Schweigend sitze ich auf dem nun leeren Sofa. Mein Blick schweift durch das Wohnzimmer. Bis auf die Blume, die bei der Mutter-Saufparty kaputt gegangen ist, sieht es genauso aus wie immer. Während Michael unsere beiden betrunkenen und kichernden Mütter ins Bett bringt, habe ich das Wohnzimmer auf Vordermann gebracht.
Ich konnte mir dieses Chaos nicht mehr länger ansehen. Zu viele Gedanken sind mir dabei durch den Kopf gegangen und ich habe mich wie die zerbrochenen Glasscherben auf den Boden gefühlt. Nur die Arbeit konnte mich davon ablenken. Aber jetzt, da alles aufgeräumt ist, wirbeln meine Gedanken wie ein Tornado durch meinen Kopf.
Wenn es stimmt sind meine Eltern gar nicht meine Eltern. Muss ich dann ausziehen? Und was ist mit Michael? Er muss sich genauso schrecklich fühlen wie ich. Genauso verloren und in tausend Teile zerbrochen. Wie eine Schneekugel geschüttelt und achtlos irgendwo hin gestellt.
Ich will meine Eltern nicht verlieren. Ich will nichts aus meinem alten Leben verlieren. Ich will, dass es genauso bleibt wie früher. Früher, wo meine einzige Sorge, Michaels Lügen und die Beinahe-Trennung meiner Eltern war. Es hört sich so an, als wäre ''früher'' vor Monaten gewesen. Dabei sind erst ein paar Minuten vergangen.
''Hey." Michael kommt rein und setzt sich vorsichtig zu mir aufs Sofa. Auch er lässt den Blick durchs Wohnzimmer schweifen, sagt aber nichts zur herrschenden Ordnung. Ich knete nervös meine Hände und nicke ihm nur verkrampft zu.
"Sie liegen beide in dem Schlafzimmer deiner Eltern und schlafen endlich." Wieder bekommt er nur ein Nicken von mir. "Wenigstens haben sie morgen einen richtig heftigen Kater.", versucht er die Situation mit einem Witz zu lösen, aber weder er noch ich lachen.
"Schöne Scheiße." Kurz ist es still, dann kichere ich los und bringe so auch Michael zum Schmunzeln. Sofort verpufft die angespannte Stimmung und alles, was bleibt sind zwei gackernde Jugendliche mit ihren ganz normalen Problemen in ihrem ganz normalen Leben.
Sobald ich realisiere, dass mein Leben nie wieder normal sein wird, verwandelt sich mein Lachen in ein Schluchzen. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und lasse all meinen Kummer los. Alles ist heute schief gegangen. Michael kann ich nicht mehr vertrauen und ein Zuhause habe ich auch nicht mehr.
Plötzlich schlingen sich zwei Arme um mich und ziehen mich an eine warme Brust. Instinktiv klammere ich mich an ihr fest und vergrabe mein Gesicht in ihr. Michaels Hände, die meine Haare streichen, zittern leicht. Auch er ist mit dieser Situation total überfordert.
Minuten, vielliecht auch Stunden bleiben wir so sitzen. Während meine Tränen irgendwann aufgehört haben zu fließen, hat Michael nie aufgehört mir die Haare zu streichen. Das Zittern seiner Hände hat nie ganz nachgelassen. Meine Hände sind immer noch in seinem mittlerweile trockenem Shirt vergraben.
"Michelle, was ist passiert?" Alarmiert steht mein Vater - ist er das überhaupt? - vor uns und keucht sehr schnell. Hinter ihm steht Onkel Stefan, der zwischen uns dreien interessiert hin und her sieht.
Langsam löse ich mich von Michael, der stocksteif neben mir sitzt und wie ich auf meine Nicht-Verwandten schaut. Stefan verschwindet in dem Flur und will wahrscheinlich nach unseren Müttern schauen. Kurz darauf hört man die Badezimmertür zuschlagen und ein gedämpftes Würgen dringt zu uns ins Wohnzimmer.
Pa (Martin oder wie auch immer ich ihn jetzt nennen soll) kniet sich vor mich hin und legt behutsam seine Hände auf meine Oberschenkel.
"Komm schon, Michi. Du kannst mir alles sagen. Ich bin zwar dein Vater, aber auch dein bester Freund."
"Bist du das wirklich?"
"Natürlich! Egal, was passiert ist, du kannst mir alles sagen.", betont er und runzelt verwirrt die Stirn, da ich ihm vorher noch nie misstraut habe.
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Masterdisaster
Teen FictionSo hat sich die gerade erst gewordene 17-jährige ihren Geburtstag nicht vorgestellt: Zuerst küsst der Macho der Schule sie, wobei sie fast umkommt und dann kommt auch noch so ein da her gelaufener Typ zu ihr und wirft ihr komische Blicke zu. Doch Mi...