Kapitel NEUNZEHN

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~ irgendwo auf der Autobahn / 22. Juni 2017 / 11.03 am ~

Ich war mir ziemlich sicher, dass Niall die Veränderung bemerkte. Doch er fragte nicht nach und ich erzählte ihm auch nichts.

Es war schnell wieder wie am Anfang unserer Freundschaft. Lustig, gesprächig und vertraut. Gleichzeitig war es aber auch irgendwie besser, weil – ich hielt mich einfach nicht mehr zurück. Es gab keinen Caleb mehr, keinen Johan. Ich war einfach ich selbst und ich genoss es.

Angefangen hatte es am Morgen. Niall hatte sich ganz offensichtlich ein bisschen unsicher gefühlt, als wäre er sich nicht ganz sicher gewesen, wo wir jetzt überhaupt standen. Er war vor mir wach gewesen und hatte vorsichtig an meiner Schulter gerüttelt, als es irgendwann auf viertel vor Zehn zuging. Ich hatte gegrummelt und mich an seiner warmen, kuscheligen Brust versteckt.

Er hatte sich kurz versteift, sodass ich träge zu ihm hinaufgeblinzelt hatte, doch als er sich wieder von mir lösen wollte, hatte ich die Augen zusammengekniffen und an seinem T-Shirt gezerrt, damit er mit mir liegen blieb. Vielleicht hatte ich auch kurz etwas von „Brust" und „Kopfkissen" gebrummelt, aber sicher war ich mir da nicht.

Da hatte er schließlich lachen müssen.

Am Frühstückstisch, den wir dank einem großzügigen Trinkgeld für uns alleine hatten (immerhin war die reguläre Esszeit und auch das Auschecken schon vorbei), hatten wir seit Monaten wieder die erste Partie „Pest oder Cholera" gespielt und erstaunlicherweise fielen uns auch im Auto immer wieder neue Fragen ein.

Ein kurzes Zögern gab es allerdings, als Niall mich fragte, ob ich lieber den Zug oder Fähre nehmen wollte. Er ließ mir völlig freie Hand, hatte mich aufmerksam angesehen und geduldig auf meine Antwort gewartet. Es sei mein Wunsch gewesen, eines Tages einen Road Trip durch England zu machen und ich durfte die Regeln bestimmen.

Unruhig hatte ich an meinen Fingernägeln geknabbert und war seinem Blick ausgewichen. „Wahrscheinlich wäre der Zug besser, oder?", fragte ich unsicher und wippte mit dem Fuß auf und ab, während die Schilder der französischen Städte am Straßenrand vorbeizischten. „Da wird man uns wahrscheinlich nicht ganz so leicht erkennen können."

Ich hielt überrascht inne, als er über die Mittelkonsole griff und meine Hand von meinen Lippen zog, als ich unbewusst wieder an meinen Nägeln gekaut hatte. Er verschränkte unsere Finger miteinander und legte sie gemeinsam auf meinem Oberschenkel ab, wo ich sie einen Moment lang fasziniert ansah. Dann blinzelte ich zu ihm herüber und schaute in seinen erstaunlich selbstsicheren Gesichtsausdruck.

„Wir verstecken uns nicht mehr." Okay.

Ich schluckte überrumpelt. Dann sah ich aus dem Fenster, wieder zu ihm und dann auf unsere verschränkten Hände. Ich musste nicht fragen, was er damit meinte. Das war klar. Nur- „Meinst du nicht, dass das...ähm, etwas zu, naja...voreilig ist?", ich stotterte und nestelte unruhig an der Gürteltasche, die um meinen linken Oberschenkel geschnallt war. Meine Handfläche wurde immer schwitziger.

„Ich habe nicht vor einen Rückzieher zu machen", Nialls Daumen strich in einem langsamen Rhythmus auf meiner Haut auf und ab, während er mit der anderen Hand den Wagen steuerte. „Du etwa?"

Ich spürte seinen Blick auf mir, während ich die Stirn runzelte und schließlich mit dem Kopf schüttelte. Nein. Nicht wirklich. Nur hatte ich Sorge, dass wir diesen Schritt später bereuen würden; dass es irgendwie zu schnell ging. Ich wollte jetzt nichts mehr falsch machen, dass hatte ich die letzten Wochen und Monate schon zu genüge.

Trust Me - n.h [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt