Besuch

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Ich lag nun schon zwei Wochen in diesem Krankenhausbett und hatte Kontakt zu niemandem, außer zu den Ärzten und Schwestern. Es war mir versichert worden, meine Eltern wüssten Bescheid, doch schon langsam war ich mir nicht mehr sicher, ob ich dem Glauben schenken sollte, schließlich hatte sich noch niemand bei mir gemeldet.
Ich musste immerfort daran denken, dass ich eigentlich in der Kompanie sein sollte und für die Aufführung proben. Ob Lucas schon Bescheid wusste?
Ich tat den ganzen Tag nicht viel. Die meiste Zeit lag ich nur da, nicht sicher, ob ich über die Umstände glücklich oder traurig sein sollte. Aber was machte das schon, ich konnte ja sowieso nichts daran ändern.

''Wie geht es Ihnen heute, Miss Webster?'', fragte eine Krankenschwester, die gerade durch die Tür kam. ''Wie jeden Tag'', antwortete ich wenig motiviert. ''Hoffentlich geht es Ihnen gleich bessser'', lächelte sie. Bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich eine allzubekannte Stimme. ''Tara Tiara!'' Mom und Dad! Auf meinen Lippen machte sich schlagartig ein Lächeln breit. Einen Bruchteil einer Sekunde später, standen sie auch schon in meinem Zimmer. ''Mom! Dad!'', schrie ich vor lauter Freude. Dad kam zu meinem Bett gelaufen und umarmte mich stürmisch, seine Ehefrau tat es ihm gleich. Sie zogen sich zwei Sessel an mein Bett und begannen sich sofort mit mir zu unterhalten. ''Wie geht's dir Schätzchen?'', fragte meine Mutter ein wenig besorgt. ''Jetzt, wo ihr da seit, geht es mir ausgezeichnet'', antwortete ich, immer noch völlig überwältigt. Ich hatte meine Eltern so lange nicht gesehen.
Stundenlang redeten wir über wichtige und weniger wichtige Dinge. Die beiden waren so glücklich über die Tatsache, dass ich nicht gelähmt war. Ich wollte ihnen nich sagen, dass mein Traum geplatzt war und ich nie wieder tanzen werde. Schon allein der Gedanke reichte, um Tränen heraufzubeschwören. Aber ich wollte in diesem Moment nicht traurig sein.

Gegen Abend verabschiedeten sich meine Eltern. Sie hatten ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe gebucht, um mich die nächsten Tage bei der anstehenden Reha unterstützen zu können. Gerade als sie den Raum verlassen wollten, erblickte ich noch einen Überraschungsgast. Lucas kam mit schnellen Schritten in mein Zimmer gestapft. Anscheinend war die Nachricht meiner Verletzung bis zu ihm durchgesickert. In der einen Hand hielt er einen Blumenstrauß, in der andren eine kleine Kiste. Was hatte er vor? ''Wir lassen euch dann mal alleine'', schmunzelte Mom und zog Dad endgültig aus den Raum. Lucas setzte sich an mein Bett und überreichte mir grinsend die Blumen. Ich freute mich riesig. Seit Wochen hatte ich ihn nicht gesehen und jetzt war er ganz für mich da, und auch noch mit Blumen. Schließlich überreichte er mir auch noch die kleine Box. Neugierig öffnete ich sie. Drinnen lag ein hölzernes Armband. Ich nahm er heraus und legte es mir an. Es war ein leichtes Holz, es fühlte sich angenehm an auf meiner Haut. ''Danke'', flüsterte ich leise. Obwohl es nur aufgefädelte Holzstücke waren, konnte ich mir im Moment nichts schöneres vorstellen.
Nach einem, meiner Meinung nach, viel zu kurzen Gespräch verabschiedete sich Lucas. Leider musste er schon gehen, doch er versprach, mich bald wieder zu besuchen.

Nachdem alle gegangen waren, war ich das erste Mal seit langer Zeit wieder glücklich. Mit einem Lächeln schlief ich ein.

Angst zu stürzen (Dance Academy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt