Kapitel 5

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Heute sollen wir endlich in der Kolonie ankommen. Der Kapitän hat es tatsächlich fertig gebracht mir nur zum Essen und trinken die Hände los zumachen, da ich es sonst verweigert hätte. Dementsprechend sehen meine Handgelenke auch aus. William hab ich nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen, ebenso wenig die anderen. Der Wagen kommt zum stehen und es dauert nicht lange bis ich verschiedene Stimmen von allen Seiten höre. Ob es besser wird, jetzt wo wir angekommen sind, weiß ich nicht. Unsanft werde ich aus dem Wagen gezogen. Durch das lange sitzen, knicken meine Beine weg und ich lande auf dem staubigen Boden. ,,Steh auf du verdammtes Weib", zischt jemand, reißt mich wieder hoch und drückt mich gegen den Wagen. Das Holz bohrt sich in meinen Rücken. Ich sehe in ein unbekanntes Gesicht mit stechend blauen Augen. ,,Hälst dich wohl für ganz toll was?" Sein Atem schlägt mir ins Gesicht. Die Mischung aus Tabak und Alkohol bringt mich fast zum würgen. ,,Schluss. Sie gehört mir", höre ich eine altbekannte Stimme. Der Mann vor mir dreht sich um. ,,Dieses Weib? Sie ist eine Sklavin", sagt er spöttisch. ,,Sie ist meine Sklavin. Also Finger weg." ,,Wer bist du? Denkst du, du hast hier das Sagen?" ,,Natürlich habe ich das. Ich bin der Kapitän." Der Griff des Mannes wird stärker, so stark, dass mein Arm langsam taub wird. ,,Na dann", sagt der Mann, spuckt auf  den Boden und lässt mich los. Sofort stütze ich mich auf die Eisenstange, um nicht wieder umzuknicken. Der Kapitän kommt zu mir. ,,Hast du Schmerzen?", fragt er grinsend. Der Ton in seiner Stimme gefällt mir nicht. Reaktionslos versuche ich mich auf den Beinen zu halten. ,,Keine Schmerzen?" Ich sehe ihn an. ,,Komm. Ich zeige dir unser Haus, in dem wir gemeinsam wohnen." Was? Nein. Ich möchte zu William. Ich kann nicht mit ihm zusammen wohnen. Wie soll ich dann die anderen sehen und mit ihnen den Plan weiter besprechen? Unsanft werde ich über den Boden geschliffen. Hilflos stolper ich dem dunkelhaarigen Mann hinterher. Vorsichtig lasse ich meinen Blick durch die Kolonie schweifen. Ein hoher Holzzaun verweigert den Blick auf die Umgebung. Links stehen einige Holzhütten, rechts befinden sich die Ställe. In der Mitte steht ein großer Holzpfahl mit Kettten und ein eingezäunter Reitplatz. Ich will gar nicht wissen, wofür der Pfahl ist. Am großen Zaun sind mehrere Leitern angebracht und auf Plattformen sitzen Männer um Ausschau zu halten. Wie sollen wir hier bloß raus kommen? ,,Das hier ist dein neues Zuhause." Er öffnet die Tür zu einem kleinen Haus und schubst mich rein. Das hier ist nicht mein Zuhause. Mein Zuhause ist in Brighton. Und das wird für immer so bleiben. Im Haus ist es etwas kühler als draußen, doch vermisse ich tatsächlich das Regenwetter aus England. Diese heiße Sonne ist nichts für mich.

,,Sieh dich kurz um und dann mach Essen. Ich hab Hunger", befielt der Kapitän und lässt sich auf den Sessel fallen. Zwei Sessel stehen vor einem kleinem Fenster, dazwischen ein kleiner, wackeliger Holztisch mit einer Petroliumlampe. In der anderen Ecke steht ein Schreibtisch mit drei Stühlen und einer Menge Büchern und Papieren. Im selben Raum befindet sich ein kleiner Herd, ein Schrank mit Tellern und Töpfen und ein Kamin. Durch eine Tür kommt man in das Schlafzimmer. Ein Bett und ein kleiner Schrank. An der Wand ist ein Fenster mit Blick auf die Kolonie. Das war es. In dem letzten Raum befindet sich ein Waschtrog. Wo schlafe ich? Bestimmt nicht mit dem Kapitän in einem Bett. ,,Ruby?", hallt es durch das Haus. Hastig kehre ich zurück in die Wohnstube. ,,Mach Essen." Entspannt lehnt er sich zurück. Kurz schaue ich in den Schränken nach, was alles da ist. Auch wenn ich gerne auf stur machen würde, ich muss das brave Mädchen spielen, um ihn bei der Flucht ablenken zu können, um dann selber zu fliehen. Schnell ist das Feuer unter dem Herd geschürt und ich schütte Wasser mit Erbsen in das Wasser. Kurz überlege ich, ob ich den Eintopf versalzen soll, doch ich entscheide mich dagegen. Ich weiß nicht wozu der Kapitän im Stande ist und möchte es nicht ausprobieren.

,,Ist das Essen mal fertig?" Schnell nicke ich und stelle den heißen Topf auf den Tisch. ,,Na also. Hol mir einen Teller." Ich hasse ihn. Wie kann man so abscheulich sein? Kurz reiße ich mich zusammen, dann hole ich einen Teller und einen Löffel raus. ,,Braves Mädchen. Geht wohl doch schneller, als gedacht." Grinsend setzt ich der Kapitän und schaufelt sich den Eintopf auf den Teller. Unbeteiligt stehe ich im Raum und muss zusehen, wie er das Essen runterschlingt, während ich hungrig und müde bin. Nach Ewigkeiten ist er endlich fertig und steht auf. ,,Mach sauber, du kannst die Reste essen. Danach erwarte ich dich im Schlafzimmer." Mein Puls erhöht sich. Ich schlafe nicht mit ihm in einem Zimmer. Und auch nicht in einem Bett. ,,Oh Ruby. So geschockt mein Mädchen?" Grinsend streicht er mir über die Wange. ,,Planänderung. Nach dem Aufräumen wäscht du dich. Und dann kommst du zu mir." Ich weiche einen Schritt zurück. ,,Du kannst nicht ewig wegrennen, Ruby. Ich bekomme dich sowieso." Er leckt sich einmal über die Lippen und lässt mich dann alleine. Ich muss hier raus. Dringend.

Stolen from Britain, brought to AmericaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt