v e i n t i d ó s

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• Without You - Avicii •

Suchend drängelte ich mich zwischen den betrunkenen, tanzenden Leuten durch und hielt Ausschau nach May und Lila. Jedoch fehlte von Beiden jegliche Spur. Seufzend holte ich mein Handy heraus, um den beiden zu schreiben, dass ich nach Hause gehen würde.

In diesem Moment bekam ich eine Nachricht.

Wir bleiben noch ein bisschen, Lila geht zu sich nach Hause und ich komme dann zu dir.

Ich schickte ihr ein ok, dann drängte ich mich durch die Menge und verpasste einem Typen, der mich begrapschte, eine Ohrfeige, bevor ich endlich ins Freie trat.

Tief sog ich die frische Nachtluft bis ganz tief nach unten in meine Lungen. Auch wenn ich den Geruch nach Alkohol, Zigaretten, Schweiß und Drogen im Haus irgendwann nicht mehr so stark wahrgenommen hatte, tat mir die klare Luft doch sehr gut. Langsam spazierte ich die menschenleere Straße, die von Laternen beleuchtete wurde, entlang. Ich wollte mir erst ein wenig die Füße vertreten, bevor ich mir ein Taxi rief.

Erschrocken schnappte ich nach Luft, als ich plötzlich in eine dunkel Seitenstraße gezogen wurde. Ich spannte mich an, Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich war jeden Moment bereit zur Flucht. Diese Möglichkeit wurde mir aber verwehrt, da meine Hände an die Wand, die sich glitschig und nass in meinem Rücken anfühlte, gedrückt wurden.

Ich spürte kaltes Metall an meiner Schläfe und mir lief ein Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, dass es sich wahrscheinlich um eine Waffe handelte. Ich wollte nicht sterben, noch nicht. Cookie brauchte mich doch. Meine Mutter, meine Freunde brauchten mich.

„Was wollen sie von mir?", fragte ich mit leiser, brüchiger Stimme, doch mein Atem ging rasch. Auch wenn meine Stimme es nicht vermuten ließ, ich würde mich verteidigen, bis zum Tod. Die Gestalt, die eine Maske trug, die sein Gesicht verdeckte, lachte auf.

„Von dir überhaupt nichts. Du bist nur ein Puzzleteil in meinem genialen Plan, ein nützlicher Joker."

„Wie genial kann ihr Plan schon sein, wenn sie so feige sind, dass sie ihr Gesicht hinter einer Maske verstecken müssen?" Mir war klar, dass es überhaupt nicht ratsam war, den Mann zu provozieren, aber wenn ich heute wirklich sterben sollte, dann würde ich mit Würde sterben.

„Halt dein Maul, du rotzfreche Schlampe! Ich würde dich gerne töten, aber ich brauche dich bedauerlicherweise noch für meinen Plan. Also höre jetzt genau zu!" Der Mann presste den Lauf der Pistole fester gegen meine Schläfe und ich nickte langsam.

„Du bedeutest Ashton etwas, das heißt, du bist eine Schwäche, jemand, der ihn verletzen kann. Und genau deshalb bist du perfekt für den Plan!" Als er mir erklärte, was ich tun sollte, weiteten sich meine Augen geschockt.

„Nein! Das kann und werde ich ihm nicht antun!", presste ich zwischen meinen Lippen heraus und schüttelte den Kopf.

„Du hast gar keine andere Wahl!" Der Mann lachte böse, wobei ich seinen Mundgeruch nach Zitrus riechen konnte. Konnte er nicht stinkenden Mundgeruch haben? Dann würde ich mich wenigstens ekeln und diese Szene würde gefährlicher wirken.

„Dein Ashton ist nicht so unschuldig, wie du denkst. Er ist Mitglied in der Mafia, die Leute foltert, grausam tötet und kleine Kinder verletzt. Er würde dich ohne zu zögern töten, wenn sein Boss es ihm befehlen würde!", sprach der Mann und mit jedem seiner Worte schmerzte mein Herz mehr, ging immer mehr und mehr kaputt. Ich wusste, ich sollte all dem keinen Glauben schenken, aber ich konnte nicht anders. Eine kleine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel und lief meine Wange herunter. Energisch schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und hob meinen Kopf.

„Also mach gefälligst, was ich dir gesagt habe, oder deine Mutter und deine nette kleine Freundin May sind dran!"

Ich nickte abermals, denn das letzte, was ich wollte, war, dass Mom oder May meinetwegen etwas geschah. „Und wag es nicht, zur Polizei zu gehen! Die wird dir auch nicht helfen."

Mit diesen Worten war der Mann verschwunden und ich ließ mich langsam an der Wand hinabsinken, während einige kleine Tränen brennende Spuren in meinem Gesicht hinterließen, bevor sie von meinem Kinn tropften und im Stoff meines Kleides versickerten. Ich hasste es, so schwach zu sein. Ich hasste es, dass er mich so schwach machte. Und doch konnte ich nichts dagegen tun. Ich würde die Gesundheit meiner Mutter und meiner besten Freundin nicht gefährden. Was war schon dabei. Es waren nur ein paar Sekunden oder Minuten dauern, ich würde dabei nicht verletzt werden. Zumindest nicht physisch.

Vielleicht war es einfach Schicksal. Ashton und ich gehörten nicht zusammen. Er war in so vielen Hinsichten anders als ich. Er war trainiert und gutaussehend, während ich einfach nur durchschnittlich aussah und nicht einmal einen flachen Bauch hatte.
Er war reich und wohnte in einer Villa, während Mom und ich eine kleine Wohnung zur Verfügung hatten und unser Geld gerade so für ein paar wenige Extraausgaben reichte.

Der Mann von vorhin hatte Recht. Wieso sollte sich jemand wie Ashton mehr als freundschaftlich für mich interessieren? Er konnte jede haben. Ich wischte mir die Tränenspuren weg und stand auf. Ich hatte genug geweint. Ich würde das, was der Mann von mir verlangt hatte, ausführen und dann mein Leben weiterleben. Ohne Ashton und den ganzen Mafia-Kram.

Ich würde irgendwann meine große Liebe finden und mit ihm glücklich werden. Das Gesicht von Mac brannte sich in mein Gedächtnis. Die erste Liebe hielt so gut wie nie. Und jeder hatte es überlebt.

Die Zeit würde vergehen, und diese heilte bekanntlich alle Wunden. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das, was der Mann mir erzählt hatte, stimmte, aber seine Worte hatten bewirkt, dass mein Herz schmerzte, dass einzelne Splitter davon abfielen.

Noch nie hatte ich darüber nachgedacht, ich war einfach glücklich gewesen, dass sich derjenige, in den ich mich verliebt hatte, für mich interessierte. Doch es stimmte, wieso sollte sich ausgerechnet Ashton für mich interessieren? Über so etwas dachte man einfach nicht nach, wenn man eine rosarote Brille aufhatte.



„Wo bist du so lange gewesen?", empfing mich May mit sorgenvoller Stimme, als ich die Wohnungstüre aufschloss und eintrat. „Ich bin ein Stückchen zu Fuß gegangen, ich wollte mal für mich sein.", antwortete ich ihr und versuchte, meine Stimme gleichgültig klingen zu lassen.

„Erzähl mir keine Märchen! Wir kennen uns jetzt schon so lange, ich merke doch, dass es dir nicht gut geht!"

May legte einen Arm um meine Schultern und führte mich in mein Zimmer, wo sie sich neben mich auf das Bett setzte.

„Es ist wirklich alles in Ordnung.", versuchte ich einen erneuten, halbherzigen Versuch, doch May kaufte mir den Satz nicht ab.

„Nein, ist es nicht. Sag, was dich belastet."

„Es ist Ashton. Mir ist klar geworden...wieso sollte sich jemand wie er für mich interessieren? Ich bin einfach nur ein normales, durchschnittliches Mädchen. Nichts besonderes. Wieso-" ich unterbrach meinen Satz, um einen neueren Kloß herunterzuschlucken und meine Tränen wegzublinzeln.

„Das stimmt nicht, Delia. Du bist ein einzigartiges, wundervolles Mädchen. Du bist etwas Besonderes und du bist hübsch. Dir fällt nie auf, dass die Männer dir hinterhersehen. Jeder schätzt deine starke und fröhliche Persönlichkeit!", sagte sie mit sanfter, tröstender Stimme.

Womit hatte ich nur so eine wunderbare Freundin wie May verdient?

„Womit habe ich dich nur verdient?", fragte ich mit erstickter Stimme. „Ja, was hast du nur getan, dass du mich supertolle Person verdient hast?", lachte May und ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Egal wie trostlos die Welt war, ich hatte May.

Ashton| ✓ #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt