Kapitel 9

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"Hey."
Müde schaue ich auf.
Schlagartig werde ich munter und setze mich richtig auf.
"Hi", antworte ich ihm.
Wieso genau er?

Ich weiß nicht mal, wie ich ihm mich jetzt gegenüber ihm verhalten soll! Dieser Kuss...
Wieso zur Hölle habe ich das gemacht?!
"Noah?"
Mit schiefgelegtem Kopf schaut er mich nachdenklich an.
"Hm?"
"Ich hab dich gefragt, ob du Lust hättest, mit mir in der Pause abzuhängen... Ich hab hier niemanden", nuschelt Elliot.

"Äh... Ja, warum nicht?"
Überrascht blickt er in meine Augen, ehe ein strahlendes Lächeln sein Gesicht ziert.
Automatisch muss auch ich grinsen. Was macht er mit mir?!
Ich sollte ihn mobben, hassen!

"Das war ein Spaß. Mit einer Schwuchtel hänge ich nicht ab", murmle ich herablassend.
Sofort verlässt das Lächeln sein Gesicht.
Stattdessen sieht man nun nur einen traurigen Jungen, der kurz davor ist, zu weinen.

"Verpiss dich, Elliot. Ich will nicht schwul werden", zische ich, als die ganze Klasse zu Lachen beginnt.
Schwer schluckt der Kleinere, blickt zu Boden und setzt sich an seinen Platz.
Plötzlich schluchzt er laut auf, springt vom Sessel, packt seine Schultasche und verschwindet.

Verwirrt schaue ich ihm nach.
Neben mir, an dem Sitzplatz, an dem eben noch Elliot gesessen ist, liegt ein geöffneter Brief.
Neugierig lese ich die in hässlich geschriebenen Buchstaben.

Hey, Elliot.
Du solltest wissen, dass du hier in der Klasse nicht erwünscht bist. Es will dich hier niemand! Versteh das mal! Geh zu deiner Mutter ans Grab, schließlich hast du sie umgebracht! Dass dein Bruder und dein Vater dich immer noch mögen, grenzt schon fast an ein Wunder!
Stirb, Elliot!
Ich hasse dich.
Christian

Wütend suche ich nach Christian.
Grinsend sitzt er bei seinen Freunden, und lacht.
Wie aus Trance stehe ich auf und drücke ihn gegen die Wand.
Die Wut, die ich ihm gegenüber nun habe, kann ich nicht mehr zurückhalten.
Aggressiv schaue ich ihn an, hole aus und verpasse ihm einen Kinnhaken.

"Nächstes Mal wirst du mehr spüren!", zische ich, ehe ich ihn loslasse, auch meine Tasche packe und aus der Tür stürme.
Ich laufe nicht nach Hause, sondern zu Elliot.
Irgendetwas macht dieser Junge mit mir, allein seine Anwesenheit macht mich nervös.

Zögernd klopfe ich an die Haustür.
Abwartend stehe ich da, bis sich die Tür öffnet und mir ein tränenüberströmter Elliot ins Gesicht schaut.
"Was machst du hier?", fragt er schniefend.
"Ich muss dir was sagen, aber bitte nicht hier draußen."

Drinnen setzen wir uns an den großen Tisch.
"Sag schon!", drängt der Kleinere mich.
"Ich mag dich echt, aber ich darf es nicht in der Schule zeigen. Weißt du, es bringt mir nichts, so zu enden wie du...", flüstere ich.
"Aber du mobbst mich doch durchgehend!", gibt Elliot verzweifelt von sich.

"Ich habe meine Gründe!"
"Welche denn? Dass du mich hasst? Oder mich gleich am liebsten umbringen würdest?!"
Mittlerweile weint er wieder.
"Ich mag dich zu sehr! Es verwirrt mich! Immer wenn du nur in meiner Nähe bist, fühle ich so komische Sachen!"
Erstaunt blickt er in meine Augen.

"Lüg nicht!", zischt er.
Mit einem Male nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und lege meine Lippen auf seine.
Nur ganz kurz.
"Glaubst du mir jetzt, dass ich nicht lüge?", frage ich.
Schweigend wechselt sein Blick ins Verunsicherte.

"Ich glaube dir."
Schüchtern und verlegen versucht er zu lächeln, dennoch sieht es erzwungen aus.
"Du spielst mit mir", stellt Elliot fest. Sein Lächeln ist verschwunden.
"Nein."
"Wieso küsst du mich dann verdammt nochmal?!", faucht er mich überraschend wütend an.

Entsetzt blicke ich in seine Augen.

Noah.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt