Teil 29

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Tod

Dieses Wort schwirrt mir seit den letzten Tagen im Kopf rum. Sie ist tot...wegen mir. Das rede ich mir zumindest ein. Wie konnte sie uns einfach so verlassen? Das kann sie mir und vor allem Tommy nicht antun! Alle tun so, als ob nichts passiert wäre. Und ich? Ich sitze in meinem alten Zimmer eingeschlossen und zusammengekauert in der Ecke. Ich kann es einfach nicht verstehen. Wieso sie? Und wieso jetzt? Soll mir das irgendwas sagen? Ich weiß es nicht.

Ich weiß, ich sollte wahrscheinlich mit jemanden reden, doch seit mich Marces an dem Tag zu mir nach Hause gefahren hat, bin ich direkt hier rein und hab abgeschlossen. Ich musste einfach für mich allein sein, ohne von jemanden getröstet zu werden oder dieses 'Alles wird wieder gut' hören. Wieso sagen die das? Lebt Mum auf einmal wieder? Nein!

Ich weiß nicht wie lange ich schon nichts mehr getrunken oder gegessen habe. Aber schon wieder klopft es an der Tür. "Tascha? Ich bins Marces. Bitte mach doch die Tür auf. Ich vermisse dich und es zerreißt mich, nicht bei dir zu sein, gerade jetzt." Ich kann nicht. Ich seh bestimmt schrecklich aus. Aber ich vermisse seine Nähe. Also rappel ich mich auf und gehe schlurfend zur Tür und drehe den Schlüssel rum und verkrieche mich dann aufs Bett. Er schiebt die Tür etwas auf und sieht mich. Er seufzt und kommt zu mir. "Tascha...du lässt dich ja ziemlich gehen.", versucht er mich irgendwie zum Lächeln zu bringen? Ich schaue ihn nur ausdruckslos an. "Okay, aber das du mich anschweigst habe ich auch nicht verdient." In meinen Augen sammeln sich wieder Tränen, die er mir direkt wegstreicht. "Du hast allen Grund sauer zu sein, oder traurig, doch schweig mich nicht an." "Ich...ich weiß einfach nicht...was ich...was ich sagen soll. Sie ist einfach...nicht mehr da." "Sie bleibt immer bei dir, genau da!", und zeigt mit seinem Finger auf mein Herz. Ich lächle schwach. "Du kommst doch nicht ohne eine Botschaft von meinem Vater hierher. Was gibts?", frage ich und merke wie meine Stimme langsam wieder an Stärke zunimmt. Er schaut mich an und grinst. "Ich wollte dich küssen, aber nun wenn du willst...", ich lass ihn nicht ausreden sondern küsse ihn und seufze in den Kuss. Ich habe ihn wirklich vermisst. Ich spüre wie er lächelt und mich langsam aufs Bett drückt. Ich schaue ihn an. "Echt?" Er fängt an zu lachen. "Nein, ich sollte dir sagen das für heute Nachmittag die Beerdigung angesetzt ist." Sofort verschwindet mein Lächeln und ich schließe die Augen. "Tut mir leid. Aber vielleicht ist das eine Chance, richtig von ihr Abschied nehmen zu können." Ich nicke langsam. "Ja, womöglich hast du Recht. Ich...ich hab aber kein Kleid." "Clara hat dir eins gekauft, es liegt in deinem Schrank." "Clara? Ihr...ihr kennt euch schon?" "Ja, sie warten alle unten auf dich." "Oh Gott, ich muss furchtbar aussehen." "Nein, nur wie ein kleiner Panda, wie mein kleiner Panda, und jetzt zieh dich an und mach dich frisch, du kannst nicht dauernd im Selbstmitleid versinken." Er küsst meine Wange und zieht mich an meiner Hand aufrecht sitzend hin und verschwindet dann wieder durch meine Tür auf den Flur. 

Vielleicht hat er ja Recht und das ist eine gute Idee dann von ihr Abschied zu nehmen. Ob ich das jetzt, so früh schon kann, weiß ich allerdings nicht. Ich stehe auf und gehe zum Schrank, an dem das Kleid liegen soll. Beim aufziehen der Schrankschublade sehe ich schon den Zipfel des Kleides und bemerke, dass es dem Kleid ähnlich ist, das mir Mum gekauft hat, als meine Oma gestorben war. Meine Tür geht auf und in der Tür stehend sehe ich meine drei besten Freundinnen stehen. Wir sehen uns einen Moment an und fallen uns dann in die Arme. "Ich habe euch so sehr vermisst.", murmele ich in die Arme. "Wir dich auch Tascha, und wie." Als wir uns lösen, sehen sie mich vorwurfsvoll an. "Was ist?" "Du bist hier und gibst uns nicht einmal Bescheid?" Ich muss lachen und scheuche sie wieder raus, damit ich mich umziehen kann.

Fertig geduscht, geschminkt und angezogen betrete ich den Flur und gehe die Treppe runter, wo wirklich alle schon warten. Als ich Tommy sehe, leuchten seine Augen und ich umarme ihn schnell. Neben meinem Vater steht seine Freundin, doch die beachte ich nicht. Sie will ansetzen, doch ich stoppe sie mit einer Handbewegung. Sie soll jetzt bloß die Klappe halten. Wir steigen in die jeweiligen Autos und ich bin froh, dass Marces bei mir ist. Ich glaube ich könnte das hier nicht machen wenn er nicht bei mir wäre.

Am Friedhof angekommen, gehen wir zu ihrem Grab und der Stein sieht wie jeder andere aus, nur das darunter meine Mum liegt. Der Pastor fängt mit seiner Rede an und ich klammer mich an Marces Arm fest. Er beruhigt mich mit seiner Hand an meinem Rücken und küsst meine Schläfe. "Du schaffst das." Ich nicke zitternd. Es sagen ein paar Leute etwas, manchmal wird geschmunzelt, doch desöfteren hört man Schluchzer. Nachdem mein Vater etwas gesagt hat, sieht er mich auffordernd an. Ich weiß, ich sollte was sagen, aber was? Man redet doch nicht schlecht über Tote...

Marces löst sich etwas von mir und gibt mir den kleinen Anstoß den ich brauche. Ich trete vor und schaue nur auf ihr Grab hinab. "Tja, was soll ich sagen? Wieso musstest du erst sterben, damit ich dich endlich wieder sehe, damit wir alle dich wieder sehen? Wen soll ich Fragen, wenn ich Jungsfragen habe, oder einfach meine Mum brauche? Du weißt so gut wie ich, dass ich die Perle von Dad, niemals akzeptieren werde. Aber jetzt bist du einfach weg. Und ich hab mir lange Schuldgefühle gemacht, da ich kurz vor deinem Tod dich noch angeschrien habe, weil ich so enttäuscht war. Aber mal ganz im Ernst, das du nie angerufen hast oder sonst was, war für mich erträglich, aber was dachtest du dir dabei Tommy das anzutun?! Ich liebe dich, ja. Aber das werde ich dir nicht verzeihen können. Deinen Mann, werde ich ebenfalls nicht als Stiefvater ansehen können, denn der hat dich von uns ferngehalten. Ich hoffe trotzdem, dass du deinen Frieden irgendwann irgendwo findest. Ich liebe dich, Mum." Ich nehme mir eine Handvoll Erde und lasse sie auf das Grab fallen. Damit drehe ich mich um und gehe zurück zu Marces. Ich bemerke einige grimmige Blicke, doch ich weiß, dass ich jetzt damit abschließen kann, denn Mum hätte genau das gewollt, das ich ehrlich bin. Und genau das war ich.

Nach der Beerdigung gab es noch eine kleine Feier, doch schon bald fragte mich Marces, ob wir gehen könnten, da wir ja noch vorhatten seine Großeltern zu besuchen und Tommy mitzunehmen. Außerdem müssen wir Benny noch kaufen. Was Marces nicht weiß ist, dass ich Benny schon lange gekauft habe, er dort zwar noch lebt, aber ich ihn jederzeit abholen kann. Es sollte eine Überraschung sein. Ich stimmte ihm zu, doch wollte vorher noch Tommy fragen. Mit meinen Augen scanne ich den Raum ab und entdecke ihn bei meinem Vater. Ich gehe auf sie zu. "Hey Tommy, hast du Lust mit mir und Marces nach Detroit auf eine Farm zu fahren?" Er schaut mich mit großen Augen an. "Auf welche Farm? Du meinst mit Hunden, Katzen und Pferde?" "Sogar mit noch mehr Tieren.", mischt sich Marces in das Gespräch mit ein. Ich lächle ihn an und er umschlingt mich mit seinen Armen. Diese Nähe hat mir gefehlt. Ich sehe Tommy wieder an und er nickt heftig. "Ich packe nur eben meine Sachen", und schon flitzt er in sein Zimmer. "Ich helfe ihm mal.", merkt Marces an und verschwindet.

Ich schaue zu Dad und schon im nächsten Moment nimmt er mich in den Arm. Auch das habe ich vermisst.  "Mum wäre stolz auf dich, da bin ich mir sicher. Sie hat dich sehr geliebt, Natascha. Sie wollte es dir schon lange sagen, doch sie konnte nie. Sie hatte Angst du würdest sie hassen." "Ich könnte sie nie hassen, Dad." "Ich weiß. Macht euch schöne Tage auf der Farm. Tommy wird die Auszeit sicher gut tun. Ich sage in der Schule Bescheid." "Danke, Dad." Er küsst mich auf die Stirn und im nächsten Moment, zieht mich Tommy schon an der Hand raus aus dem Haus. Dort stehen schon meine besten Freundinnen. "Ich schicke euch in den kommenden Tagen Tickets, damit ihr mich auch besuchen kommen könnt okay?" Sie nicken heftig und wir machen wieder Gruppenkuscheln. "Marces ist echt heiß.", bemerkt Abigail und ich stupse sie an. "Ist meiner, aber ja richtig, er ist richtig heiß." Wir lachen und ich umarme noch mal jede einzeln. 

Dann steigen wir in ein Auto von Dad und fahren damit zum Flughafen. Jetzt kann es nur noch besser werden....

Lehrer oder Happy End?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt