Kapitel SECHZEHN

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~ irgendwo in Manchester / 6. Juni 2017 / 0.13 am ~

„Ich glaube, das reicht jetzt mal", jemand schob das Schnapsglas aus meiner Reichweite, dass ich mir gerade greifen wollte. Ich versuchte trotzdem noch danach zu greifen, bis ich nach dem dritten Versuch, halb über dem Kneipentisch liegend, einsah, dass es nicht funktionieren würde und stattdessen einfach nach der Bierflasche direkt neben mir griff.

Zwei großzügige Schlucke später, wischte ich nachlässig mit dem Handrücken über meine Lippen und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. „Unsinn", antwortete ich eindeutig viel zu verspätet, doch da seit etwa einer Stunde ohnehin alle Augen auf mir lagen, machte es ohnehin keinen großen Unterschied. „Isch brauch das, um betrunken su werden. Wie soll isch denn sonst betrunken werden?"

Das war eine ernst gemeinte Frage. Es war total nervig, immer so viel trinken zu müssen, um richtig voll zu werden. Irgendwie musste ja alles auch wieder rauskomme und diese permanenten Toilettengänge rissen mich immer aus meiner Konzentration. Das war wirklich nicht nett von meiner Blase.

Viele Getränke gleich viel Alkohol gleich betrunken.

Es war doch logisch. Wieso musste ich das immer wieder erklären? Ich drehte mich ungelenk zur Seite und stich mit dem Zeigefinger gegen eine blasse Männerbrust. „Du solltes das doch wissen", murmelte ich anklagend und legte dann den Kopf schief, als sein Adamsapfel direkt vor meinen Augen auf und ab hüpfte.

Dann zuckte ich mit den Schultern und nahm noch einen Schluck Bier, ohne auf die Antwort zu warten, die von seinen Lippen kamen. Das hätte mich nur zu weiteren Gedankengängen verleitet und dann hätte ich definitiv noch etwas anderes, als nur seinen Adamsapfel angestarrt.

Wir hatten uns nur ein einziges Mal geküsst und das war jetzt ein halbes Jahr her. Woher sollte ich dann noch wissen, ob es gut sein würde? Wahrscheinlich waren es nur Hirngespinste. Meine Phantasie, die von meiner „Jungfrau-Maria-Einstellung" stammte, wie Dawn sie immer nannte. Zumindest seit sie erfahren hatte, dass ich bisher nur mit zwei Männern geschlafen hatte und das letzte Mal mehr als zwei Jahre her war.

Es konnte doch nicht jeder so viel Bettsport betreiben wie sie.

... es getan hatte.

Ich schüttelte den Kopf und trank dann gleich den ganzen Rest der Flasche auf einmal aus. Dann knallte ich sie zurück auf den Tisch und sprang schwungvoll auf. „Isch brauch noch was su trinken. Noch irgendwer?" Damit wollte ich mich umdrehen und den Tisch verlassen, doch blitzschnell griff etwas nach meiner Hüfte und zog mich auf einen sehr wohl bekannten Schoß.

Ich blinzelte. Blinzelte nochmal. Dann seufzte ich schwer und drehte mich halb herum, um Niall in die super schönen blauen Augen zu sehen. „Das geht nisch", nuschelte ich und konnte mich nicht entscheiden, ob ich in seine rechte oder linke Pupille schauen sollte. Dann runzelte ich streng die Stirn und richtete mich gerade auf, um irgendwie einen autoritären Eindruck zu machen.

„Hör mir mal gans genau su, Kleiner!", ich hob mahnend den Zeigefinger und kniff die Augen zusammen; genoss es vielleicht ein bisschen zu sehr, einmal im Leben auf ihn hinunter sehen zu können. Streng erklärte ich: „Du bis nur noch hier, weil Johan irgendwie wech is und isch nach Hause kommen muss und dieser Lingsverkehr gemeingefährlisch is. Capisce? Nur deswejen bis u noch hier...oder isch." Ich runzelte die Stirn und nickte dann. „Deswejen bin isch noch hier."

„Pass bloß auf, was du jetzt sagst, Nialler", warnte jemand und erinnerte mich daran, dass wir nicht ganz alleine waren. Ich rutschte hin und her, bis ich quer auf Nialls Schoß saß (und ignorierte dabei seinen angestrengten Gesichtsausdruck – immerhin hatte er sich selber in diese Situation gebracht). Dann legte ich einen Arm um seine Schulter, aber nur, weil ich ansonsten heruntergefallen wäre natürlich.

Trust Me - n.h [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt