Leise Stimmen, die in der fremden Sprache sprechen, wecken mich auf. Vorsichtig richte ich mich etwas auf. Ich erkenne Klekih-Petra und der Reiter, welcher mich gerettet hat. Als sie bemerken, dass ich wach bin, verstummen sie. Der Dunkelhaarige geht ohne ein weiteres Wort raus. Klekih-Petra kommt mit einer kleinen Schüssel zu mir. ,,Ess. Danach werde ich dir alles erklären." Ich nehme ihm die dampfende Schale ab. Es riecht köstlich, es scheint eine Art Suppe zu sein. Zu lange habe ich nichts mehr gegessen. Ich nehme den fein geschnitzten Löffel und probiere etwas. Sie schmeckt etwas fad, doch da ich froh bin überhaupt wieder etwas im Magen zu haben, verschlinge ich die Suppe und die Schale ist schneller leer, als ich dachte. Klekih-Petra reicht mir noch eine Schale mit Wasser gefüllt. Ebenso wie die Suppe stürze ich das Wasser hinunter. ,,Langsam, langsam, Ruby. Es gibt von allem genug. Brauchst du noch etwas?" Ich schüttel den Kopf. Der Mann holt die Schale mit Sand und einen Stock hervor. Langsam stehe ich auf und setze mich auf den Boden. ,,Was möchtest du wissen?", fragt Klekih-Petra mich freundlich. Zurück nach Brighton male ich im den Sand. ,,Es tut mir leid Ruby, doch du kannst nicht gehen. Ich werde es dir erklären. Der Häuptlingssohn Winnetou hat dich gegen einen Gefangenen Krieger der Comanchen eingetauscht. Er hat den Krieger gefangen genommen und dafür Leder und Waffen verlangt, die er, ebenso wie dich bekommen hat. Das bedeutet, dass du ihm gehörst." Mit großen Augen sehe ich den älteren Mann vor mir an. Es hat nie ein Ende. Geflohen, Gefangen, weitergegeben zum nächsten, der mich als Sklavin hält. ,,Keine Sorge, Ruby. Winnetou ist gut gesinnt. Er wird dich mit dem nötigen Respekt behandeln, den jedes Lebewesen auf dieser Welt verdient hat. Du wirst seine Arbeit verrichten, doch es wird dir an nichts fehlen." Langsam nicke ich. Was soll ich anderes tun? Immerhin verdanke ich dem Reiter mein Leben. ,,Winnetou spricht ebenfalls deine Sprache, ich habe sie ihm gelehrt. Er weiß auch, dass du nicht reden kannst, doch ihr werdet eine angemessene Art um zu kommuniziert finden. Möchtest du noch mehr wissen?" Arbeit schreibe ich in den Sand. ,,Du meinst die Arbeit, die du verrichten musst?" Ich nicke. ,,Genau kann ich es dir nicht sagen. Doch du wirst bei der Fleisch- und Lederverarbeitung helfen, sein Pueblo sauber halten und kochen müssen." Ich wische das vorherige Wort wieder weg. Pueblo schreibe ich diesmal und sehe Klekih-Petra fragend an. ,,Ein Pueblo ist das hier." Er deutet mit den Armen um sich. Wieder nicke ich. Dann schreibe ich Wer in den Sand. ,,Du meinst wer wir sind?" Ein erneutes Nicken meinerseits. ,,Das hier ist der Stamm der Apachen. Wir leben in den Bergen, oberhalb des Rio Pecos. Es gibt noch viele weitere Stämme wie die Comanchen, bei denen du gefangen warst. Das ganze Land ist unter den Stämmen aufgeteilt, sollte ein Krieger sich in feindlichen Gebieten aufhalten, dann Gnade ihm Gott. Mit den meisten Stämmen haben wir Frieden, doch die Comanchen sind unsere ärgsten Feinde. Aber nun genug davon. Fühlst du dich stark genug zu Winnetou zu gehen, oder möchtest du dich noch eine weitere Nacht ausruhen? Er überlässt dir die Entscheidung." Mit meiner Hand deute ich auf den Eingang, welcher immernoch von dem Leder verhüllt wird. ,,Gut. Ich werde dich hinbringen." Klekih-Petra steht auf und ich folge ihm. Das erste Mal, seit ich hier bin, darf ich nach draußen.
Die grelle Sonne blendet mich und so muss meine Augen erst etwas zusammenkneifen, bevor ich etwas erkenne. Viele Menschen mit dunkler Haut, schwarzen Haaren und Lederkleidung laufen hier herum. Die ganzen Lehmhäuser sind an eine hohe Felswand gebaut. Alles ist umgeben von Bergen, nur der Fluss bahnt sich seinen Weg durch das Gestein. Ein kleiner Pfad führt den Berg hinunter und verliert sich irgendwann zwischen den Felsen. Auf dem Platz vor den Häusern, oder Pueblos, wie Klekih-Petra sie nannte, herrscht reges Treiben und die Frauen und Kinder verrichten ihre Arbeit. Viele starren mich neugierig oder gehässig an. ,,Komm, Ruby." Klekih-Petra lächelt freundlich und geht voraus, auf ein Pueblo zu. ,,Winnetou?", fragt er höflich und wartet bis das Leder sich zur Seite schiebt. Ein junger, hochgewachsener Mann kommt zum Vorscheinen. Etwas hilflos stehe ich neben Klekih-Petra und weiß nicht so recht, was ich machen soll. Der junge Einheimische macht eine einladende Handbewegung ins Innere, nachdem er mit Klekih-Petra ein paar Worte gewechselt hat. ,,Ich verabschiede mich, Ruby. Wenn du meine Hilfe brauchst, werde ich immer da sein." Er schenkt mir ein Lächeln, bevor er geht. ,,Komm." Die Stimme des jungen Mann klingt weich, anders als man es von seinem Aussehen her denkt. Zögernd gehe ich in das dunkle Pueblo rein. Es sieht fast genauso aus, wie das andere, ein Gestell welches als Bett dient und eine Kuhle, für ein Feuer. Sachen, die ich noch nie gesehen habe stehen an den Wänden oder hängen von der Decke. Unbeholfen stehe ich im Pueblo und weiß nicht weiter. ,,Klekih-Petra erzählte mir, dass du nicht reden kannst. Ich bringe dir unsere Handzeichen bei, damit wir kommunizieren können." Er spricht gut Englisch, auch wenn er einen starken Akzent hat. ,,Ich werde dir zeigen wo du dich waschen kannst", meint Winnetou. Er schiebt das Leder zur Seite und tritt nach draußen. Hastig folge ich ihm. Ich will ihn nicht verärgern, vielleicht lässt er mich dann irgendwann gehen.
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Stolen from Britain, brought to America
Historical FictionRuby lebt ihr einfaches Leben in Brighton. Sie wohnt bei ihrer Tante, seit ihre Eltern nach einem Tagesausflug spurlos verschwanden. Eines Tages wird Ruby jedoch entführt und mit anderen auf ein Schiff gebracht. Sie erfährt, dass sie nach Amerika ge...