Kapitel ELF

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~ Hollywood, Los Angeles / 25. Februar 2017 / 7.47 pm ~

„Wieso bist du hier?" Die Worte entschlüpften mir, bevor ich es verhindern konnte – auch wenn ich nicht mal genau wusste, ob ich es getan hätte.

Was machte er hier? Seit wann war er wieder in LA? Wieso tauchte er bei meiner Premiere auf und das, obwohl er die letzten zwanzig Tage jeden einzelnen meiner Anrufe ignoriert hatte? Ich hatte ihm zweiundfünfzig Nachrichten geschickt, die er alle gelesen und auf die er nicht ein einziges Mal geantwortet hatte.

Wie konnte er es wagen, jetzt einfach so hier aufzukreuzen?

Widersprüchliche Gefühle kämpften in meinem Bauch um die Oberhand und sorgten dafür, dass mir schlecht wurde. Ich wollte ihn gleichzeitig schlagen und in den Arm fallen, weil er sich so lange nicht gemeldet hatte und ich ihn so vermisst hatte. Ich wollte ihn beschimpfen, hunderte Worte in meinem Kopf waren bereit, ihm an den Kopf geworfen zu werden, doch dass einzige, was meine Zunge zustande brachte, war diese einfache, sinnlose Frage.

Er lächelte, doch mir war nicht klar, ob für mich oder für die Kameras, die von allen Seiten auf uns gerichtet waren. Besser nicht für mich, sonst würde ich ihm wahrscheinlich irgendetwas an den Kopf werfen müssen.

„Ich bin eingeladen worden."

„Von wem?", patzte ich sofort und nahm mir insgeheim vor, diese Person zu lynchen, sollte sie es je wagen, mir nochmal über den Weg zu laufen. Meine Hände zitterten, so sehr versuchte ich, sie nicht zu Fäusten zu ballen oder sonst irgendwas damit zu tun, was Johan eine Nahtoderfahrung bescheren würde.

„Willow-", mahnte Diana leise und ein bisschen zögernd, als wäre sie sich nicht ganz sicher, ob sie sich wirklich einmischen sollte. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Lis sich bei ihrem Bruder einhakte und Katie einen mitleidigen Blick in meine Richtung warf, bevor sie sich langsam aus unserer Gruppe lösten. Ich war dankbar, dass sie uns ein bisschen Privatsphäre gönnten (so weit das auf diesem roten Teppich eben möglich war), wäre ihnen aber am liebsten hinterher gerannt.

„Ich weiß es nicht", antwortete Niall mir ehrlich – oder zumindest kam es mir sehr ehrlich vor. Dabei blickte er mich geradewegs mit diesen blauen Augen an, die ich ihn den letzten Wochen so vermisst hatte. Ich hielt ihm stand, bis meine Augen anfingen zu Tränen und ich zu Boden sehen musste.

In diesem Moment legte sich ein schwerer Arm um meine Taille und drückte mich, so gut es mit dem massigen Kleid eben ging, an einen männlichen Körper. Nein... Bitte nicht, flehte ich innerlich. Doch gleich darauf hörte ich eine mir sehr wohl bekannte Stimme „Lächel!" in mein Ohr zischen.

Meine Mundwinkel fühlten sich an, als hätte jemand Betonklötze daran gebunden, als ich sie nach oben zog. Nialls Blick lag nicht mehr auf mir, als ich wieder aufsah. Auch nach nur einem gemeinsamen Monat kannte ich ihn gut genug, um den mühsam verhohlenen Zorn hinter seinen Augen lauern zu sehen, als er Caleb neben mir anstarrte – das Lächeln immer noch im Gesicht.

Ich wusste nicht, ob ich Caleb bewundern oder beschimpfen sollte, dass er trotzdem seine Hand ausstreckte und „Caleb Wynn. Freut mich dich kennenzulernen" sagte, als ob nichts weiter dabei wäre. Entweder war er ein noch besserer Schauspieler, als ich gedacht hatte, oder er war offensichtlich blind, wenn er die Wut ignorieren konnte, die Niall eigentlich aus jeder Pore zu dringen schien.

Eine atemlose Sekunde lang, dachte ich, Niall würde diese Begrüßung verweigern, und sah dabei schon die Schlagzeilen von morgen vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Doch dann ergriff er diese Geste und drückte Calebs Hand, während er knapp seinen eigenen Namen sagte.

Trust Me - n.h [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt