Kapitel DREIUNDZWANZIG

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~ Mullingar / 26. Juni 2017 / 3.17 am ~

Der gemeinsame Abend mit Nialls Freunden endete abrupt, als ich an der Theke noch eine Runde Bier besorgen wollte und eine Gruppe junger Männer mit entschieden zu hohem Alkoholspiegel mich ansprachen.

Am Anfang war noch alles in Ordnung, doch irgendwann wurden ein paar von ihnen zu aufdringlich, zerrten an meiner Jacke und nuschelten undeutlich unangenehme Dinge in mein Ohr. Niall tauchte auf, noch bevor der Mann hinter der Bar reagieren konnte – und ich hatte nie gedacht, dass mein Freund zu den handgreiflichen Menschen gehören könnte, aber die Nase eines besonders schmierigen Typs bewies ein paar Sekunden später eindeutig das Gegenteil.

Auch wenn weitere körperliche Auseinandersetzungen vermieden werden konnten, waren noch einige hässliche Worte gefallen (die ich trotz der breiten irischen Sprache noch hatte verstehen können), bis schließlich sogar die Polizei eintraf.

Den Herren wurde ausdrücklich die Tür gewiesen. Bis dahin hatten wir bereits die gesamte Aufmerksamkeit des Pubs und ich war mir ziemlich sicher bis zum nächsten Morgen bereits die ersten Zeitungsartikel im Internet finden zu können.

Gott sei Dank wurde auf eine Anzeige wegen Körperverletzung verzichtet, aber wohl nur, weil neben dem Barkeeper auch noch fünf andere Gäste bereit waren, zu bezeugen, dass Niall aus Notwehr gehandelt hatte. Es dauerte eine Weile, bis diese Tatsache in den, vom Alkohol benebelten, Gehirnen angekommen war, doch schlussendlich merkten auch sie, dass der Spaß damit vorbei war.

Als die nette Beamtin mich fragte, ob ich eine Anzeige wegen „Sexueller Belästigung" erheben wollte, schüttelte ich nur den Kopf und erwiderte leise, dass ich eigentlich nur noch nach Hause wollte. Auf dem weißen T-Shirt, dass ich unter der weiten Strickjacke trug, prangten gelbe Bierflecken und ein paar rote Flecken, als der Typ mit der blutenden Nase noch einmal nach mir hatte greifen wollen.

Wir wurden mit dem Polizeiwagen zurückgebracht; Niall schwieg die ganze Fahrt und hatte so einen abweisenden Gesichtsausdruck, dass ich mich nicht traute, nach seiner Hand zu greifen – vor allem, da sie mit jeder Minute weiter anzuschwellen schien. Bobby schlief, als wir uns von den Beamten verabschiedeten und die schwach beleuchteten Treppenstufen nach oben gingen.

Als der Schlüssel aus seiner offensichtlich schmerzenden Hand fiel, bückte ich mich und hob ihn auf. Niall schaute mich an wie einen Geist, sobald meine Finger seinen Oberarm berührten, um ihn vorsichtig einen Schritt zur Seite zu dirigieren.

„Brauchst du ein Kühlpack?", besorgt runzelte ich die Stirn, als ich die geröteten Knöchel beobachtete. Er saß scheinbar entspannt im Sessel, als ich ins Wohnzimmer trat, die Schuhe ausgezogen und die Tür wieder sicher abgeschlossen. Zur Antwort bekam ich ein undeutliches Brummen.

Der Fernseher wurde angeschaltet.

Langsam wurde auch ich wütend. Er tat gerade so, als wäre es meine Schuld, dass diese Idioten mich angepöbelt hatten. Es war ja nicht so, als hätte ich sie dazu eingeladen, mich zu betatschen und obszöne Dinge an meinen Kopf zu werfen.

Da ich jedoch wusste, wie sehr eine Verletzung durch einen Faustschlag am nächsten Tag schmerzen konnte, stapfte ich zum Kühlschrank und durchforstete die Tiefkühle, bis ich stattdessen eine Packung Erbsen fand. Was für ein Klischee.

Eine kleine Seite in mir seufzte befriedigt, als Niall schmerzvoll stöhnte, sobald ich die Tüte vielleicht etwas zu schwungvoll auf seinen Knöchel beförderte. Doch sein angenervter Blick ging mir durch und durch. Statt ihn noch weiter zu beachten, zog ich nur unberührt die Augenbrauen nach oben und drehte mich um.

Trust Me - n.h [beendet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt