Samuel sah Ari lange an.
"Wir müssen sie aufwecken, dass ist das Beste."
Samuel fuhr sich mit einer Hand durch die braunen Haare.
"Ari, vergiss nie, dass es nur hier so ist. Wenn du da draußen jemanden tötest, wird er nicht aufwachen."
Sein Partner nickte nur.
"Und wer weiß, wer von uns nachher noch die Realität von der Virtualität unterscheiden kann."
Samuel starrte ihn einen Moment an. "Du hast dich bei Ovid entschuldigt, als du ihn getötet hast." Ari nickte.
"Nur weil ich keine Wahl habe, heißt das nicht, dass ich es ausnutzen soll."
Samuel seufzte tief und pustete sich das Haar aus dem blassen Gesicht.
"Gut." Ari reichte ihm die Hand und zog ihn auf die Füße.
"Dann lass uns losgehen."
Schweigend setzten sich die beiden in Bewegung.
Eine Weile zogen sie durch den Wald, drangen immer tiefer in das Baumgewirr ein.
"Ich bin froh dich gefunden zu haben.", gestand Samuel nach einer Weile.
Ari nickte zustimmend und lächelte.
"Ich auch."
Von allen hatte er ausgerechnet Samuel getroffen und das freute ihn sehr, denn er mochte den jungen, nachdenklichen Mann.
Er kam auch mit den anderen klar, aber eine Sache des Mögens war etwas anderes.
Danach sprachen sie nicht mehr viel. Jeder war in seine Gedanken versunken.
Samuel achtete viel auf die Umgebung und ihm fiel von Mal zu Mal auf, wie unrealistisch der Wald war. Viele Blätter und Äste bewegten sich im Wind gleichzeitig in die selbe Richtung, keine Unterschiede, wie die Monotonie einer Armee.
Und auch das Rascheln der Blätter klang eintönig.
Es war keine reale Welt und das musste Samuel sich stets vor Augen halten, wenn er nicht verloren gehen wollte.
Er sah an sich herab. Seine Kleidung schlug zu wenig Falten, bewegte sich eher ruckartig mit seinem Körper mit.
Er trug eine zerrissene Hose und ein übergroßes T-Shirt.
Samuel hätte den Klamottendesigner längst gefeuert, wenn er ein Entwickler von Valos wäre.
Ari sah natürlich nicht wie ein Stock in einem Sack aus, das schwarze Shirt spannte sich über seine breiten Schultern. Er trug eine kurze Hose und Wanderstiefel, Samuel musste sich mit Turnschuhen begnügen.
Ein Knacken riss ihn aus den Gedanken und ließ ihn herumfahren. Doch der Wald hinter ihnen war ruhig und keine Menschenseele war zu sehen.
"Alles okay?", fragte Ari und musterte ihn leicht besorgt.
Samuel nickte.
"Ja...hab mich nur erschrocken."
Er schüttelte sich kurz und folgte Ari dann weiter durch dem Wald. Er hatte sich gestern schon so erschrocken, als von irgendwoher einen dumpfen Schlag und ein Rascheln gehört hatte, doch auch da war nichts zu sehen. Vielleicht war er einfach nur so überempfindlich, weil er nicht nochmal so einen Schock wie mit Ovid in der zweiten Runde erleben wollte.
Aber nicht nur bei ihm war eine so seltsame Wendung aufgetreten. Er hatte es auch bei Ari beobachtet, am letzten Tag der zweiten Runde. Der junge Mann hatte sterbend auf dem Boden gelegen und in den Regen geschaut. Als ein Blitz den Himmel erhellte war pures Entsetzten und etwas wie Angst in seinen Augen erschienen und Alex war nicht der Grund dafür.
Plötzlich packte Ari Samuel am Arm und dieser zuckte zusammen. Dann erkannte er wieso.
Nicht weit von ihnen, circa fünf Meter entfernt, standen Sara und Felix und starrten zu ihnen herüber.
"Denk daran was ich gesagt habe Samuel.", murmelte Ari nur.
Der junge Mann versuchte das selbe Gefühl einzustellen, wie in dem Moment als er Helene tötete. Pflicht, Verzweifelung und das Wissen, dass es keine Wahl gab.
Felix drückte Sara hinter sich, ehe er Aris Faust abfing und in einen engen Ringkampf mit dem attraktiven Jungen fiel.
Samuel trat zu Sara und sah sie einen Moment an.
"Nicht ersticken.", murmelte sie leise. Das brachte Samuel für einen Moment aus dem Konzept.
Sie wusste, dass sie sterben würde und sie bat ihn eine andere Methode als Ersticken anzuwenden. Also hob der junge Mann einen schweren Ast auf, doch ehe er handeln konnte, wurde er von hinten angefallen.
Felix schlug ihn zu Boden, dabei stürzte Samuel mit dem Ast und seinem gesamten Körpergewicht auf seinen Arm.
Er schrie, als ein brennender Schmerz durch seinen Arm fuhr und ein Knacken ertönte.
Da wurde Felix auch schon wieder von ihm gerissen und Ari schlug den Kopf des Asiaten gegen einen Baum. Felix stöhnte und fiel kraftlos zu Boden, Blut sickerte an seiner Schläfe hinab.
Samuel kam stöhnend auf die Beine und presste den verwundeten Arm auf seinen Körper. Blind packte er den Ast und ließ ihn wie einen Schlagstock gegen Saras Kopf krachen, die zu spät Anstalten machte auszuweichen. Die junge Frau fiel wimmernd zu Boden und Samuel versetzte ihr mit dem breiten Astende einen heftigen Stoß gegen die Stirn.
Als er wieder zu klarem Bewusstsein geriet, lag sie bereits reglos auf dem Boden, während Ari mit Felix einen kurzen Prozess machte.
Der Asiate lag auf dem Bauch, versuchte halb betäubt sich zu wehren, als Ari seinen Kopf zur Seite drehte und sich mit dem Knie auf den Nacken stütze, bis ein ekelerregend Knacken die Stille durchbrach.
"Es fühlt sich so falsch an.", murmelte Samuel und starrte auf Saras Körper.
Ari trat schwer atmend zu ihm und wischte seine Hand an der Hose ab.
"Es fühlt sich sehr viel falsch an. Aber hatten wir eine Wahl?"
Ja. Samuel sprach es nicht laut aus. Stattdessen holte er zu Ari auf und raschen Schrittes verließen sie den Tatort.
So schnell, es war so schnell gegangen. Bei Helene hatte sich der Tod ewig angefühlt, lang wie eine Ewigkeit und jetzt? Felix und Sara waren so leicht gestorben, wie man ein Streichholz zerbrach.
Samuel spürte die Schuld, hörte sein Gewissen und redete sich ein, dass es nötig gewesen war.
Schon wieder war er ein Mörder. Und vielleicht würde er es nochmal werden.
Was zählte das schon, jetzt wo er gefangen in diesem Projekt war?
Das zweite was er sich einredet, war, nicht gesehen zu haben wie Ari Felix umbrachte.
Doch er hatte es gesehen...und es saß tief in ihm.
Angst...so viel Angst und Leid und Hass und Tod...und...Schmerz.
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Der Geruch von Regen
Science Fiction"Valos" oder auch "Virtuell Avatar 01" genannt, ist ein neues Projekt, dass ein großer Schritt für die moderne Technologie werden soll. Doch bevor es auf den Markt kommt, wird es von 14 Testpersonen geprüft. Allerdings wird es für die kleine Gruppe...