Kapitel 3

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Die Tage vergehen und unser Plan nimmt immer mehr Form an. Noch zwei Wochen, wurde uns gesagt. Und dann sind wir noch sieben Tage mit den Planwagen unterwegs. Wenn wir an der Kolonie ankommen, machen wir uns erst ein Bild von der Umgebung, besprechen die letzten Einzelheiten und führen dann den Plan durch. ,,Wir brauchen jemanden der den Kapitän ablenkt", meint Henry nachdenklich. Ich hebe langsam meine Hand. Mittlerweile weiß jeder, dass der Kapitän ein Auge auf mich geworfen hat und er erzählt jedem, dass wir in der Kolonie heiraten werden. Ein Grund mehr abzuhauen. ,,Nein, Ruby. Wenn etwas schiefgeht, dann hast du ein Problem." Ich gebe William ein paar Handzeichen. ,,Das werde ich nicht zu lassen. Ich habe versprochen dich sicher nach Hause zu bringen." ,,Schlecht ist ihre Idee nicht", mischt sich Shelley ein. ,,Auf sie fällt der Kapitän immerhin rein. Bei einem von uns ist das zu auffällig. Möchtest du das wirklich?", fragt Joe noch einmal nach. Ich nicke. ,,Dann ist es beschlossen. Ruby, du überlegst dir etwas. Wenn er merkt, dass wir weg sind, kannst du das Durcheinander nutzen um ebenfalls zu verschwinden. Wir machen vorher einen ungefähren Treffpunkt aus, gemeinsam haben wir mehr Chancen zur Küste zu kommen. Wer nicht rechtzeitig kommt, dem können wir nicht helfen. Jeder ist für sich verantwortlich, notfalls müssen wir auch welche zurücklassen. Sind damit alle einverstanden?" Henry blickt ernst in die Runde. Er ist der Älteste von uns und so etwas wie unser Anführer. Alle Anwesenden nicken und ein zustimmendes Gemurmel kommt auf. ,,Keiner von euch verliert ein Wort hierüber. Den liefern wir sonst den Einheimischen aus." Schritte sind zu hören. Sofort setzen sich alle unbeteiligt an die Wand. ,,Ihr zwei. Mitkommen." Er deutet auf Henry und William. Ohne Widerspruch stehen die beiden auf. ,,Und du auch." Der Matrose zieht mich unsanft hoch. William und Henry werden weiter in die Küche geschickt, während ich mal wieder zum Kapitän muss. Ich kenne seinen Namen immernoch nicht. Eigentlich kenne ich von niemanden außer von uns Sklaven die Namen.

,,Ah, da kommt ja mein Mädchen", grinst der Kapitän. Eine angeekelte Gänsehaut breitet sich über meinem Rücken aus. ,,Sobald wir in der Kolonie ankommen, wirst du meine Frau werden. Wunderbar nicht wahr?" Er nimmt sich einen Apfel, in welchen er genüsslich rein beißt. Ich spüre wie mein Bauch grummel. Seit Tagen bekommen wir nur ein paar Brotkanten, gerade genug, damit wir nicht verrecken. ,,Hast du Hunger, Ruby?" Mein Name aus seinem Mund hört sich komisch an. Ich schüttel den Kopf. Lieber verhunger ich, als etwas von dem Kerl anzunehmen. Wieder dieses Grinsen. ,,Ich weiß, dass du Hunger hast. Magst du den Apfel?" Ich sehe ihn emotionslos an. Natürlich mag ich Äpfel, nachdem man tagelang nur Brot bekommen hat. Er lässt den angebissenen Apfel auf den Boden fallen. ,,Na los. Hol ihn dir. Er gehört dir." Gefasst sehe ich zu, wie das Obst wegrollt. Mit Sicherheit werde ich nicht wie ein Hund hinter dem Apfel her kriechen, um ihn zu bekommen.
Lachend erhebt er sich. ,,Du hälst dich wohl für ganz klug, was? Aber glaub mir eins, ich werde dich brechen, schneller als du denkst." Niemand kann mich brechen. Dafür habe ich schon zu viel erlebt. ,,Jetzt lass mich alleine. Oder willst du mir beim schlafen zuschauen?" Wieder dieses Grinsen auf seinen Lippen. Angeekelt wende ich mich ab und verlasse seine Räume. Niemals werde ich mich ihm fügen. Lieber sterbe ich.

Als ich zurück in den Sklavenraum komme setze ich mich wie immer neben William. Trotz des Schwachen Lichts der Petroleumlampe, erkenne ich seine aufgeplatzte Lippe. Fragend streiche ich ihm über die Wange. ,,Nicht der Rede wert. Sie hatten etwas schlechte Laune." Ich schüttel den Kopf. William sieht alles immer im Guten. Vorsichtig reiße ich ein sauberes Stück Stoff von meinem Kleid ab. Dann nehme ich meine Flasche Wasser und will ein paar Tropfen darauf träufeln. ,,Nicht." William legt seine Hand auf meine. ,,Verschwende nicht dein Wasser für mich. Es geht auch ohne." Ich schüttel seine Hand ab und tropfe trotzdem etwas auf den Stoff. Ich muss so gut wie nie schwere Arbeit verrichten, im Gegensatz zu William, also kann ich ihm etwas von meinem Wasser schenken. Seufzend dreht er sein Gesicht zu mir. Sanft entferne ich Blutreste von seinen Lippen. Leicht streiche ich über sein dunkles Auge. Das Veilchen wird schnell verheilt sein, doch wenn seine Lippe sich entzündet, dann kann das Böse enden. Hoffen wir mal das Beste.

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