Name: Alexander Herlitz
Alter: 22 Jahre
Eingewiesen wegen:
Schwere DepressionenAb wann ist man ein Mörder?
Ab dem Moment, in dem man tötet? Oder wenn man plant?
War Alex ein Mörder, auch wenn es nur virtuell gewesen war?
Zählten Gamer dann nicht auch als Mörder?
Alex saß auf seinem Bett, zupfte an der schwarzen Stoffjacke herum und sah auf die Bettdecke.
Er wünschte jemand könnte ihm den endlosen Fragenfluss beantworten.
Doch sein Psychiater stellte oft Gegenfragen und mit anderen hatte er bisher nicht geredet.
Alex redete mit dem Mann nur über die Themen, die "relevant" waren.
Warum er getötet hatte, warum er nicht weinte.
Letzteres wusste Alex selber nicht.
Er war ein seelisch schwer verletzter Mann, hatte Menschen umgebracht und war gestorben, dennoch weinte er nicht. Er weinte einfach nicht.
Seine Augen waren tränenleer, sie wurden nicht mal feucht wenn er darüber sprach.
Über seine Tode, seine Morde.
Des Psychiaters größte Mission war wohl, herauszufinden warum Alex seine blutige Hand auf die nasse Fensterscheibe gelegt hatte. Er hatte die Videoaufnahmen gesehen um Alex besser kennen zu lernen und diese Sitaution schien ihn wohl sehr beschäftigt zu haben.
Er sprach die Frage nicht aus, das entsprach nicht seinem Job. Er fragte drumherum.
Aber wie sollte Alex auf eine Frage antworten, wenn er die Lösung selbst nicht wusste?
"Warum hast du getan, was man von dir verlangt hat?"
"Ich weiß es nicht."
"Doch das tust du. Du versuchst nur es nicht zu wissen."
Natürlich wusste Alex warum er getötet hatte, bestimmt wusste er es. Aber er wollte sich nicht erinnern, wollte es sich nicht vor Augen rufen.
Zwei Mal hatte er Blut fließen lassen, einmal hatte er bei einem Mord mitgeholfen.
Und Maxi hätte den Kampf in der dritten Runde mit Sicherheit nicht überlebt, wenn er nicht so ein hartgesottener Kerl wäre.
Alex war froh, dass Maxi überlebt und er gestorben war.
Er wollte nicht ein zweites Mal Mörder an dem Tiger sein.
Er hasste Paul immer noch für den grauenvollen Mord durch Stromschlag.
"Was war der größte Fehler deines Lebens, Alex?"
Nicht einen Menschen zu töten.
"Die Einladung für das Projekt anzunehmen."
"Du mochtest dein Leben davor mehr."
Nein. Mein Leben war scheiße seit meine Kindheit endete.
Als er eingeschult worden war.
Da hatte es angefangen und dann nicht mehr geendet.
Sein Leben lief rückwärts den Berg runter, wenn man es so sagen wollte.
Seit er eingewiesen worden war, hatte sein Bruder ihn nicht besucht. Laut Gesetz hätte er ihn einmal unter Polizeiaufsicht besuchen dürfen, doch er kam nicht.
Seine Eltern sowieso nicht.
Das war ihm aber auch egal, alleine klar zu kommen hatte er schon früh gelernt.
Er wünschte, dass Ari hier wäre, wenigstens einer der ihn verstanden hätte und ihm gut getan hätte.
Aber Ari durfte aus irgendwelchen Gründen nicht kommen und deshalb blieb Alex alleine.
"Warum hast du gekämpft?"
Ja, warum?
Keine Ahnung. Weil ich nicht sterben wollte?
Der Psychiater stellte schwierige Fragen und oft schwieg Alex dann einfach.
Er verbrachte die meiste Zeit eh auf seinem Bett oder mit einer Decke im Sitzsack am Balkonfenster.
Essen bekam er aufs Zimmer.
Menschen mied er.
Alex stand auf und ging zu seinem Sitzsack. Er wickelte sich in die flauschige Decke, legte den Kopf zurück und sah aus dem Fenster.
Es regnete, der Himmel war von bleigrauen Wolken bedeckt.
Überall waren Pfützen und ein kalter Wind fuhr durch die Bäume.
"Hattest du Angst?"
"Ich glaube schon. Es gab wenige die keine Angst hatten."
Die Tropfen flossen an der Scheibe hinab, änderten immer wieder ihre Richtung und hinterließen einen nassen Weg.
Alex sah sich selbst in der Spiegelung. Blass, etwas müde und als hätte er schon lange nicht mehr gelacht. Hatte er auch nicht, genauso wenig wie geweint.
Er fühlte sich alt, als hätte er ein ganzes Leben hinter sich.
Aber wenn man bedachte wie oft er schon getötet und wieder gelebt hatte, war es gar nicht mal so unwahrscheinlich.
"Der Raum in dem du warst. Wie hat er auf dich gewirkt?"
"Beengend. Kahl. Fast wie mein Leben."
"Dein Leben?"
"Ja. Kein Wunschleben. Ein graues Blatt Papier, ein schiefer Ton, ein sterbendes Tier, eine endlose Schlucht. Ein schwarzes Loch. Wie im Weltall."
Alles scheint um einen herum, die Sternen und Sonnen strahlen, Kometen und Meteore...nur ich selbst bin ein endlos schwarzes Loch.
Alex schloss die Augen und lauschte dem Rauschen des Regens, bis er einschlief.
Sein Psychiater fand ihn zusammengerollt im Sitzsack.
Selbst im Schlaf war da eine kleine Sorgenfalte auf seiner Stirn. Er atmete leise, schnell und zuckte ein paar Mal.
Alex sah so erschöpft und so schwach und hilflos aus, er hätte das Herz einer jeden Mutter zum Bluten gebracht.
Sein Psychiater ließ ihn schlafen.
Als der junge Mann wieder aufwachte saß sein Betreuer an dem Tisch in der Mitte des Raumes. Alex drehte ihm den Kopf zu und sah ihn schweigend an.
"Es ist nicht nur für dich schwer Alexander. Viele Menschen haben es schwer auf dieser Welt und ich wünschte ich könnte ihnen allen helfen. Da ich das aber nicht kann, beschränke ich mich auf die kleine Zahl, meine Patienten. Ich möchte dir helfen." Alex schwieg.
Weiche Menschen wie dieser Mann wollten immer helfen, wo sie konnten.
Wollten die Welt verändern, mit kleinen Taten Leben retten.
Und Alex verstand ihn.
"Sie können nicht jeden Patienten retten.", sagte er leise.
Der Doktor runzelte die Stirn.
"Der Verstand ist etwas sehr seltsames und kompliziertes. Körperliche Wunden zu heilen ist fast schon leicht im Vergleich zu psychischen. Wie wollen sie etwas Unsichtbares heilen?"
Der Psychiater stand auf und kniete sich neben Alex. Einen Moment sah er schweigend aus dem Fenster.
"Mit Zeit und Geduld."
Alex strich sich durch das braune Haar.
"Zeit heilt keine Wunden. Man lernt nur damit zu leben."
Der Psychiater sah ihn an.
"Ich denke, dass du ein sehr kluger Mann bist. Und ein starker Charakter. Ich habe große Hoffnungen bei dir."
Er lehnte sich gegen das kalte Fenster.
"Manchmal wünschte ich, ich wäre dumm und wurde das alles nicht verstehen.", murmelte Alex.
Die Dummen sind glücklich und die Schlauen leiden.
"Du möchtest doch auch wieder ein schönes Leben führen, oder?"
Alex zuckte mit den Schultern.
Natürlich wollte er das, aber nicht, wenn er sich immer erinnern müsste.
Und die einzige Möglichkeit vor den Erinnerungen zu fliehen, war der Tod. Bis er sterben würde, konnte es noch Jahrzehnte dauern.
Alex musste unwillkürlich an Ovid denken, wie er sich in der zweiten Runde in den Schatten verzogen hatte.
Wie eine Erinnerung, nicht zu sehen, aber immer da.
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Der Geruch von Regen
Science Fiction"Valos" oder auch "Virtuell Avatar 01" genannt, ist ein neues Projekt, dass ein großer Schritt für die moderne Technologie werden soll. Doch bevor es auf den Markt kommt, wird es von 14 Testpersonen geprüft. Allerdings wird es für die kleine Gruppe...