Erwartungen

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Ich kam tatsächlich noch gerade rechtzeitig in den Gemeinschaftsraum zurück, sodass Theo nicht die leiseste Ahnung von meinem Ausflug hatte.
Nachdem wir den Rest des Abends wieder zu zweit verbrachten, gingen wir mit den anderen in die Schlafräume. Das war der einzige Vorteil an dem Streit mit meinen Freundinnen, ich hatte mehr Zeit mit Theo.
Aber inzwischen war ich es einfach nur leid, ich vermisste die teilweise stundenlangen Gespräche über alles mögliche, die wir Abends im Schlafsaal noch führten. So wie jetzt, wo ich einfach noch unnötig wach lag und nachdachte.
"Willst du reden?", hörte ich plötzlich die Stimme vom Bett mir gegenüber. Schnell setzte ich mich auf. Ich hätte nicht erwartet, dass Daphne noch wach war, aber wenn sie mit mir reden wollte, dann musste ich die Chance nutzen.
"Nicht über heute", sagte ich. "Ich will das einfach nur vergessen."
"Okay", meinte Daphne. "Und ich sag's gleich, ich will über das jetzt auch nicht mehr reden"
"Wirklich?"
"Ich weiß, dass ich dich nicht zwingen kann, mir dein Geheimnis zu verraten. Deshalb warte ich jetzt auf dich, bis du von selbst mit der Sache rausrückst", erklärte Daphne ernst.
Ich spielte kurz mit dem Gedanken und mit meinem linken Ärmel, in dem dunklen Licht konnte ich mir das leisten.
"Ist was?", fragte Daphne, weil ich still geworden war.
"Nein, alles okay", sagte ich schnell, um sie nicht wieder misstrauisch zu machen.
"Sehr witzig, Lu", lachte sie humorlos.
"Ich will einfach positiv bleiben, Daphne. Du glaubst nicht, wie froh ich bin, dass wir nicht mehr zerstritten sind", erklärte ich.
"Wieso?", wollte sie wissen.
"Meine Zeit läuft, verdammt nochmal!", seufzte ich und legte mich wieder hin.
"Wie 'deine Zeit läuft'? Warum?", fragte Daphne.
Ich wartete kurz mit der Antwort.
"Das ist es ja", sagte ich schließlich. "Ich weiß es inzwischen selbst nicht mehr so genau..."

Beim Frühstück am nächsten Tag fing die Hoffnung endgültig an sich von mir abzuwenden. Ich wollte einfach nur noch, dass alles endet, dass alles so schnell wie möglich vorüber geht.
Ich hatte einfach zu viel um mich und zu viele Erwartungen zu erfüllen.
Die Prüfungen, die Mission, Freunde und Theo.
Und jetzt hatte ich auch noch Harry am Hals.
Den ganzen Tag schon versuchte er mit mir zu reden, mich nach dem Unterricht und am Nachmittag aufzuhalten und meine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ich gab ihm keine Chance. Ich wusste genau, worüber er reden wollte.
Pünktlich zum Abendessen kam dann auch Draco vom Krankenflügel zurück. Der halbe Tisch begann zu flüstern, als er daran entlang ging, ein paar trauten sich laut zu fragen, wie es ihm denn jetzt ging oder was wirklich passiert war.
Draco setzte sich jedoch nur ohne auch nur ein Wort zu sagen neben Pansy, die mir gegenüber saß, und sie fiel ihm gleich um den Hals.
"Gott, bin ich froh, dass es dir wieder gut geht!", sagte sie erleichtert und wollte ihren Kopf auf seine Schulter legen, doch nicht, ehe sie noch an die anderen Slytherins gewandt rief: "Lasst ihn doch in Ruhe, ihr immer mit euren dämlichen Fragen! Das geht euch überhaupt nichts an!"
"Lass es, Pansy", sagte Draco.
"Das musste einfach sein, sorry", entschuldigte sie sich und legte ihren Kopf jetzt wirklich auf seine Schulter.
"Zeig mir nachher wie es aussieht, okay?", fügte sie noch leise hinzu, allerdings noch laut genug, damit ich es noch mitbekam.
"Ich zeig dir gar nichts, Pansy" Draco schien nicht weniger genervt von allem, wie ich es inzwischen auch war, aber ich nahm es ihm ausnahmsweise mal nicht übel.

Nach dem Essen wollte ich so schnell wie möglich aus der großen Halle verschwinden, damit ich Harry wieder abhängen konnte. Aber er schien damit gerechnet zu haben und hatte mich deshalb bereits kurz nach dem Ausgang eingeholt.
"Lucie", sagte er flehend, "nur ganz kurz, bitte"
Ich wollte an ihm vorbeigehen, in der Hoffnung, dass er dann endlich mein Desinteresse akzeptierte, doch er griff nach meinem Arm, um mich aufzuhalten.
Er hatte den linken erwischt, was mich zusammenzucken ließ.
"Was?!", fragte ich gereizt, und gab mich somit geschlagen, damit er endlich Ruhe gab.
Harry war überrascht, sowohl darüber, dass ich auf ihn reagiert hatte und über die Art wie.
"Ähm... ich wollte dir nur sagen, dass es mir leid tut, okay?", begann er. "Glaub mir, ich hab das, was gestern in dem Bad passiert ist, auf keinen Fall gewollt. Ich wusste selbst nicht, was ich tue, versteh das bitte"
"Ach, es tut dir also leid, dass du dumm genug warst, einen dir fremden Zauber auszuprobieren?", fragte ich nach, immer noch genervt.
"So hab ich - also schon, ja, ich wusste noch nicht was der Spruch macht, aber -"
"- aber du wolltest ihn mal ausprobieren", setzte ich vorwurfsvoll fort.
"Hey, keiner hat was darüber gewusst, nirgendwo hat auch nur ein Wort über den Spruch gestanden, also was blieb mir anderes übrig?", beschwerte sich Harry.
"Wenn nirgendwo was darüber stand, wo hast du den dann her?", wollte ich wissen.
"Das - das ist meine Sache", meinte Harry. "Und außerdem bin ich mir sicher, dass du bestimmt auch schon mal einfach so einen Zauber ausprobiert hast, also brauchst du mich deswegen jetzt nicht so anfahren"
"Vielleicht hab ich schon mal einen Zauber ausprobiert, aber doch nicht an Menschen!", sagte ich laut, wurde dann aber leiser. "Und hör mal, Harry, wegen deiner Dummheit wäre mein Bruder gestern fast gestorben, also welche Reaktion erwartest du von mir, ha?"
Darauf wusste er nichts mehr und ich nutzte die Gelegenheit um mich wieder umzudrehen und abzuhauen.

Hey Brother (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt