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(d/N) ~ dein Name

Sie hatte gehofft, ihm nach der gestrigen Sache nie wieder begegnen zu müssen.
Sie wandte den Blick ab und seufzte tief.
Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben, deshalb entschloss sie sich dazu, ihn einfach zu ignorieren.
"Guten Morgen. Wie ihr seht, haben wir ab heute einen weiteren Mitschüler. Bitte nehmt ihn gut auf und kümmert euch um ihn", verkündete der Lehrer nun mit seiner ruhigen Stimme und drehte sich zu ihm um.
"Stell dich doch kurz vor", forderte er ihn danach auf und trat kurz zur Seite.
Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Klasse lag ausschließlich auf Yoongi, dem das ziemlich egal war, denn er gähnte genüsslich und meinte dann kurz angebunden: "Min Yoongi; freut mich, hier zu sein."
Er vergrub seine Hände tief in den Hosentaschen und verdrehte die Augen. Es war schmerzhaft offensichtlich, dass er nicht hier sein wollte.
Und der Klasse schien es ähnlich zu gehen, denn noch immer war kein einziger Mucks zu vernehmen. Sie alle wussten, wer Min Yoongi war und wozu er fähig war und keiner von ihnen hatte den Mut, sich mit ihm anzulegen.
Der Lehrer musterte die Klasse und räusperte sich dann, bevor er sich wieder nach vorne stellte: "Nun gut, fahren wir mit dem Unterricht fort. Yoongi nimm doch bitte Platz, wo du möchtest."
Er tat, wie ihm geheißen und schlurfte auf die Tische zu.
Wendig und doch unnötig langsam manövrierte er sich einen Weg durch die Reihen und nahm alles in Augenschein. Er wollte einen Platz, der ihm einen Überblick über die Klasse verschaffte und wo er seine Ruhe hatte.
Im Raum herrschte dicke Luft, denn keiner wollte ihn neben sich haben, weshalb jeder seinen durchdringenden Augen auswich, als er Blickkontakt aufnahm.
Nur eine einzige Person erwiderte seinen Blick mit einem Ausdruck purer Gleichgültigkeit auf den Zügen und das war sie. Das Mädchen des vorherigen Tages, das ihm, aufgrund ihrer Schlagfertigkeit, nicht mehr aus dem Sinn ging.
Dann wiederum entdeckte er etwas, das ihn teuflisch grinsen ließ.
Der Platz neben ihr war frei. Es war ein Tisch in der letzten Reihe direkt am Fenster, wo er sie zu seiner rechten haben würde, sobald er sich setzte.
Perfekt.

Nein, nein, nein. Setz' dich nicht dahin, schrie sie in Gedanken, doch das Schicksal war ihr nicht wohlgesinnt und so setzte er sich neben sie.
Sie unterdrückte ein genervtes Jaulen und legte stattdessen ihren Kopf auf dem Tisch ab.
"(d/N)", hörte sie nun plötzlich den Lehrer sagen.
Sofort richtete sie sich auf und blickte nach vorne.
"Würdest du ihn nachher ein wenig herumführen und ihm alles zeigen?", fragte er sie und deutete mit einer kleinen Geste auf den Jungen neben ihr.
Sie biss die Zähne zusammen und nickte.
"Natürlich", murmelte sie leise, um die Abneigung in ihrem Ton zu kaschieren, und schenkte ihrem neuen Sitznachbarn einen vernichtenden Blick.
Die Klasse atmete erleichtert auf, als ihr klar wurde, dass sie sich nicht mehr um ihn kümmern musste und die Atmosphäre entspannte sich. Das natürliche Gemurmel wurde wiederaufgenommen und der Lehrer unterrichtete in Seelenruhe weiter.
So viel zum Thema ignorieren, dachte sie und massierte sich die Schläfen.

Die Schulglocke ertönte und die Schüler sprangen auf und strömten aus dem Raum, um keine Zeit ihrer wertvollen Mittagspause zu verschwenden.
Auch Nari verschwand, nachdem sie ihr einen entschuldigenden Blick zugeworfen hatte, in der Meute und war somit unauffindbar.
Lustlos und unmotivierter als jemals zuvor packte sie ihre Sachen zusammen und hievte sich hoch.
"Na komm, je schneller wir das hinter uns bringen, desto besser", seufzte sie heute schon zum gefühlt tausendsten Male.
"Keine Lust", hörte sie ihn sagen. Sie hielt inne und drehte sich zu ihm um.
Dort saß er, die Beine hochgelegt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt, auf seinem Stuhl und starrte aus dem Fenster, wie die gesamte letzte Doppelstunde. Nicht, dass ihr das aufgefallen wäre; sie hatte sich nur vergewissert, dass er ihr nichts antat.....
Okay, das war gelogen.
Sie hatte einige verstohlene Blicke in seine Richtung geworfen, einfach weil es sie interessierte, was er tat, wenn er nicht gerade Menschen verprügelte, und sie musste zugeben, dass er im Unterricht wirklich ... -sie getraute sich fast nicht, es auszusprechen- normal wirkte.
"Was keine Lust? Steh' endlich auf und beweg' dich, ich hab' nicht den ganzen Tag Zeit", grollte sie nun mehr als nur angepisst. Sie brannte auch nicht darauf, sich mit ihm abzugeben, aber es wurde ihr eben aufgetragen.
Nicht einmal einen Augenaufschlag später stand er vor ihr, klemmte sie zwischen sich und einen der Tische und beugte sich zu ihr, fast so wie bei ihrer letzten Begegnung.
"Du hast vielleicht Nerven, mir Befehle zu geben. Überstrapazier' dein Glück nicht, Schätzchen", knurrte er übellaunig und verengte seine Augen zu Schlitzen.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und mit ihrer rechten Hand packte sie ihn am Kragen seines schwarzen Oberteils und zog ihn auf Augenhöhe herunter.
"Jetzt hör' mir mal zu Freundchen: Ich bin auch nicht so scharf auf dich, aber es wurde mir aufgebürdet, weshalb ich keine andere Wahl hab'. Also halt' endlich den Rand und lass diese leeren Drohungen sein!", knirschte sie ebenso verstimmt und funkelte ihn wütend an.
"Und hör' auf, mir so dämliche Spitznamen zu geben. Ich heiße (d/N), verdammt nochmal!", fügte sie garstig hinzu.
Er stand entgeistert da und blinzelte sie an. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Sie hatte schon mit ihrem Leben abgeschlossen, als er plötzlich anfing zu lachen. Ja, DER Min Yoongi lachte.
Ihr entglitten sämtliche Gesichtszüge und sie ließ ihn los.
Sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren.
Er sah so natürlich und ansprechend aus, wenn er nicht grantig dreinblickte, seine Stirn war frei von jeglichen Zornesfalten, seine Augen glitzerten spitzbübisch auf, seine Zähne glänzten und sein Grinsen war breit und herzlich. Sein ganzes Gesicht erstrahlte in einem neuen Licht, das attraktiv und wunderschön wirkte, wie sie jetzt deutlich wahrnehmen konnte. Sie konnte nicht anders und musste ebenfalls lächeln. Selbst ein Kichern entlockte er ihr mit seinem Lachen, da es nicht unausstehlich und degoutant klang, sondern angenehm und voller Frohsinn war.
Sie hätte niemals erwartet, dass so eine Person so bezaubernd lachen konnte, aber sie war dankbar, dass sie das Glück hatte, das miterlebt haben zu dürfen.

© cremo

Min Yoongi X Reader (gang au)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt