Kapitel 6

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,,Gut. Morgen, sobald die Dämmerung und der Wachwechsel stattfinden geht es los. Weiß jeder was er zu tun hat?" Ernst blickt Henry in die Runde. Betretenes nicken. Jeder weiß, dass es nicht alle schaffen können. Dennoch halten wir alle zusammen. ,,Ruby, bei dir ist alles klar?" Ich nicke. Auch wenn es mir schwer fällt, ich weiß genau was ich tun muss, damit der Kapitän abgelenkt ist. Langsam stehe ich auf. Wenn ich noch länger bleibe, dann wird es auffällig. ,,Hier. Für alle Fälle." William hält mir ein kleines Messer hin. Dankbar lächel ich ihn an und verlasse die Sklavenhütte. ,,Ruby!" Schnell trete ich aus den Häuserschatten. ,,Wo warst du?" Der Kapitän sieht mich wütend an. Ich drehe mich etwas und deute auf die Ställe. ,,Hör endlich auf deine Zeit bei diesen Gäulen zu verschwenden. Jetzt komm und mach Essen."

Während das Gemüse im Topf kocht denke ich über morgen Abend nach. Unser Plan ist vielleicht nicht der Beste, aber er wird funktionieren. Als erstes wird das Waffenlager gestürmt. Wenn etwas Chaos entstanden ist, dann legt William ein Feuer, am Zaun. Sobald genug abgebrannt ist, können alle durch den Rauch fliehen. Da es in der Nähe der Kolonie keinen Wald gibt ist vereinbart, dass wir in die Berge rennen und uns dort am Fuß des höchsten Gipfels treffen. Ich lenke den Kapitän ab, damit die Männer keine Anweisungen bekommen. Wenn er das Chaos mitbekommt und rausgeht, schleiche ich mich aus dem Haus und verschwinde ebenfalls. Hoffentlich funktioniert das alles auch genauso.

Etwas nervös sehe ich aus dem Fenster zu, wie die Sonne immer tiefer sinkt. Ich sehe Henry am Eingang der Sklavenhütte. Es geht also los. Vorsichtig ziehe ich den Vorhang vor das Fenster, damit der Kapitän nichts sieht. Dann gehe ich in die Wohnstube. Schüchtern tippe ich ihn an. ,,Was gibt es, mein Mädchen?" Ich lächel ihn an, mache eine auffordernde Handbewegung und gehe zurück ins Schlafzimmer. Keine Sekunde später folgt der Kapitän. Tief atme ich einmal durch, schließe die Tür und gehe auf ihn zu. ,,Was wird das, Ruby?" Ich lege meinen Finger auf die Lippen und trete noch einen Schritt näher. Der beißende Geruch von Tabak steigt in meine Nase. Am liebsten würde ich abbrechen. Doch die anderen zählen auf mich. Und ich will auch frei sein. ,,Oh Ruby. Ich wusste du widerstehst mir nicht lange", grinst der Kapitän und drückt mich auf das Bett. Langsam beugt er sich über mich. ,,Zeig mir, dass du es willst." Zögernd nicke ich. Ich habe keine Ahnung was ich machen muss, doch instinktiv drücke ich einfach meine Lippen auf seinen Mund. Es widert mich an. So sehr hat mich noch nie etwas angewidert. Die Bartstoppeln kratzen in meinem Gesicht. ,,So wunderschön. Unsere Kinder werden bezaubernd." Mir wird fast schlecht bei dem Gedanken. Auf einmal spüre ich seine Hand an meinem Oberschenkel. Das geht mir zu weit. Ich muss Zeit schinden. Aber wie? Auf einmal ist ein Schuss zu hören. Kurz blickt der Kapitän hoch, lässt sich aber nicht stören. ,,Bestimmt nur eine Schießübung. Wo waren wir?" Zwanghaft werden mir die rauen Lippen aufgedrängt. Ich will nicht mehr. Laute Rufe dringen durch das geschlossene Fenster. Dann ein lautes Klopfen. Knurrend steht der Kapitän auf. ,,Nie hat man seine Ruhe." Er öffnet die Tür zur Wohnstube. ,,Was?" ,,Die Sklaven", keucht jemand. Der Kapitän dreht sich zu mir um. ,,Wir sind noch nicht fertig. Du bleibst hier." Damit verlässt er das Haus. Vorsichtig schaue ich hinter den Vorhang. Draußen ist das reinste Chaos. Die Männer laufen unkontrolliert herum, Rauch vernebelt die Sicht, irgendwer hat die Pferde freigelassen und der Kapitän versucht verzweifelt alles in den Griff zu bekommen. Der perfekte Moment um zu verschwinden. Schnell greife ich nach meinem gepackten Beutel und öffne vorsichtig die Tür. An die Hauswand gepresst gehe ich in Deckung und suche mir einen geschützten Weg bis zum Loch im Zaun. Immer wieder laufe ich los und verweile kurz in meinen Verstecken. Ich bin bereits an den Ställen angekommen, als ich William entdecke, welche mit einem Mann kämpft. Ohne zu überlegen werfe ich mich auf den Mann, welcher überrascht zu Boden geht. Ein Schlag von William und er bleibt bewusstlos liegen. ,,Komm schnell." William greift nach meiner Hand und zieht mich weiter. Es dauert nicht lange, bis wir hinter dem Zaun sind. Jetzt kommt der gefährlichste Teil. Bis zum Berganfang sind es einige hundert Meter. Und auf dieser Strecke sind wir perfekte Schussziele. ,,Bei drei laufen wir los." Ich nicke William zu. Überall rennen panische Pferde und Menschen rum. Es ist zu schaffen. ,,1...2...3." Gerade will ich loslaufen, als ich zurückgezogen werde. ,,Du willst doch nicht etwa abhauen, Ruby?!" Ich blicke in das wütende Gesicht des Kapitäns. Mit meiner freien Hand taste ich nach dem Messer. Als William merkt, dass ich ihm nicht folge, dreht er sich um. Kurz zöger ich, doch dann ramme ich dem Kapitän das Messer in die Seite. ,,Du verfluchtes...", keucht er und geht zu Boden. ,,Komm." William zieht mich weiter. Immernoch geschockt starre ich auf den Kapitän. Wie im Traum zieht alles an mir vorbei. Endlich erreichen wir den Berganfang. Ich sehe mich nochmal um. Wir sind die Letzten. Alle anderen sind schon weg. Wir fangen an die Bergwand hochzurennen, als ein Schuss ertönt. Stöhnend bricht Will neben mir zusammen und rollt wieder etwas den Berg runter. Blut fließt aus seinem Bein. Sofort drehe ich um und will ihm helfen. Die Männer kommen immer näher. ,,Geh, Ruby. Ich schaff das schon." Hastig schüttel ich den Kopf. Ich kann William doch nicht hier liegen lassen. ,,Mach schon. Bring dich in Sicherheit." Noch einmal sehe ich zu den Männern aus der Kolonie. Eine Träne tropft auf seine Hand, bevor ich aufstehe und meinen Weg fortführe. Immer tiefer renne ich ins Gebirge, bis zum höchsten Berg.

Stolen from Britain, brought to AmericaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt