Um etwa 13 Uhr desselbigen Tages, an dem sie angekommen waren, wachten die drei auf. Maxi stand als erstes auf und kramte rasch ein paar frische Kleidungsstücke zusammen.
Robin zog sich nur knurrend den Schlafsack über den Kopf und Sara setzte sich gähnend auf.
"Was willst du machen?", fragte sie Maxi murmelnd.
"Duschen.", antwortete der junge Mann knapp.
Sara rieb sich über die Augen und sah ihn dann aufmerksam an.
"Wir haben hier Wasser?"
Nun lugten auch Robins blaue Augen aus dem Schlafsack hervor um ihn interessiert zu mustern.
"Ja. Das Haus ist mit dem Wasser- und Stromnetz vom nächstgelegenen Dorf verbunden. Ich habe euch ja bereits davon erzählt. Es ist nicht so modern wie die Klein- geschweige denn Großstädte, die Systeme sind veraltet.
Es wird niemandem auffallen, wenn wir hier ein bisschen Wasser abzapfen. Und für Strom haben wir ja selber Solarlampen."
Er deutete auf den Lichtwürfel.
"Noch Fragen euer Ehren?"
Sara lächelte.
"Ja, aber die kann ich nacher noch stellen. Genieß deine Dusche."
Maxi nickte knapp, drehte sich zackig um und entfloh den Blicken der beiden.
Die einzigen Duschen des Hauses befanden sich in dem ehemalig als Umkleide genutzten Raum.
Spinde säumten die Wände und etwas Tageslicht fiel durch die milchigen Fensterscheiben.
In dem schwachen Licht sah Maxi den Staub aufwirbeln, als er seine Kleidung auf die Bank fallen ließ.
Handtücher und Shampoo würde er sich noch von dem Jeep holen müssen - zumindest die paar wenigen, die sie dabei hatten.
Auf dem Hin- und Rückweg vom Auto, sperrte er alle Türen auf, die er verschlossen vorfand und nahm sich vor, die Räume dahinter nach dem Duschen mit den anderen zu inspizieren.
In dem kühlen Umkleideraum ließ Maxi das Wasser einen Moment lang laufen, bis der gröbste Schmutz und Dreck aus den Rohren gespült war.
Tatsächlich waren die Duschköpfe noch sehr gut instand und es war möglich in einem stetigen Strahl Wasser abzubekommen.
Es war eiskalt, aber Maxi ließ sich davon nicht abschrecken.
Die beißende Kälte weckte seinen müden Geist und die erschöpften Muskeln. Es war ein gutes und befreiendes Gefühl, aber er mahnte sich trotzdem, nicht zu viel des wertvollen Wassers zu nutzen.
Auch mit dem Shampoo und Duschgel musste er sorgsam umgehen, zu dritt mussten sie sparsam sein.
Schließlich war er fertig, trat aus der Dusche und zog sich an.
Missmutig merkte er, dass er ein Oberteil vergessen hatte.
Als er sich in dem Raum umsah, um sicherzugehen, dass er nicht wirklich ein Hemd vergessen hatte, fiel sein Blick auf einen Spiegel, der in der oberen Ecke einen Sprung hatte.
Maxi trat näher heran und sein Angesicht wurde deutlicher.
Unter den Augen hatte er tiefe Ringe, seine Wangen schienen hohler geworden zu sein, aber das war ihm schon in der Klinik aufgefallen.
In diesem gesamten Jahr und während der Flucht hatte er stark abgenommen. Der ehemals so breite Körper wirkte nun drahtiger. Seine Muskeln stachen deutlicher hervor, ebenso aber auch die Knochen.
Sein rotes Haar war lang geworden, hing ihm nun bis zur Nase hinunter.
Und auf seinen Wangen zeigte sich nun erstmals der Ansatz von Bartstoppeln.
Er sah wahrlich nicht aus wie ein Sieger, ein Champion.
Eher, wie ein ausgehungerter Zirkustiger - wie es sie damals gegeben hatte - der nun unruhig vor seinen Gitterstäben auf und ab lief.
Und trotzdem fühlte er sich lebendiger und wirklicher als je zuvor.
Maxi wandte den Blick von seinem geschwächten Körper ab und verließ raschen Schrittes die Umkleide.
Tief in Gedanken versunken lief er zurück zu seiner Schlafstätte und kramte in dem großen Rucksack nach einem Hemd.
Erst, als er merkte, dass weder Robin noch Sara sprachen, hob er den Blick.
Beide starrten ihn an, oder besser gesagt die hässliche Halbmondnarbe auf seiner Brust.
Als Robin seinen Blick spürte, wandte er sich errötend ab, aber Sara erwiderten ihn.
Maxi seufzte leise und ließ das eben hervorgezogen Holzfällerhemd sinken.
"Ihr wollt wissen, woher dieses Scheusal kommt, nicht wahr?"
Sara sah ihn unverwandt an.
"Ein Nein wäre gelogen. Aber du musst es uns nicht erzählen."
Maxi setzte sich zwischen Sara und Robin und nun hob auch dieser wieder den Blick.
Vorsichtig, fast zärtlich, streckte Sara eine Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen über den roten Wulst.
Maxi hasste das Gefühl und wich automatisch zurück. Sofort ließ Sara die Hand sinken, schwieg aber.
Maxi sah aus dem Fenster in die Tiefen des grünen Waldes und krallte seine Hände in den Stoff des Hemdes, welches er immer noch umklammert hielt.
"Ich...bin noch nicht bereit dafür. Vielleicht werde ich es nie sein.
Diese Narbe gehört meiner Vergangenheit an und mit der wollte ich abschließen."
Jetzt nahm er all seinen Mut zusammen und griff nach Saras und Robins Händen.
Seine Stimme stockte, als er weiter sprach.
"Vielleicht können wir es hierbei belassen..." Er holte tief Luft.
"Die Geheimnisse meiner Vergangenheit mögen auch dort bleiben, aber meine Zukunft soll euer Privileg sein."
Robins Hand drückte seine leicht und Sara lächelte ihn an.
"Wenn das dein Wunsch ist, wird es so sein."
Robin nickte zustimmend und der Blick der eisblauen Augen war nicht kalt.
Sara löste sich von Maxi und stand auf. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah zu den beiden jungen Männern herab.
"Also ich hab Hunger. Und würde gerne das Haus sehen. Das kann ich aber auch alleine machen, wenn ihr noch nicht mit Händchenhalten fertig seid."
Sofort zogen Maxi und Robin fast schon beschämt ihre Hände zurück, aber Sara lachte nur neckisch und zwinkerte ihnen zu.
Es war das erste Mal, dass Maxi sie lachen hörte und es war das schönste Lachen, dass er je gehört hatte.
Und dem Tiger wurde bewusst, dass er endlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.
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Der Geruch von Regen
Science Fiction"Valos" oder auch "Virtuell Avatar 01" genannt, ist ein neues Projekt, dass ein großer Schritt für die moderne Technologie werden soll. Doch bevor es auf den Markt kommt, wird es von 14 Testpersonen geprüft. Allerdings wird es für die kleine Gruppe...