Kapitel 2

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Der Wind zerrt an meinem Kleid, während ich verzweifelt versuche aus den engen Gassen rauszufinden. Ich streiche mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, welche sich aus meinem Zopf gelöst haben. Bis eben war noch alles gut. Mit ein paar Freunden saß ich in der Gaststätte und wir haben alle etwas getrunken. Dann kamen auf einmal diese Männer rein, schossen um sich und versuchten welche mitzunehmen. Sofort brach Chaos aus und ich flüchtete mit einigen in die Gassen. Durch die Verfolger verloren wir uns und nun bin ich in einem unbekannten Statdteil von Brighton. ,,Sie muss hier irgendwo sein!" Ich zucke zusammen und presse mich noch mehr in die Nische rein. Zwei Männer rennen an mir vorbei und biegen nach links ab. Hier kann ich auf Dauer nicht bleiben. So leise wie möglich verlasse ich mein Versteck und versuche aus den Straßen rauszukommen.

,,Na, wen haben wir den da?" Die beiden Männer, welche mich verfolgt haben stehen vor mir. Hinter mir ist eine Häuserwand, wegrennen ist unmöglich. ,,Schön leise sein, Hübsche. Wir wollen ja keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen", sagt der Eine und hält mir den Mund zu. Schreien hätte ich sowieso nicht gekonnt, es hätte auch niemals jemand gehört.
,,Und jetzt schön brav mitkommen." Der andere bindet meine Arme auf dem Rücken zusammen und ich werde Richtung Hafen geführt.

,,Zwei Leute nur? Immerhin etwas. Bringt sie runter und dann verschwinden wir von hier. Mehr Hafen können wir uns nicht erlauben, ab heute nehmen wir vollen Kurs auf Amerika." Der Mann, welcher scheinbar der Kapitän ist, mustert mich.
,,Schade um die Schönheit. Doch mein Geld ist mir wichtiger." Ohne das Gesicht zu verziehen, starre ich ihn an. Er gibt mir einen Klaps auf die Wange. ,,Man starrt den Kapitän nicht an. Merk dir das." Uneingeschüchtert lasse ich meinen Blick an ihm, bis ich rumgerissen und über das Schiff geschubst werde. ,,Da runter." Mein Entführer zieht mich eine Treppe runter. Die alten Holzstufen knarzen und hier unten ist alles feucht und kalt. Da es draußen sowieso dunkel ist, habe ich mich schnell an die Dunkelheit da unten gewöhnt. Meine Fesseln werden entfernt, ich werde in einen Raum geführt und die Tür wird zugeknallt. Im Raum sitzen mehre Männer und Frauen, teilweise liegen sie auch.

,,Ruby?", höre ich eine sehr bekannte Stimme. Ich sehe nach links und sehe dort Will sitzen. Glücklich, ihn zu haben, gehe ich zu ihm und sofort zieht er mich in seine Arme. ,,Warum hat es bloß dich erwischt", seufzt er und lehnt sich an die Wand. Neugierig sehe ich die anderen an. Es sind größtenteils Männer und die meisten sehen mutlos aus. Ich deute auf die anderen und sehe ihn fragend an. ,,Ich weiß auch noch nicht, was das hier soll. Wurde dir etwas gesagt?" Ich nicke, nehme ein paar Strohhalme, die hier rumliegen, und lege das Wort Amerika. ,,Wir fahren nach Amerika? Was wollen die da mit uns?" Ratlos zucke ich mit den Schultern und lehne mich wieder an die Wand. ,,Wir sind ihre Sklaven", ertönt eine leise, raue Stimme. William und ich suchen, nach der Quelle der Stimme und wenig später sehen wir einen jungen Mann, nicht älter als William, der zu uns rüber schaut. ,,Sie benutzen uns für ihre Schiffsarbeit und drüben sollen wir Kolonien aufbauen. Werden wir nicht mehr gebraucht, wird der Kapitän uns an Privatleute verkaufen", endet der Mann mit seiner Rede und dreht sich wieder zur Wand.

Niemand redet, alle dösen vor sich hin oder schlafen. Außer ich. Ich bekomme kein Auge zu. Obwohl es besser wäre etwas Schlaf zu bekommen, wenn ich bedenke, dass ich morgen mit den anderen die Arbeit hier auf dem Schiff erledigen muss. Wie viel Zeit bereits verstrichen ist weiß ich nicht, ich höre immer nur das regelmäßige Rauschen der Wellen, die am Rumpf gebrochen werden. Die Tür geht auf und zwei Männer erscheinen. Suchend sehen sie umher, bis sie mich entdecken. ,,Sie.", meint der eine und zeigt auf mich. Unruhig sieht William mich an. Beruhigend lege ich kurz meine Hand auf sein Bein, bevor ich mitgenommen werde. Mit pochendem Herzen gehe ich zwischen den Männern über das Schiff. Ich werde durch eine Tür gebracht und stehe in der Kapitänskajüte.

Grinsend sieht der Kapitän mich an. ,,Wie schön, dass du da bist. Setz dich doch." Er deutet auf einen freien Stuhl. Zögernd setze ich mich. ,,Wie heißt du?" Ohne zu antworten starre ich auf den Holztisch vor mir. Lachend nimmt er einen Becher in die Hand. ,,Stellst du dich jetzt auf stur?" Er lehnt sich nach vorne. ,,Ich frage noch einmal. Wie ist dein Name?", fragt er erneut mit dunkler Stimme. Verzweifelt versuche ich einen Ton rauszubekommen. Als nur ein jämmerliches Krächzen rauskommt, deute ich auf meinen Hals. Bitte lass es ihn verstehen. ,,Du kannst nicht reden?" Hastig nicke ich. ,,Wie erbärmlich." Langsam trommeln seine Finger auf dem Holz rum. ,,Was soll ich bloß mit dir anstellen?" Gar nichts? Mich einfach wieder gehen lassen. Zurück nach Brighton zu meiner Tante. ,,Ich hatte vor dich als mein Weib zu nehmen. Und das du nicht reden kannst gefällt mir ausgesprochen gut. Kein Widerspruch, du machst einfach still deine Arbeit und nervst mich nicht." Er trinkt noch einen Schluck aus seinem silbernen Becher. ,,Geh jetzt wieder zu den anderen. Ich will schlafen." Mein Blick geht zu dem vielen Essen auf dem Tisch. Ich habe zwar keinen Hunger, doch William kann bestimmt etwas gebrauchen. ,,Hier." Der Kapitän wirft mir ein Stück Brot zu. Geschickt fange ich es auf und stecke es in meine Kleidtasche. Etwas erleichtert gehe ich aus der Kajüte raus. Ich muss fliehen, sobald wir an Land sind. Am besten mit den anderen. Wenn wir in der Zeit bis zur Ankunft einen Plan entwickeln und alles gut überdenken, dann könnte das gehen.

Stolen from Britain, brought to AmericaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt