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Unaufhörlich schritt Yoongi auf seinen Widersacher zu und betrachtete genüsslich, wie dieser, mehr schlecht als recht, nach hinten auszuweichen versuchte.
Er fiel auf den harten Untergrund und krabbelte auf Händen und Knien davon.
Er hatte allmählich das Gefühl, der Teufel würde ihm im Nacken sitzen und spürte, wie der Angstschweiß über sein Gesicht lief und zu Boden tropfte.
Er musste weg und das so schnell wie irgend möglich. Wer interessierte sich schon für so etwas beinahe banales wie Rache, wenn sein eigenes Leben am seidenen Faden hing?!
Nicht nur das, er hatte ehrlich gesagt auch Bedenken, dass Yoongi ihn selbst nach seinem Tod noch heimsuchen würde.
Er wusste zwar nicht, wie man einen Toten heimsuchen sollte, doch für keinen Augenblick zweifelte er an der Tatsache, dass Yoongi dies fertigbringen würde.
Panisch versuchte er sich aufzurappeln und davonzurennen, doch plötzlich nahm er eine Hand wahr, die ihn von hinten am Kragen packte und zurückzog.
All die Härchen in seinem Nacken richteten sich auf und er musste die Tränen, die sich aus der Todesfurcht heraus gebildet hatten, unterdrücken. Sein gesamter Körper erbebte und sein Atem ging hysterisch schnell. 
Yoongi zog ihn gewaltsam auf die Beine und drehte ihn um; hiernach schlang er seine linke Hand um seine Kehle und drückte zu.
Seine rechte Hand legte er fast schon behutsam an die rechte Wange des Gegners und fuhr mit dem Schlagring langsam die Konturen seiner Wange nach.
Er verschluckte sich an seinem Atem und winselte auf, als er das kalte Metall an seinem Gesicht spürte.
"Bitte... bitte ... bitte ... verschon' mich ... Bitte ... lass mich gehen", flehte er und klang weinerlich.
Die Aura, die Yoongi ausstrahlte, deute nur auf Folter und Verderben hin und erwürgte ihn fast schon mehr als die Hand, die um seinen Hals geschlungen war.
"Hm ... wo sollen wir den Spaß denn beginnen lassen?", frage Yoongi und klang so locker, als würde er über das Wetter sprechen.
"Ich flehe dich an, bitte ... hab' Gnade", bettelte er ihn weiter an und konnte die Tränen, die nun in Sturzbächen über sein Gesicht glitten, nicht mehr aufhalten. Er hatte keine Kraft mehr, die Angst hatte ihn vollkommen gelähmt.
Er war Yoongi schutzlos ausgeliefert.
"Ah ich weiß", meldete er sich zu Wort und überging abermals das Flehen seines Gegenübers, "wir entfernen einfach deine Zunge zuerst, damit du mir mit deinem Gewinsel nicht mehr auf die Nerven gehen kannst."
Hier grinste er triumphierend, als hätte er eine grandiose Idee gehabt.
Der andere japste total angsterfüllt nach Luft und war nur dazu in der Lage seinen Kopf hastig zu schütteln.
Er heulte Rotz und Wasser und wäre schon längst auf die Straße gefallen, wenn Yoongi ihn nicht noch immer gepackt hielte.
"Was? Sag' bloß die Idee gefällt dir nicht?", hakte er jetzt nach und zog beiläufig eine Braue in die Höhe.
Der andere schüttelte er erneut wie wild den Kopf und schaute ihn ehrfürchtig an.
Yoongis Gesicht war war ausdruckslos und frei von jeglichen Emotionen.
Das Einzige, das sich in seinen Augen widerspiegelte, war Mordlust.
Verhängnisvolle Mordlust.
Er erschien nicht mehr menschlich.
So kalt, so berechnend und so auf den Untergang einer Person aus.
Er fühlte sich, als würde er in die Augen eines Dämons, eines Monsters blicken.
Ein Monster, das ihn in jedem Moment zur Strecke bringen könnte.
Diese dunklen Augen.
Wie von einer Schlange hypnotisiert, konnte er den Blick von Yoongis Augen nicht mehr abwenden.
In den tiefen Iriden sah er nur zu deutlich seinen eigenen Niedergang und schloss in diesem Augenblick mit seinem Leben ab.
Was brachte es, sich gegen einen überlegenen Feind zu stellen?
Er hätte sich nach dieser Abreibung einfach von ihm fernhalten sollen, statt sich und seiner Gang etwas beweisen zu wollen.
Seine Gang.
Was sollten sie nur ohne ihn tun?
Sein Herz verkrampfte sich schmerzerfüllt.
Auch wenn er alles war, was man nicht sein sollte, hatte ihm seine Gang alles bedeutet. Sie waren ihm wichtig und er hätte für jeden einzelnen von ihnen seine Hand ins Feuer gelegt.
Er schloss die Augen und all seine Muskeln entspannten sich.
Vielleicht hatte er es verdient, schließlich hatte er Yoongi herausgefordert.
Er hätte nicht so emotional reagieren dürfen, zu voreilig war er auf ihn gestürzt.
Er hätte länger und intensiver nachdenken müssen, dann wäre er bestimmt auf den Schluss gekommen, Yoongi außen vor zu lassen.
Er war stark. Zu stark. Unbesiegbar.
Hätte er seinen Worten Folge geleistet und ihn gemieden, hätte er jetzt mit seiner Gruppe Schabernack betreiben können und mit seinen Jungs Spaß haben können.
Nun war er hier, an der Schwelle des Todes, und hatte sich noch nicht einmal von seinen Gefährten verabschieden können.
Es schmerzte ihn am meisten.
Wie gerne hätte er seine Freunde noch ein letztes Mal gesehen.
Was würde er dafür geben, noch ein letztes Wort mit ihnen auszutauschen, sich gebührend von ihnen zu verabschieden und einen Nachfolger zu benennen?
Die Antwort war einfach.
Alles.
Er hätte alles gegeben.
Und er bereute seine Wahl, sich anstelle seiner Gang an Yoongis Fersen geheftet zu haben.
Denn was brachte es ihm?
Ihm war von Anfang an klar gewesen, wer der Stärkere von ihnen gewesen war, doch er hatte es sich nicht eingestehen wollen und dafür musste er nun zahlen.
Er atmete noch ein letztes Mal tief durch und öffnete dann seine Augen.
Er war bereit für alles, was Yoongi ihm antun würde.
Zumindest musste er ehrenvoll sterben.
Das war er seiner Gruppe schuldig.

"Scheint ganz so, als hättest du dich gefangen", sagte Yoongi ruhig.
Er nickte und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Er kniff die Augen zusammen.

Auf einmal ließ er von ihm ab und trat einen Schritt zurück.
Als für einige Zeit nichts passierte, öffnete er vorsichtig seine Augen und sah, wie Yoongi den Schlagring lässig zwischen seinen Fingern drehen ließ.
"Was?", machte er perplex.
"Jetzt mach' dir mal nichts ins Hemd. Ich werde dir nichts mehr tun", gab er ungezwungen zurück und schaute noch immer auf die Waffe, die sich mit tödlicher Präzision zwischen seinen Fingern bewegte. 
"Aber ... was? Wieso?", er war so irritiert, dass er noch nicht einmal einen ganzen Satz zustande brachte. Yoongi ließ das Gerät noch ein letztes Mal um seinen Finger rotieren und steckte den Schlagring dann mit einer kaum merklichen Bewegung weg.
"Ich hätte dich am liebsten zerfetzt, aber dann ist dir etwas grundlegendes eingefallen. Deine Gang.
Ein Anführer lebt ausschließlich für seine Gruppe und als dir das bewusst geworden ist, hast du dich mir gefügt. Dir ist klar geworden, dass nicht du oder deine Ehre oder deine Rache an mir, sondern deine Kameraden ganz oben stehen. Ich töte niemanden, der für seine Gefährten lebt und sich seines Fehlers bewusste geworden ist", verkündete er mit einer Stimme, die fast schon majestätisch klang.
Jetzt endlich sah Yoongi auf und das, was er in seinem Blick erkennen konnte, bescherte ihm eine Gänsehaut.
Er schaute fast schon wohlwollend auf ihn herab und die Wärme, die mitschwang, ließ ihn erzittern.
Überwältigt fiel er vor ihm auf die Knie und nahm abermals wahr, wie die Tränen über seine Wangen liefen, doch diesmal nicht aus Verzweiflung, viel mehr weinte er aus Erleichterung und viel wichtiger aus Rührung.
Er wurde nicht König genannt, weil er so verdammt stark war und jeden überwälzte, der sich ihm entgegenstellte, wobei er keinen Zweifel daran hatte, dass er dies auch oft genug tat, sondern weil er wirklich die Qualitäten eines Königs, eines wahren Leaders, hatte, der auch Fehler verzeihen konnte.
Tief verbeugte er sich vor ihm, als ihm dieser Akt der Güte vollends bewusst wurde.
"Ich bin dir mein Leben schuldig Yoongi", ließ er verlauten.
Wie hatte er sich so jemandem entgegenstellen können?! Er war ihm bei Weitem nicht gewachsen, weder was die Kraft anging, noch in Anbetracht seiner Tugenden.
Jeder andere hätte ihn innerhalb eines Wimpernaufschlages ohne einen Gedanken getötet, aber dieser erhabene König hatte ihn verschont.
"Erhebe dein Haupt", befahl er ihm barsch, "ein Anführer sollte nicht so einfach auf die Knie fallen."
Als er Yoongi wieder ins Gesicht sah, war seine Miene zwar grimmig, doch trotzdem meinte er, etwas weiches, kollegiales darin erblicken zu können.
Er nickte und erhob sich wieder.
"Nie wieder werde ich vergessen, was du für mich und noch viel wichtiger meine Gang getan hast. Ich und meine Gefährten werden dir auf ewig dankbar sein", mit diesen Worten legte er seine rechte Faust auf seine Brust und neigte tief seinen Kopf.
Kurz hob sich Yoongis Braue und er lächelte sanft, bevor er sich wieder fing und gleichgültig dreinblickte.
Mit dieser Geste hatte er sich Yoongi gerade untergeordnet und ihm seine ewige Treue geschworen.
Als ihre Blicke sich wieder trafen, nickte Yoongi deutlich, als wolle er ihm zeigen, dass er seine Geste zur Kenntnis genommen und akzeptiert hatte.
Als er Yoongis Antwort gesehen hatte, wandte er sich von ihm ab und verschwand eilig von der Bildfläche.

© cremo

Min Yoongi X Reader (gang au)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt