Kapitel 13

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Nervös stehe ich vor dem Pferd. Winnetou hat mir das Braune gegeben, was leider auch das Größte ist. Mir ist unwohl mit dem Gedanken, gleich auf dieses Tier zu müssen, ohne Sattel, nur mit einem Seil um den Hals des Tieres. Was mache ich, wenn ich runterfalle? Und das Fell ist doch bestimmt rutschig, wenn das Pferd sich erschreckt, dann falle ich doch direkt runter. Und die größte Frage ist, wie komme ich überhaupt erst da hoch? Bei Winnetou sieht es immer so einfach aus, so leichtfüßig und elegant, doch ich werde aussehen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Winnetou kommt mit etwas Gepäck und schnallt es an Chephe dran. ,,Das ist alles. Wir können los." Mein Magen verkrampft sich schmerzhaft. Der junge Apache merkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. ,,Was ist los?" Ich deute auf das Pferd. ,,Keine Angst. Maka hat noch keinen Reiter abgeworfen." In einem Satz springt mein Begleiter auf sein Pferd, während ich fieberhaft überlege, wie ich da hoch kommen soll. Auf einmal kommt mir eine Idee. Vorsichtig führe ich Maka zum Zaun. Brav folgt mir der Hengst und bleibt da stehen, wo er stehen bleiben soll. Mit zitternden Beinen kletter ich den Zaun bis zur obersten Latte hoch. Zögernd hebe ich ein Bein über Makas Rücken und lasse mich draufgleiten. Fest klammer ich mich mit beiden Beinen an das glatte Fell und kralle meine Hände in die weiche Mähne. Winnetou stößt einen kleinen Pfiff aus und Maka setzt sich in Bewegung. Ich versuche so gut es geht in der Bewegung mitzugehen, aber es ist total ungewohnt. Brav trottet Maka neben Chephe her und so kann ich mich gut darauf konzentrieren nicht runterzufallen, statt auch noch auf Maka zu achten.

Nach einiger Zeit gewöhne ich mich an die Bewegungen und locker meine Beine etwas. Maka gibt ein leises Schnauben von sich. ,,Er mag dich", stellt Winnetou fest. Etwas unbeholfen richte ich meinen Rücken auf und wechsel meine Hände von Makas Mähne zu dem Seil, welches um seinen Hals hängt. ,,Siehst du. Maka ist ganz treu." Mal wieder muss ich über seinen Akzent lächeln. Ich habe noch nie jemanden so sprechen hören. Die Sonne steigt immer höher und schon bald brennt sie unermüdlich auf meinen Kopf. Jetzt wünsche ich mir auch die dunkle Hautverfärbung, welche mich schützen würde. Mein Kopf ist warscheinlich knallrot. Ich hätte es nie gedacht, aber ich vermisse tatsächlich das trübe Wetter aus Brighton. Ein paar Wolken, die sich vor die Sonne schieben würde, wären mir jetzt ziemlich gelegen. Ohne Pause setzen die Pferde einen Schritt nach dem anderen auf den trockenen Boden und ich bin sehr dankbar, dass Winnetou mir ein Pferd von sich gegeben hat und ich nicht laufen muss.

Auf einmal werden die Pferde langsamer und Winnetou hält die Pferde komplett an. ,,Wir machen eine Pause. Die Sonne ist zu stark." Der junge Apache rutscht von seinem Pferd und sieht mich erwartungsvoll an. Unschlüssig sehe ich mich um, wie ich von Maka runterkomme. Wenn ich mein Bein auf die andere Seite lege, so wie Winnetou, werde ich höchst warscheinlich das Gleichgewicht verlieren und rückwärts auf den Boden fallen. Immer noch abwartend sieht der Schwarzhaarige mich an. Geduldig steht Maka an Ort und Stelle und bewegt sich keinen Schritt. Dann kommt mir eine Idee. Ich hab William mal zugeschaut, wie er von einem Pferd gestiegen ist. Vorsicht lehne ich mich nach vorne und lege meine Arme um den Hals von Maka. Dann hebe ich mein Bein über den Rücken und lasse mich auf den Boden fallen. Ein kurzer Schmerz zuckt durch meine Knöchel. Vorsichtig bewege ich die Gelenke leicht, da sie durch das lange sitzen etwas eingeschlafen sind. Winnetou führt Chephe in den Schatten eines größeren Felsens. Nicht groß, doch groß genug, damit wir und die Pferde etwas Abkühlung bekommen. Schnell folge ich Winnetou mit Maka und lasse mich schließlich auf den Boden sinken. Der Schatten tut gut, der leichte Wind kühlt meine erhitzte Haut. Müde schließe ich meine Augen. Das Reiten hat mich angestrengt und ich denke, morgen werde ich Schmerzen in den Beinen haben, so wie immer, wenn ich neue Anstrengungen bewältigen muss. ,,Trink etwas", höre ich Winnetous Stimme neben mir. Ich öffne meine Augen und nehme den Wasserbeutel an, welcher er mir hinhält. Langsam nehme ich ein paar Schlucke und lasse es meinen ausgetrockneten Hals runterlaufen. Nach wenigen Schlucken gebe ich ihn jedoch zurück, da wir bestimmt sparen müsse. ,,Nimm mehr. Die Sonne ist stark. Wir werden gleich an einem Fluss vorbeikommen." Skeptisch sehe ich mich um. Hier in diesem Ödland ist unmöglich ein Fluss. Doch andererseits kann ich Winnetou vertrauen. Er hat mich bis jetzt kein einziges Mal enttäuscht. Und was hätte er davon, wenn ich das ganze Wasser aufbrauche und es dann kein Neues gibt? Er kennt das Land besser als jedes andere. Also öffne ich den Beutel wieder und trinke so viel, bis mein Hals nicht mehr rau ist.

Die Sonne hat ihren Höhepunkt verlassen und wandert nun immer weiter Richtung Westen. Auch wenn die Mittagshitze vorbei ist, macht Winnetou noch keinen Anschein weiter zu wollen. Mit geschlossenen Augen und doch aufmerksam ist er an den Felsen gelehnt. Also schließe auch ich nochmal meine Augen und versuche mich etwas zu entspannen. Der Ritt wird anstrengend wir werden morgen noch den ganzen Tag unterwegs sein und erst gegen Abend beim Fort ankommen. Nur der Gedanken den ganzen Tag auf Makas Rücken sitzen zu müssen lässt meine Beine leicht schmerzen.

Stolen from Britain, brought to AmericaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt