Ungeduldig sitze ich vor Klekih-Petras Pueblo und warte, dass er mich endlich reinholt. Ich möchte unbedingt bei William sein, wenn er aufwacht. Ein wenig weiter sitzt Winnetou ebenfalls auf dem Boden und lässt den Kapitän nicht aus den Augen. Sogar im Sitzen sieht der junge Apache eindrucksvoll aus. Die langen schwarzen Haare fallen glatt seinen Rücken runter. Da er kein Oberteil trägt, erkenne ich die Schusswunde, welche noch nicht ganz verheilt ist, aber schon sehr gut aussieht. Der Kapitän starrt mit grimmiger Miene in die Ferne. Gerne würde ich wissen, was Winnetou über ihn denkt.
,,Ruby." Sofort stehe ich auf, als Klekih-Petra aus seinem Pueblo kommt. ,,Sein Zustand ist gut. Ich habe seine Wunden versorgt und ihm eine heilende Mischung gegen das Fieber zu trinken gegeben. Er schläft jetzt, du kannst gerne bei ihm bleiben. Ich werde jetzt ein paar Sachen mit Häuptling Sakima klären. Wenn etwas ist oder er aufwacht, hast du die Erlaubnis mich sofort zu holen." ,,Danke", flüster ich kaum hörbar. Er nickt und geht dann. Mit klopfenden Herzen gehe ich in das Pueblo. William liegt auf der Liege und sieht immer noch sehr blass aus. Allerdings beruhigt es mich, dass er friedlich schläft. Leise, um ihn nicht aufzuwecken, gehe ich zu ihm und lege erneut meine Hand auf seine Stirn. Sie ist zwar immer noch heiß, aber nicht mehr so stark wie eben. Klekih-Petra hat gute Arbeit geleistet, wofür ich ihm unendlich dankbar bin.
,,Ruby?", höre ich Williams leise Stimme. Sofort schnellt mein Kopf hoch. Aus müden Augen schaut mich der Braunhaarige an. Dann ziehen sich seine Lippen zu einem Lächeln. ,,Ich habe nicht geträumt oder?", fragt er langsam und greift nach meiner Hand, als würde er nochmal eine Bestätigung wollen, dass ich wirklich hier bin. ,,Du bist wirklich da. Ich bin so froh dich zu sehen, Ruby", lächelt er. Er will sich etwas aufrichten, doch ich drücke ihn wieder zurück. Ich weiß, dass er liegen muss. ,,Wo bin ich hier?" Er sieht mich fragend an. ,,Oh richtig", murmelt er, als er bemerkt, dass er von mir keine Antwort bekommen wird. Lächelnd lasse ich seine Hand los und stehe auf. ,,Kommst du wieder?" Ich nicke, gebe ihm den Wasserbeutel, welcher neben der Liege liegt und mache mich dann auf die Suche nach Klekih-Petra.
Winnetou sitzt immer noch an selber Stelle und beobachtet den Kapitän. Dieser hängt mittlerweile mehr in den Seilen, als er selber steht. Ihm scheint die Sonne, im Gegensatz zu Winnetou, ziemlich was auszumachen. Das ist aber auch kein Wunder. Suchend sehe ich mich nach Klekih-Petra um, welchen in schließlich abseits im Schatten mit Häuptling Sakima entdecke. Kaum bin ich da, steht er auf. ,,Ist er aufgewacht?" Ich nicke. ,,Sehr gut. Bleib doch bitte einen Moment bei Häuptling Sakima, bis ich wieder da bin." Klekih-Petra geht und ich stehe etwas unwohl herum. ,,Setz dich, Ruby." Es dauert etwas, bis ich die fremde Sprache entschlüsselt habe, doch dann komme ich der Aufforderung nach. Häuptling Sakima sieht zu den Gefangenen. ,,Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle diese Menschen böse sind." Oh nein, alle werden sie kein Herz aus Hass haben. Nur der Kapitän und seine Leute. Doch leider weiß ich nicht, wer zu ihnen gehört. ,,Ich sprach auch mit Klekih-Petra darüber. Er ist ein weiser Mann. Er machte den Vorschlag, deinen Freund William entscheiden zu lassen. So wie es aussieht wurde er nicht gut behandelt. Er darf natürlich hier bleiben und ist als unser Gast willkommen. Winnetou hat dich freigelassen. Das bedeutet, ihr beide könnt zurück in eure Heimat. Ihr werdet immer im Land der Apachen willkommen sein." Ich schenke Häuptling Sakima ein freundliches Lächeln und senke dankbar meinen Kopf. ,,Nun geh zu deinem Freund. Leiste ihm Gesellschaft." Ein letztes Mal lächel ich, bevor ich wieder zurück zu dem Pueblo gehe.
,,Ruby." William fängt an zu strahlen, als ich reinkomme. ,,Wir dürfen wieder nach Hause. Hörst du? Wir können zurück nach England." Lächelnd nicke ich und setze mich zu ihm auf die Liege. Die Sache ist nur, dass ich nicht mitkommen werde. Winnetou hat mich zwei mal gerettet, für mich eine Schusswunde bekommen und sein Leben riskiert um mich zu befreien. Der ganze Stamm hat sein Leben für mich riskiert. Und ein paar wenige musste auch ihr Leben lassen. Es wäre nicht freundlich einfach zu gehen. Auch wenn ich meine Heimat vermisse, ich muss hier bleiben. Mein Gewissen plagt mich sowieso schon. ,,Freust du dich denn gar nicht?" Ermutigend lächel ich ihm zu. Er soll erst gesund werden, bevor ich ihm erkläre, dass er die Heimreise alleine antreten muss.
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Stolen from Britain, brought to America
Historical FictionRuby lebt ihr einfaches Leben in Brighton. Sie wohnt bei ihrer Tante, seit ihre Eltern nach einem Tagesausflug spurlos verschwanden. Eines Tages wird Ruby jedoch entführt und mit anderen auf ein Schiff gebracht. Sie erfährt, dass sie nach Amerika ge...