rolle? Warum sprichst du in der Mitvergangenheit?'', unterbrach mich Ollie. ''Ich bin gestürzt. Jetzt bin ich raus." "Dann kriegst du das nächste Mal wieder eine", meinte Eathen zuversichtlich. "Ich werde nie wieder tanzen können", rief ich unter Tränen. "Es ist aus!" Kat umarmte mich sofort. "Alles wird wieder gut", flüsterte sie, doch ich wusste, dass das nicht stimmte, nie wieder würde alles wieder gut sein. "Falls es dir ein wenig hilft, bei mir läuft auch nicht alles glatt", sagte Kat leise. Was konnte in ihrem perfekten Leben bitte schief gehen? Sie war eine berühmte Schauspielerin und das obwohl sie noch am Anfang ihrer Karriere stand. "Ich bekomme keine Rollen mehr. Es gibt eine andere Schauspielerin. Sie ist besser. Sie tanzt besser, sie spielt besser, sie kann einfach alles besser als ich. Egal zu welchem Casting ich gehe, sie ist auch da und übertrumpft mich bei weitem. Wenn ich keine Rollen bekomme, kann ich nicht lernen und wenn ich nicht lerne, sind bald alle besser als ich. Es ist ein ewiger Teufelskreis, dem ich nicht entkommen kann.'' Auch ihr stiegen langsam die Tränen in die Augen, nun war ich diejenige, die sie in die Arme schloss. "Ich habe ein ähnliches Problem", meldete sich nun Eathen zu Wort. Wie bitte? Eathen Karamakow hatte ein Problem? Ich schaute ihn ungläubig an, was er als Aufforderung zu erzählen auffasste. "Mein Vertrag... Mir wurde gekündigt. Meine Stücke kommen beim Publikum angäblich so schlecht an, dass es sich nicht lohnt mich zu bezahlen." Eathen koreografierte toll. Das Stück, das er damals für Abigail gemacht hatte, war außergewöhnlich kreativ gewesen, sie hatte extrem gut abgeschnitten."Mein Problem ist das Gegenteil", mischte sich nun Grace ein. Als ob sie, als Prix-Gewinnerin irgendein Problem hatte. "Ihr wisst ja, dass ich schon nach der Akademie mit dem Tanzen aufhören wollte, doch dann habe ich ein Angebot gekommen und habe mich entschieden, dem Ballett eine letzte Chance zu geben. Doch egal, die viele Chancen ich ihm noch gebe, es wird nichts daraus. Ich komme aber aus dem Vertrag nicht raus. Mir wurde damals verheimlicht, dass ich zehn Jahre zum Tanzen an dieser Kompanie verpflichtet bin. Ich habe überhaupt keinen Spaß mehr an der Sache. Jeden Morgen stehe ich auf und fürchte mich regelrecht vor dem abstehenden Tag. Ich kann nicht mehr." "Wie geht es denn unseren zwei Turteltauben in Europa?" Ich wollte unbedingt vom Thema ablenken und über etwas erfreuliches reden. Doch Abigail senkte den Blick. "Es ist aus", presste sie hervor. Geschockt schaute ich sie an. "Oliver hat gecheckt, dass er mit Mädchen doch nichts anfangen kann. Für diese Erkenntnis musste er mir das Herz brechen." Die beiden hatten sich doch Ende des Jahres so gut verstanden. Sie waren gemeinsam in die Kompanie gekommen und bald waren Gefühle ins Spiel gekommen. Es hatte doch so lange und gut gehalten, was war nur passiert? Eines stand jedoch fest. Abigail hatte ihn wirklich geliebt. Sie schniefte leise. "Hoffentlich bist du jetzt zufrieden", zischte sie zu Ollie. "Nein, das bin ich nicht!", schrie er zurück, "ich habe ein Angebot bekommen. Ich hätte rapen können auf einem Konzert, vielleicht sogar auf Tour gehen. Ich hatte schon alles durchdacht, mit dem Freinehmen, wie viel ich ungefähr verpasst hätte... Dann war ich beim Arzt." Seine Stimme wurde immer leiser. "Meine Stimmbänder... Ich habe Knötchen. Ich müsste mich operieren lassen, doch zusätzlich sind noch meine Lümpfkoten geschwollen, ich..." Er war den Tränen sehr nahe. Es tat mir wirklich leid für ihn. "Ben, was ist denn das an deiner Hand?", fragte Christian, während ich noch über Ollie nachdachte. "Der Krebs. Ich hatte wieder eine Chemotherapie. Es war hart. Ich habe solche Angst." Er schluchzte laut. Mir war seine Frisur aufgefallen, doch ich hatte vermutet er würde einfach nur ein neuer Haarschnitt, niemals hätte ich gedacht, es wäre wegen einer Chemo. Ich wusste wie sehr er litt, er hatte mir oft von den Jahren seiner Krankheit erzählt. "Bei unserem Christian läuft natürlich wieder mal alles perfekt", äußerte sich Ollie schnippisch. Irgendwie hatte er ja Recht, Christian hatte natürlich keine Probleme. "Nein. Nein, bei mir ist nicht alles perfekt. Ich bin pleite. Die Schule wurde schon vor Monaten vorgewarnt. Ich hätte gedacht, ich würde es schaffen, aber es hat nicht geklappt. Zag hat mir die finanziellen Angelegenheiten überlassen, da er so viel um die Ohren hat und ich, ich habe die Schule in den Konkurs geführt. Ich habe Sammy enttäuscht." Schuldbewusst schaute er ins Leere. Niemand sagte mehr etwas. Ich legte meine Arme um Kat und Ehatan. Kat umarmte mich und Ollie, dieser wiederum schloss sie und Grace in die Arme, die ihn und Christian an sich zog, er erwiderte ihre Umarmung und zog Ben hinein, der seinen freien Arm um Abigail legte, die Kat noch mithineinzog, welche schon mit ihr und mir verbunden war. Da saßen wir nun, traurig und ohne auch nur die kleinste Hoffnung. Gab es für irgendeines unserer Probleme eine Lösung? Würden wir jemals wieder glücklich werden?

Angst zu stürzen (Dance Academy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt