v e i n t i c i n c o

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• Weak - AJR •

Blinzelnd öffnete ich meine Augen und fasste mir sogleich an den Kopf, durch den ein stechender Schmerz schoss. Es fühlte sich an, als würde ein Presslufthammer auf meinem Kopf herumhämmern.

„Au.", stöhnte ich und kniff die Augen mehrmals zu. Meine Güte, war das hell hier.

„Endlich, Delia! Du hättest ruhig auch schneller aufwachen können, wegen dir musste ich hier stundenlang herumsitzen. Was lässt du dich auch einfach von einem Auto überfahren?" Ich erkannte meine Mutter, die mich erleichtert anlächelte.

„Du siehst doch gar nicht so müde aus.", krächzte ich und hörte mich an wie eine verrostete Tür, weshalb ich beschloss, erstmal nichts mehr zu sagen.

Ich konnte mich nicht mehr erinnern, was passiert war. Das letzte, was ich noch wusste, war der Streit mit Ashton. Seine verletzten Augen hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Zimmertüre aufgerissen wurde und May hineinstürmte.

„Du siehst dermaßen bescheuert aus, Delia, das glaubst du kaum! Als wärst du von einem Auto überfahren worden... Ach, warte! Das wurdest du ja!"

Irgendwie hatte ich schon vorher gewusst, dass May so etwas in der Art sagen würde. Ich grinste leicht und blickte zu meiner Mutter.

Kurze Zeit war es vollkommen still, dann trat ein Arzt ein und lächelte mich freundlich an.

„Miss Guarca. Sie sind wach! Tut Ihnen etwas weh?", fragte er und ich stockte. Mit einem Mal schlugen Wellen des Schmerzes über mir zusammen, ich nahm ihn erst jetzt richtig wahr. Wirklich alles tat mir weh, sogar Stellen, von denen ich nicht gewusst hatte, dass sie wehtun konnten.

„Ja, so ziemlich alles.", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zog eine Grimasse.

„Das ist normal. Immerhin wurden Sie angefahren. Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung, einige geprellte Rippen sowie einen verstauchten Arm. Es ist Glück, dass Sie sich nichts gebrochen haben. Wenn Sie nicht ein aufmerksamer Passant rechtzeitig weggezogen hätte, wäre der Unfall vermutlich tödlich ausgegangen."

Ich nahm mir gedanklich vor, diesen Passanten abzuknutschen, sollte ich ihn einmal treffen. Ihm verdankte ich schließlich mein Leben. Der Arzt machte einige Untersuchungen, ich musste meine Zehen bewegen und das waren bestimmt die grausamsten Schmerzen, die ich je hatte. Obwohl mir der Arzt versichert hatte, dass es meinen Zehen gut ging, glaubte ich eher, dass jeder mehrfach gebrochen war.

Meine Mutter erhob sich, genau wie May.

„Draußen wartet jemand, der dich sehr dringend sprechen will."

Ashton? Mein Herz fing aufgeregt an zu flattern. Doch als die Tür aufging, trat Mariano ein. Er schloss sie hinter sich und setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett.

„Hey, Delia. Ich weiß, dass wir keinen sonderlich guten Start hatten, aber darum geht es gerade auch gar nicht. Ich weiß, dass eine Entschuldigung nicht rechtfertigt, dass ich nie für dich da war, mich nie um dich gekümmert oder dich besucht habe, aber ich möchte es trotzdem tun. Ich möchte mich entschuldigen, dass du mich neunzehn Jahre lang nicht kennengelernt hast. Mir tut es leid, dass ich nicht dabei war, als du dein erstes Wort gesagt hast, die ersten Schritte gemacht hast, das ich nicht bei deiner Einschulung dabei war, bei deinen Schulauftritten nicht im Publikum gesessen und geklatscht habe und dich nicht getröstet und gesagt habe, was für ein Arsch er ist, als du deinen ersten Liebeskummer hattest. Ich habe so viele wunderbare Momente in deinem Leben verpasst, weil ich zu feige war, mich gegen meine Eltern zu stellen und deine Mutter zu heiraten. Kein Geschenk der Welt, keine noch so vielen Entschuldigungen werden das gut machen, was ich getan habe, denn es ist unverzeihlich. Ich erwarte nicht von dir, dass du mir um den Hals fällst und mir verzeihst. Ich wollte dir all das nur mal gesagt haben und wie unendlich leid es mir tut."

Mit diesen Worten stand Mariano wieder auf und ließ mich sprachlos, nachdenklich und mit Tränen in den Augen zurück. Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, rührte ich mich wieder und wischte mir mit der Hand über das Gesicht.

Er hatte recht, es war unverzeihlich, doch seine Entschuldigung hatte mich berührt und tief in meinem Inneren hatte ich ihm bereits verziehen, das wusste ich. Noch lange lag ich nachdenklich im Bett, bis mich schließlich der Schlaf übermannte und ich seufzend meine Augen schloss.



Flatternd öffneten sich meine Lider und ich erblickte May, die mich fröhlich angrinste.

„Lila kommt gleich vorbei. Und außerdem wirst du in zwei Tagen entlassen.", teilte sie mir mit. Wenn Lila kam, würde dann vielleicht auch Ashton kommen? Nein, belehrte ich mich selbst. Ich hatte Ashton verletzt und er sagte selbst, dass ich für ihn gestorben war.

Irgendwann würde ich über ihn hinwegkommen, doch im Moment zerbrach mein Herz bei jedem Mal, wenn ich an ihn dachte oder seinen Namen hörte, ein Stückchen mehr.

„Hallöchen!", schneite Lila in mein Zimmer und strahlte mich an. Ich brachte nur ein gefälschtes Lächeln zustande. Ihre Gesichtszüge, ihre Haare erinnerten mich so an Ashton.

„Schau nicht so gequält, so hässlich bin ich nun auch wieder nicht.", belehrte sie mich und ließ sich neben mich auf das Bett fallen.

„Ich geh dann mal." May schloss die Türe hinter sich und ich war nun mit Lila alleine.

„Also, erzähl. Was hat mein Bruder so schlimmes getan, dass du dich vor ein Auto wirfst? Ich erwürge ihn gerne für dich, niemand wagt es, meiner Freundin weh zu tun!"

Ich seufzte. „Ich habe Ashton verletzt, nicht er mich. Ich glaube, ich habe damit den größten Fehler meines Lebens gemacht."

„In der Tat! Es ist zwar meine Pflicht, als deine Freundin auf deiner Seite zu stehen, aber diesmal kann ich das nicht. Ich weiß, du hattest bestimmt einen Grund, wieso du das getan hast, aber Ashton zu verletzen, war der größte Fehler, den du je machen konntest. Er hat dich wirklich geliebt, weißt du."

Ich fing an, haltlos zu schluchzen. Sämtliche Dämme brachen und die Tränen strömten unaufhörlich über meine Wangen.

„Oh, Delia." Lila umarmte mich und strich mir beruhigend über den Rücken.

„Es tut weh. So weh.", brachte ich hervor und Lila verstärkte ihren Griff um mich. Erst nach Ewigkeiten ließ sie mich langsam los, als meine Schluchzer verebbten und meine Augen keine Tränen mehr hergeben wollten.

„Du bist so eine Heulsuse geworden, wirklich.", lächelte Lila mich an, in dem Versuch, mich aufzumuntern.

Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen und ich putze mir mit einem Taschentuch, dass sie mir reichte, die Nase. „Daran ist Ashton schuld. Blöde Verliebtheit, blöde Hormone." Ich kicherte leise, Lila tat es mir nach. Ich wusste nicht, was ich ohne sie und May gemacht hätte.

Ashton| ✓ #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt