-27-

1.3K 97 25
                                    

"Hyung", wisperte Jungkook schwach.
Yoongi hatte ihm den Rücken zugewandt und starrte blank aus dem Fenster.
Obwohl er nicht reagierte, wussten beide, dass er ihn gehört hatte und darauf wartete, dass er fortfuhr.
"Ich kann mir denken, dass du dich belogen und verraten fühlst, aber ich glaube, sie hat dir gerade die pure Wahrheit erzählt und nichts anderes", teilte er ihm seine Gedanken mit.
"Und ... Naja ... Ehrlich gesagt habe ich sie verfolgt, weil ich so ein komisches Gefühl hatte", lachte er nervös.
Es tat weh. Selbst das Einatmen bereitete ihm Probleme, doch er musste Yoongi alles erzählen, was er wusste und in Erfahrung gebracht hatte.
Für sich.
Für ihn.
Für (d/N).
Für das Wohlergehen aller.
"Eure erste Begegnung ... Ich war dort. Ich habe alles mitangesehen. Doch anders als du, bin ich auch nachdem du verschwunden bist, dort gewesen. Sie ist nach Hause geeilt, sie war total durch den Wind. Doch bevor sie Zuhause
ankam, bekam sie einen Anruf. Ich bin mir sicher, dass es ER war.
Ich habe nicht alles gehört, aber ich kann Gift darauf nehmen, dass sie in dem Moment den Auftrag bekommen hat. Wahrscheinlich hat einer seiner Untergebenen alles beobachtet und sofort Bericht erstattet.
Yoongi, sie wollte das nicht. Sie hat geweint und ist auf die Knie gefallen und hat wiederholt 'Nein' geflüstert.
Sogar ich konnte ihre Verzweiflung spüren."
Er holte rasselnd nach Luft.
"Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du ab der Mittagspause plötzlich verschwunden bist? Bevor du dich zwei Wochen im verlassenen Klassenzimmer mit dem Klavier eingesperrt hast?
Aus unerfindlichen Gründen hat sie an diesem Tag die Schule sehr spät verlassen, aber das ist gerade irrelevant. Am Abend dieses Tages bekam sie Besuch; es war einer von ihnen.
Er hielt ihr ein Messer an die Kehle und fragte sie, ob sie bereits irgendwas über uns herausgefunden hatte.
Sie hat ihm in die Augen geschaut und sagte 'Yoongi ist zu schlau. Er weiß es.'
Er hat sein Knie in ihren Bauch gerammt und sie auf den Boden geschubst.
Bevor er gegangen ist, meinte er noch 'Du solltest dich lieber an die Arbeit machen, der Boss wird ungeduldig.'
Nachdem er verschwunden ist, ist sie zusammengebrochen.
Sie hat geschrien und meinte, sie wolle es nicht tun, könne es nicht tun."
Jungkook stockte. Krämpfe durchliefen ihn und seine Sicht verschwamm. Nichtsdestotrotz nahm er den Faden wieder auf.
"Dann zwei Wochen später, als ich euch im Musikzimmer unterbrochen habe, weißt du noch?
Zwei von ihnen kamen zu ihr nach Hause und erkundigten sich. Sie sagte nur 'Er vertraut mir keinen Deut, die Masche mich zu entführen und ihn dann zu überwältigen, würde bei ihm niemals ziehen.'
Hyung, wir wissen beide ganz genau, dass das totaler Bullshit ist. Du hättest sie mit deinem Leben verteidigt und ihnen war das scheinbar auch bewusst, denn sie schlugen und traten auf sie ein. Sie spuckte Blut und konnte sich nicht mal mehr aufsetzen, als sie endlich verschwanden.
Ich habe keine Ahnung, wie sie die Verletzungen kaschiert, geschweige denn ertragen hat, weil eines ist klar, es tut scheiße weh."
Jungkook versuchte sich aufzurichten, fiel aber wieder ächzend zurück.
"Ein paar Tage später bekam sie einen Anruf. Es war eine Planänderung. Statt dich um ihren Finger zu wickeln, verlangte er etwas anderes.
Ich vermute, sie sollte herausfinden, wann du oder irgendjemand von uns allein und verletzlich war.
Obwohl sie vom Klassenzimmer wusste, hat sie geschwiegen."
Er hustete.
"Dann dieser Zwischenfall mit diesem Vollidioten. War dir klar, dass er von ihnen angestachelt wurde?
Ich bin mir sicher, dass sie zugesehen haben.
Nachdem du gegangen bist, kam einer. Er war ein höheres Tier, groß, breit und angepisst. Hat sie direkt an der Kehle gepackt und an die Wand geklebt. 'Von wegen die Masche zieht nicht, er bringt dich nach Hause' hat er gezischt und sie geschüttelt.
Sie hat ihm geantwortet, dass sie nicht wüsste, was in dich gefahren sei und dass du dich nicht um sie sorgen würdest.
Er hat ihr eine schallende Ohrfeige gegeben und sie angebrüllt, sie solle nicht lügen."
Jungkook hustete erneut.
Seine Stimme wurde mit jedem Wort kratziger und er musste einige Atemzüge nehmen, bevor er in der Lage war, fortzufahren.
"Dann hat er gesagt, sie solle dich in deren Versteck locken, damit sie dich dort überfallen können. Sie hat geschwiegen und er hat sie an den Haaren gepackt und gemeint, sie solle besser tun, was er sage, weil sie es sonst bereuen würde.
'Ich brauche mehr Zeit' hat sie nur leise geflüstert. Er hat gelacht, sie losgelassen und sie gewarnt. Zeit sei kostbar und dass ihr nicht mehr viel davon bleiben würde. Dann war er weg.
Hyung, ich habe noch nie jemanden gesehen, der so gequält aussah, so niedergeschmettert. So gebrochen.
Sie hat bis jetzt alles in ihrer Macht stehende getan, um dich, nein, um UNS zu beschützen."
Er holte tiefe, regelmäßige Atemzüge und schloss die Augen. Es hatte ihn mehr gekostet, als er vermutet hatte. Sie hatten ihn ziemlich erwischt.
"Ich bin mir sicher, dass Jimin dir das bereits mitgeteilt hat, aber sie waren überraschter als wir, als wir plötzlich vor ihnen standen.
Mit diesem Ereignis hatte (d/N) überhaupt nichts zu tun und dafür würde ich sogar beide Hände ins Feuer legen. Zur Hölle nochmal Yoongi-Hyung, schau mich doch mal an! Sie ist diejenige, die mich wieder zusammengeflickt hat! Kein Spitzel würde so etwas tun! Statt unseren schwachen Moment auszunutzen und sie auf uns zu hetzen, hat sie uns unterstützt."
Yoongi stand noch immer regungslos vor den hohen Fenstern.
"Yoongi, er hat recht", bekräftigte Seokjin ihn.
Sie alle hatten das Gespräch mitangehört.
Jimin eilte schnellstens auf Jungkook zu und erkundigte sich flüsternd nach dessen Wohlergehen. Als hätte er seine Gedanken gelesen, hatte er ein Glas Wasser mitsamt eines Strohhalms mitgebracht und half Jungkook dabei, es zu trinken. Eine Schmerztablette und noch mehr der kalten Flüssigkeit folgten und er fühlte sich gleich besser.
Namjoon derweil stellte sich mit einigen Schritten Abstand hinter Yoongi und sah ebenfalls hinaus.
"So leid es mir auch tut, das sagen zu müssen, aber ich glaube ihr. Du hast den Entschluss in ihren Augen gesehen, als sie Kookie geholfen hat; so etwas kann man nicht aufsetzen und das weißt du", offenbarte er gutmütig.
"Bist du blind Hyung?! Hast du nicht bemerkt, wie sie dich immer anschaut?", gestand ihm auch Taehyung mit einem ernsten Unterton.
"Sie hat sich nur für dich in immense Gefahr begeben, ich hoffe, du bist dir dessen bewusst", fügte Hoseok hinzu und lächelte.
Es stimmte, sie hatte zwar seinen Hyung verweichlicht, doch sie selbst wurde ebenfalls von ihm verzaubert, deshalb, so entschloss er sich, konnte er damit leben und (d/N) akzeptieren.
Alle warteten sie auf eine Sache: Yoongis Reaktion.
Doch sie blieb aus. Er rührte sich keinen Millimeter.

Min Yoongi X Reader (gang au)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt