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Ich bin noch nicht ganz voll, nur ein wenig. Ein bisschen viel, aber es interessiert sowieso keinen. Ich bin eh alleine und mich muss ja niemand angucken, wenn es ihm zu armselig ist. Ich habe keinen Bock mehr, immer einen auf stark zu tun, wo ich doch eigentlich nur noch sterben will. Jeder ist in seinen Gedanken bei Penny, oder bei Nathan oder NJ. Aber Rhys - mich - vergessen alle. Das soll keine Mitleidsnummer werden, ich will gar keines haben. Und von meinem Vater erst Recht nicht, aber wenn meine Tante schon nicht mehr nach mir fragt, denke ich mir, wer mich überhaupt will. Vielleicht sind sie alle so beschäftigt mit sich selbst, dass sie ihre Familie vergessen. Und ich?

Ich mache nichts anderes, außer Dinge für meine Familie. Weil mir etwas an meiner Familie liegt und ich sie nicht einfach so rechts liegen lassen kann. Weil ich Gefühle habe irgendwo da in mir.

Diese Gedanken kommen eindeutig von Alk. Ich habe angefangen zu Trinken, da war ich 18. Traurig eigentlich. Am Anfang war es ein Bier und da, dann wurde es ein Schnaps hier und da und dann wechselte es zu Whiskey, der seit ein Paar Flaschen auch beim ersten Schluck nicht mehr brennt.

Ich habe mich dran gewöhnt. Hatte ja auch 5 Jahre Zeit.

Zwischenzeitlich war ich ja noch im Knast, keine schöne Zeit, vor allem, weil es keinen Alk gab. Also doch, schon, aber nur so einen Billo-Scheiß an Likör, den keiner trinken kann.

Ich habe angefangen damals, weil ich einfach fertig war. Die Schule hat mich fertiggemacht. Ja, ich bin so ein Kerl, der früher gemobbt wurde, einer der Leute mit dem besten Durchschnitt. In der Uni habe ich mich geändert. Im Sommer habe ich trainiert, jede freie Minute. Ich habe es geschafft, das Unmögliche. Rhydian Chest, also ich, hat sich verwandelt. Zum Guten. Für die Ladys jedenfalls. Die Kerle könnten mich alle killen, weil ich ihnen ihre ganzen Weiber wegnehme, wobei das nicht stimmt. Ich habe kein Bock auf einzlene Affären, ich will auch irgendwann mal eine haben, die Familie will, die sich sowas mit mir vorstellen kann.

Ich rede nicht gleich von bis ans Ende zusammen bleiben und auch noch keine Kinder, aber so ein bisschen Gefühle hätte ich schon gerne. Komisch, ich weiß.

Ich meine, wer hat heutzutage noch Gefühle?

Ich hatte damals zu viele Gefühle, die ich in dem Alk versuchte zu ertränken.

Aber es hat nicht geklappt. Wenn man nüchtern wird, klappt es wieder in sich zusammen, dieser Schutzwall, den man sich mühevoll mit Schnaps und Whiseky aufgebaut hat. Er bricht erst langsam ein und dann auf einmal.

Ich glaube ein Grund, weswegen ich trinke ist auch mein Vater. Er kam nie mit mir klar. Nathan und Penny waren seine Lieblinge, ich war immer der Außenseiter.

Ihm hat es nicht gefallen, dass ich Football spiele, ihm gefallen meine Klamotten nicht, meine Tattoos noch weniger. Allgemein war er immer gegen diese Tattoos oder Verunstaltungen der Haut, wie er es immer so schön ausdrückt. Aber ich denke mir immer, du lebst nur einmal. Und klar, du bereust es später, aber wenn du es jetzt geil findest, dann mach es. Mein Gott, es wird nicht das einzige sein, was du bereuen wirst im Leben. Ich weiß, diese Einstellung haben nicht viele. Sau viele trauen sich nichts. Wenn ich nur an die ganzen Mädchen denke, die zu Hause sitzen, den Typen bei Facebook stalken, den sie mögen und die einfach zu schüchtern sind um ihn anzusprechen, dann kriege ich einen Kotzreiz. Warum? Warum gehen sie nicht mal raus? Lege ihre komische Brille ab, mache die Haare auf und sprechen ihn einfach an? Warum nicht?

Hm. Ich weiß die Antwort, weil Leute zu feige dafür sind. Sie hassen Entscheidungen und das tue ich auch. Aber mittlerweile ist es mir egal. Ich bin kein Arschloch. Ich verarsche keinen. Ich bin kein Fuckboy und auch nicht so ein Bad Boy, die ja heutzutage die Welt regieren. Ich bin einfach ganz normal.

Mit ein bisschen zu viel Tattoos, aber sonst. Mein Gott.

Ich bin win Ex-Knacki, der 3 Monate im Knast saß und? Ich lebe noch. Ich bin nicht gestorben. Man sollte niemanden umbringen, das ist klar und Drogen sind auch scheiße. Aber willst du wirklich sterben, wenn du ganz genau weißt, dass du zwar ein gesundes Leben hattest, dich aber nie was getraut hast? Es hat eine Weile gedauert bis ich das begriffen habe und mittlerweile versuche ich mich daran zu alten, weswegen mich auch das mit Nathan so auf die Palme bringt. Er verpasst sein Leben. Er verpasst seine Freundin. Er verpasst seinen Sohn. Er wird ihn nicht aufwachsen sehen. Er wird ihn nur alle zwei Wochen sehen, wo er ihn doch jeden Tag sehen könnte. Aber das will Nathan nicht hören, er konnte noch nie die Wahrheit hören. Für Nathan sind Wahrheiten schlimmer als Lügen. Selten aber gibt es offensichtlich.

Meine Gedanken zerreißen, als meine Whiskeyflasche mir aus der Hand fällt.

Sie fällt klirrend auf den Boden und hinterlässt dort eine kleine Pfütze. Zum Glück war schon so gut wie alles ausgetrunken, wäre sonst schade um den Whiskey gewesen.

Plötzlich merke ich auch den Alk in meinem Blut, denn mein Schädel pocht und irgendwie sehe ich alles nur noch verschwommen. Es ist, als würde alles ohne mich ablaufen, als würde ich mein Leben von außen vetrachten.

"Sir?", meldet sich eine Stimme von hinten und ich drehe mich perplex um.

Vor mir steht eine große Blondine, die aber nicht blond aussieht, sondern ganz normal halt. Ich habe sie noch nie hier gesehen, dabei ist das hier meine Stammkneipe. Mein Vater hat geholfen, sie zu finanzieren, weswegen ich immer Freigetränke bekomme. Und warum sollte ich so dumm sein und das nicht nutzen?

Sie merkt wohl, dass ich null zurechnungsfähig bin, denn sie seufzt nur und leitet mich Richtung Bar, an der sie mich auf einen Barhocker setzt und mir ein Geschirrhandtuch gibt, dass ich auf meine Hand drücken soll.

Jetzt erst fällt mir auf, dass ich blute. Meine Hand ist blutüberströmt und die Scherben auf den Boden sind ebenfalls blutig. Ich habe in die Scherben gefasst?

"Alles okay?", fragt Blondie wieder und sieht mich fragend an.

Ich nicke nur und schlucke hart, als ich sie genauer betrachte.

Sie hat schöne Augen und einen schönen Mund. Aber blond ist eigentlich nicht so mein Fall, vor allem nicht dieser Mainstream mit den blauen Augen, welche Blondie hier vor mir ebenfalls hat. Eigentlich bin ich eher für so braun oder schwarz, aber irgendwie ist das bei Blondie anders.

Sie hat irgendwas an sich, dass mich dazu verleitet, meine Hand auf ihre zu legen, was mir einen fragenden Blick einbringt.

"Was..?", fragt sie, aber ich umfasse ihre Hand.

Wenn mich jemand anzieht, spreche ich ihn an, habe ich mir geschworen.

"Ich bin Rhys.", lalle ich, obwohl ich versuche nüchtern zu wirken. Offensichtlich klappt es nicht, denn sie lacht nur amüsiert.

"Ich bin Hillary.", sagt sie und lässt meine Hand los.

"Arbeitest du hier?", lalle ich wieder und versuche mir ihr Gesicht einzuprägen, damit ich es morgen früh vielleicht noch weiß.

"Ja, seit heute."

Das erklärt, wieso ich sie noch nie hier gesehen habe.

"Du bist voll, also veruch erst gar nicht, Komplimente zu finden, die eh nicht stimmen.", sagt sie und grinst mich an, schüttelt dann meine blutige Hand ab. Sie betrachtet kurz ihre Hand, betrachtet das Blut und kneift schmerzvoll kurz die Augen zusammen. Aber das nehme ich nur am Rande wahr, denn ich habe schon die nächste Flasche von hinter der Theke geangelt.

"Hey, du kannst nicht-", will sich Blondie, aka Hillary, beschweren, aber ich halte sie auf, in dem ich nur meine Hand hebe.

"Shhht. Mein Dad ist der Kumpel vom Chef hier und ich bekomme Freigetränke.", flüstere ich, obwohl sowieso keiner hier ist, der es hören könnte.

"Trotzdem, du kriegst nachher noch eine Alkoholvergiftung oder sowas?"

"Hab ich schon lange nicht mehr, Hillary.", sage ich und sie zuckt zusammen, als ich ihren Namen sage. Ich grinse und sehe sie nur an. Ich muss aussehen wie der größte Vollhorst auf Erden. Mit den glasigen Augen, weil ich schon so lange wach bin und so viel getrunken habe. Mit meinen dreckigen Klamotten, weil ich vorhin, bevor ich hier her kam, im Park war und dort auf dem Rasen lag.

Das mit der Wohnung muss was werden, sonst werde ich noch irre. Noch mehr.

Show me your darknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt