24 [Hillary]

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Hillary

Wir sitzen bestimmt schon eine halbe Stunde so hier. Auf den Steinen vor dem Brunnen. Manchmal bekomme ich ein Paar Tropfen ab, aber das tut sogar gut, denn in mir lodert es.

Rhys ist, seitdem er sich hier hingesetzt hat, ruhig. Er hat seit der Sache im Café nichts gesagt und ich bin mir nicht einmal sicher, ob er blinzelt.

Ich spiele an den Fransen des Loches in meiner Jeans herum, weil ich mich beschäftigen muss, weil ich sonst wahrscheinlich ausrasten würde.

In der letzten halben Stunde hatte ich Zeit über das nachzudenken, was jetzt kommt. Denn jetzt werden wir das entscheiden, vor dem ich seit ich ihn getroffen habe, Angst habe. Irgendwas dazwischen kann nicht passieren. Entweder, wir kriegen es hin, oder wir entfernen und von einander. Und das ganz weit.

Und ich hoffe, sehne mich danach, dass wir es schaffen, danach noch besser zusammen sind, als so schon.

Ich sehe ihn an und präge mir seine Schultern ein, die mich komplett verdecken könnten, das weiße T-Shirt, das sich über seinen Oberkörper spannt und seine Haare, die zugegeben heute etwas chaotisch aussehen, es ihn aber nur noch schöner aussehen lässt.

Und dann kommen wir zu dem Teil, der mich für immer lächeln lassen wird. Seine Augen, die irgendwie immer lachen, bis auf jetzt. Diese blau grünen Augen. Die, die mich in die Knie gezwungen haben und mich dazu veranlasst haben, ihn mit zu mir zu nehmen.

"Ich möchte eigentlich nur noch eins wissen.", fängt er an und mich beschleicht das Gefühl, dass der Abschied schneller als geplant kommen würde.

Aber ich schlucke den bitteren Geschmack herunter und sehe ihn weiter unverwandt an.

"Ich möchte wissen, ob du mich mit ihm betrogen hast."

Ich schüttele hastig den Kopf.

"Nein, nein, sowas würde ich nie machen und das weißt du auch. Wir waren mal zusammen, ja. Und wir wären es wahrscheinlich auch immer noch, aber wir hatten vor einem Jahr einen Unfall, Rhys. Aiden hat sich gerade erst davon erholt. Er leidet unter Amnesie. Er hat die letzten fünf Jahre komplett vergessen, verstehst du das? ", versuche ich mich zu verteidigen, aber ich sehe in seinem Blick kein Mitleid, nicht, dass ich welches wollte, aber ich wollte wenigstens eine einzige Regung bei ihm erreichen. Aber seine Gesichtsmuskeln sind komplett ruhig. Er bewegt sich kein Stückchen. Nicht einmal seine Augen sagen noch etwas aus.

"Er hat mich vergessen, du brauchst dir gar keine Sorgen machen, ich-"

"Darum geht es gar nicht. Es ist mir egal, wenn er was für empfindet, aber mir ist es nicht egal, wenn du etwas für ihn empfindest.", sagt er und fährt sich ratlos über das Gesicht.

"Das verstehe ich ja, aber ich kann es nicht einfach abstellen. Aus Aiden und mir würde nie wieder was werden. Ich habe dich und das-"

"Was, wenn du irgendwann nicht mehr weißt, ob ich genug bin?"

"Was soll das denn heißen? Ich mag dich, Rhys. Sehr. Und würden wir uns länger kennen, hätte ich es dir auch schon gesagt, aber ich liebe dich, okay? Ich liebe dich und allein daran zu denken, dass du und ich uns nicht mehr sehen, würde mich umbringen."

"Ich will nicht, dass es so kompliziert zwischen uns ist. Ich will das nicht. Nicht so."

Ich merke, wie sich bei mir die Tränen anbahnen.

"Machst du Schluss?", frage ich tränenerstickt.

Ich weiß nicht ob er genickt hat oder nicht, ich weiß nur, dass ich im nächsten Moment in seinen Armen bin und er mich fest umarmt.

"Es wäre nicht fair, jetzt zu gehen, wenn ich dir meine Vergangenheit nicht erzählen würde.", sagt er, als er sich nach ein Paar Minuten von mir löst.

Ich habe ihn noch nie so erlebt. Er spricht ganz anders als sonst und auch viel verständnisvoller. Ich fühle mich, als würde ich mich von ihm scheiden lassen wollen.

Ich nicke nur und wische mir die Tränen weg. Dann sehe ich ihn wieder an und warte darauf, dass die Worte aus ihm heraus kommen.

"Ich war im Knast. Drei Monate. Wegen Drogen."

Ich schlucke und dann muss ich fast lachen. 

"Du wurdest erwischt?", frage ich ihn mit einem kleinen Schmunzeln, aber als ich seinen ernsten Blick sehe, werde ich wieder ganz ernst. Ich fasse mir selbst an den Kopf, fassungslos darüber, wie ich nur so reagieren konnte. 

"Ich hatte wirklich ein Problem.", sagt er und ich nicke nur mit hängendem Kopf. 

"Es tut mir leid, ich-"

Ich habe soeben die letzte Chance auf eine Versöhnung verspielt. Komplett verspielt. 

"Ich glaube, ich werde jetzt gehen.", sagt er, aber ich schüttele den Kopf und halte ihn am Arm fest. 

Dann strecke ich mich so ihm empor und lege meine Lippen auf seine. Wenigstens ein letztes Mal. 

Und all das hier, dass erinnert mich so an das, was mit Aiden war. Vielleicht sollte ich jetzt eher voll und ganz an Rhys denken, aber die Stunde vor dem Unfall, war fast genauso. Aiden hat mir all die Sachen gesagt, die er scho immer sagen wollte. Das waren nicht immer schöne Sachen, manche haben mich zweifeln lassen. Zweifeln lassen an allem und jedem. Er hat Dinge gesagt über Leute, die ich meine Freunde nannte, die eigentlich nie wirklich meine Freunde waren. Er hat versucht, mir das Leben leichter zu machen. Er hat gesagt, ich solle glücklich werden, dass er dabei meinte, dass ich ohne ihn glücklich werden soll, hat er nicht gesagt. 

Denn es war nicht geplant, dass ich im Auto sitze. Ich bin erst kurz vor der Brücke eingestiegen. Und da war es anscheinend schon in seinem Kopf angekommen. Die Drogen.

"Es tut mir leid, Rhys.", schluchze ich und vergrabe meinen Kopf an seiner Schulter. 

"Mir auch."

Ich sehe ihn an, merke mir seine Grübchen und seine Lippen, weil ich weiß, dass wir uns erst einmal nicht mehr sehen werden. Er ist bereit für mich, aber wir wissen beide nicht, ob ich es bin. 

"Ich liebe dich, Rhys. Ich liebe dich."

Er schüttelt den Kopf. 

"Du liebst Aiden, nicht mich."

Ich schüttele den Kopf. Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll, außer ihm zu beteuern, dass das mit Aiden vorbei ist. 

"Du solltest versuchen, die letzte Jahre wieder aufleben zu lassen. Hilf ihm, wie du mir geholfen hast."

Ich beiße mir auf die Lippe. 

Ich habe ihn gar nicht verdient. 

Er nimmt mich ein letztes Mal in den Arm, küsst mich sanft und entfernt sich dann langsam. 

"Rhys!", rufe ich, nachdem er schon fast weg ist. 

"Kannst du mir bitte antworten?"

Er sieht mich an und selbst auf dieser Entfernung sehe ich das Blaue und Grüne in seinen Augen, das mich anstrahlt. 

"Ich liebe dich auch."






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