"Weißt du, ob wir sterben oder nicht, das ist doch egal." Robin hob den Blick und sah Sara an. "Egal? Wieso?" Sara ließ die Augen zu Boden gesenkt und zupfte an ein paar Grashalmen herum.
"Ein Individuum von mehr als 81 Millionen Menschen." Maxi, der neben ihr im Gras lag, sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. "Und hier? In Valos?" Sara strich sich durch das braune Haar. "Es passiert nichts. Wir wachen auf, bleiben eingesperrt, schlafen wieder ein und wachen in der dritten Runde auf." Robin schloss die Augen. "Sara der Tod ist nicht so leicht." Sie lachte leise und sah ihn nun aufmerksam an. "Oh ganz im Gegenteil. Der Tod ist so viel einfacher als du denkst." Robin legte den Kopf schief. Er sah misstrauisch aus. "Ach ja?" Sara beugte sich vor.
"Du stirbst. Es ist egal wie, danach zählt das nicht mehr. Und dann? Dann bist du ausgelöscht, ohne Erinnerungen, ohne Körper und irgendwo auf diesem Planeten wird ein neuer Mensch geboren werden." Maxi runzelte die Stirn. "Ist es dann auch egal was ich im Leben getan habe?" Sara zuckte mit den Schultern. "Das ist deine Entscheidung. Nutzt du dein Leben um zu leben? Manche Menschen begehen Selbstmord. Sie beenden ihre Chancen." Maxi schnaubte. "Wir haben auch Selbstmord begangen. Indem wir dieses verfickte Angebot angenommen haben." Sara nickte schwach.
"Wir interessieren die Menschheit einen Scheiß-Dreck. 14 Tote, na und? Wir hatten eh niemanden." Robin verschränkte die Arme. "Wenn es einen Gott gibt, warum lässt er sowas zu?" Maxi setzte sich auf. Die Kapuze rutschte von seinen roten, verstrubbelten Haaren. "Er lässt so etwas zu, also kann es wohl kein Gott sein." Sara schüttelte leicht den Kopf. "Es ist die Schuld der Menschen." Robin verdrehte die Augen. "Hör auf alles auf die Menschen zu schieben." Maxi legte den Kopf schief. "Aber wessen Schuld ist es dann?" Robin schwieg. Sara auch. Sie legte sich auf den Bauch ins Gras neben Maxi und schloss die Augen. "Egal.", murmelte sie. Maxi grinste. Er ließ sich zurück auf den Rücken sinken und schloss die Augen vor dem grellen Licht. Robin blieb sitzen und sah über die grüne, weite Wiese. Wenn sie recht hatte? Menschen lebten um Taten zu vollbringen, Taten die ihren Nachfolgern nützlich sein könnten. Es war ein ewiger Kreislauf, an dem alle Menschen teilnahmen. Ja, ein einziger Mensch zählte kaum, aber einer musste anfangen damit die Massen folgten. Also hatte Sara Recht und Unrecht.
Robin stütze seine Unterarme auf den Knien ab. Vorher hatte er nie über so etwas nachgedacht. Es war ihm egal gewesen, er hatte sein Leben gelebt und sich um seinen Kram gekümmert. Dieses Projekt, so grausam es auch war, hatte ihm den grauen Lügenschleier genommen. Diese Welt war verdammt, dennoch gab es immer Menschen die glücklich waren. Die Bevölkerung Deutschlands hatte es wie der Rest der Welt getan; das Land verlassen und sich in hochmoderne, riesige Großstädte in Sektoren eingeteilt zurückgezogen. Nur noch vereinzelte, winzige Städte und Dörfer waren zurückgeblieben, in Deutschland vielleicht 150. Robin stand auf. Er spürte wie Saras Blick ihm folgte, als er zurück ins Haus ging. Drinnen war es düster. Es gab kaum Licht und die Fenster waren klein. Im Wohnzimmer saß Felix am Kamin. Er hatte ein Feuer entzündet, obwohl es recht warm war. Robin setzte sich schweigend zu ihm vor die Flammen und gemeinsam lauschten sie dem Knistern. Die roten und gelben Farben tanzten, sprühten Funken und färbten das Holz schwarz. Die Geräusche des Hauses und der Umgebung waren unwichtig. Das Feuer beruhigte ihn unheimlich. Er setzte gerade an etwas zu sagen, doch Felix hob den Hand und schüttelte kaum merklich den Kopf. Robin schloss den Mund wieder und schwieg. Es kam ihm vor, als hätte der Kater sich seit der ersten Runde verändert. Um genau zu sein nach seinem Tod. Er wusste nicht was an jenem Abend nach Yanniks Tod passiert war, doch Felix schien es mit dem sterben nicht einfach gehabt zu haben. Tim musste schrecklich grausam gewesen sein. Robin hatte mal davon gehört, dass ein Trauma meist durch Gewalteinwirkung entstand. War Felix traumatisiert?
Es war egal, die Forscher und Computergenies in der realen Welt würden ihm nicht helfen. Und plötzlich machte das Feuer ihn nervös. Er konnte hier nicht länger sitzen, nicht neben Felix, nicht vor den Flammen. Nicht vor dieser kalten Wahrheit. Robin erhob sich und ging hinauf in sein Zimmer. Erst flüchtete er vor Sara und Maxi, dann vor Felix. Unwillkürlich stellte sich ihm die Frage, ob er noch der Selbe war, wie vor diesem Projekt. Hatte das Erlebnis seines eigenen Todes irgendetwas in seinem Verstand verändert? Er trat an das Fenster und sah hinab auf die Wiese. Der Wind strich sanft hindurch, die Bäume wiegten sich leicht, doch um den jungen, blonden Mann herum war es still. In seinem Zimmer war nichts zu hören, kein Geräusch der Außenwelt, kein Geräusch vom Flur. Robin drehte sich vom Fenster weg und trat vor den Spiegel. Groß, schlank und irgendwie blass. Sein blondes Haar rahmte sein schmales Gesicht ein, die blauen Augen traten stechend hervor. Paul hatte grünblaue Augen und braunblondes Haar. Sein Gesicht war eher rundlich. Er hatte Paul getötet. Hatte die Panik in den Augen des Sterbenden gesehen. Würde Paul dasselbe in seinen Augen sehen? Panik und die Angst um das Unvermeidbare....obwohl es doch nur ein Spiel war?
Nur ein Test?
Ja, Robin hatte sich verändert.
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Der Geruch von Regen
Science Fiction"Valos" oder auch "Virtuell Avatar 01" genannt, ist ein neues Projekt, dass ein großer Schritt für die moderne Technologie werden soll. Doch bevor es auf den Markt kommt, wird es von 14 Testpersonen geprüft. Allerdings wird es für die kleine Gruppe...