Als Helene aufwachte war es nicht hell. Und doch war es früher Morgen. Dunkle Wolken hingen am Himmel und Regen prasselte herab. Die Berge waren nicht mehr zu sehen und das, obwohl sie so nah waren. Ari lag neben ihr, er hatte sich klein gemacht und hielt in der Hand ein Messer. Er schlief noch, doch sogar im Schlaf sah er angespannt aus. Helene stand so lautlos wie möglich auf und trat ans Fenster. Ein leises Rumpeln ertönte unter dem Rauschen des Regens. Es gewitterte und nirgendwo war ein Ende der düsteren Wolkendecke zu sehen.
Als sie sich umdrehte war Ari wach. Er lag noch auf dem Bett, das Messer in der Hand, aber er sah sie aus seinen braunen Augen wachsam an.
"Und jetzt?", fragte sie leise. Ari wusste es selber nicht. Die Runde würde nicht enden, bevor entweder die Opfer oder die Mörder gewonnen hatten. Also warteten sie auf ihren Tod, oder töteten die anderen. Helene und Ari hatten auf keines von beidem Lust.
Dennoch stand der junge Mann auf. "Komm, wir gehen runter." Schweigend folgte die junge Frau ihm, doch ihr Blick war stets überall um sich zu versichern, dass niemand da war.
Unten im Wohnzimmer war es nicht heller, doch Ari schaffte es ein Feuer zu entfachen. Gemeinsam setzten sie sich mit einer Decke an den Kamin und lauschten den Flammen, dem Regen und dem Donnergrollen.
Es schien eine Ewigkeit so zu vergehen, wie sie einfach gemeinsam dort saßen und auf das Verstreichen der Zeit warteten. Ihre Gedanken bewegten sich dabei viel mehr, als ihre Körper.
Ari musste an die Toten denken. Wie sah die Lage da draußen aus? Und warum zum Teufel hatte Robin den Feueralarm ausgelöst? Was würden die Regeln in Runde 3 sein? Ari hasste den Professor. Der Mann quälte sie alle und es gab Leute, die ihm dabei auch noch halfen!
So etwas Unwürdiges hatte er sich nie auch nur vorstellen können, doch nun hatte er es selbst erlebt. Und es war unverzeihlich. Ari hatte bemerkt wie die anderen mit ihrem Verstand an dieser Belastung leideten, daran verzweifelten. Und er selbst spürte es auch, versuchte es nur zu unterdrücken. Aber es war vermutlich eine psychische Krankheit, und solche konnte man nicht vermeiden.
Was würde er hiernach haben, ein Trauma, Neurose?
Er warf einen kurzen Blick auf Helene. Sie hatte die Knie angezogen, die Augen geschlossen und schien in einer ganz eigenen Welt zu sein. Ob diese wohl besser war als Valos oder die Erde?
"Helene?" Sie öffnete die Augen, wandte sich ihm aber nicht zu.
"Ari?" Der Klang ihrer Stimme beruhigte ihn, versicherte ihm, dass er nicht alleine war.
"Warum hast du niemanden mehr?" Helene schluckte und schloss wieder die Augen.
"Ich hatte einen kleinen Bruder und zwei liebende Eltern. Mein Vater ist im Krieg gefallen, meine Mutter hat meinen Bruder mit einer tödlichen Krankheit angesteckt, als sie aus Asien zurück kam. Ich war derzeit bei meiner Tante väterlicherseits und wurde dadurch nicht angesteckt. Aber..." Sie holte tief Luft und ihre Schultern bebten.
"Ich durfte bei Tante und Onkel leben..." Wieder holte sie tief Luft. "Mein Onkel...war ein Pädophiler. Er hat sich an mir und meiner Tante vergriffen."
Sie vergrub rasch wieder das Gesicht unter den Armen.
Ari konnte sie nur anstarren. Er hatte schon viele harte Sachen aus der heutigen und auch damaligen Zeit erfahren, allerdings noch nie so etwas Würdeloses. Unwillkürlich legte er ihr eine Hand auf die Schulter.
"Ich...das tut mir schrecklich Leid." Helene nickte nur schwach. "Und du dachtest...hier fändest du einen Neuanfang?"
Wieder nickte Helene.
"Aber ich fand das Ende. Vielleicht ist das gut so." Ihre Stimme klang erstickt.
Ari schluckte. Das Ende...
War das hier das Ende? Für sie alle?
Plötzlich fuhr er durch ein Geräusch hinter sich zusammen, auch die junge Frau schreckte auf. Beide fuhren herum, konnten noch gar nicht begreifen was passiert war, als die drei Mörder auch schon zuschlugen.
Ja, das war das Ende.
Ovid traf Ari mit dem stumpfen Ende des Beils an der Schläfe und der junge Mann verdrehte die Augen und kippte zur Seite.
Helene schrie und trat Paul gegen den Oberschenkel, doch dieser knurrte nur vor Schmerz und zog ihr dann mit einer Holzlatte eines über.
Es war die selbe, die Maxis Tod eingeleitet hatte.
Kurz darauf lagen die beiden reglos auf dem Boden.
Paul rieb sich den Oberschenkel.
"Gut. Helene bringen wir in den Schuppen, Ari gefesselt in das Badezimmer. Und schließt die Zimmertür ab wenn das möglich ist." Ovid nickte und packte Ari unter den Armen.
Alex nahm dessen Füße und stöhnte vor Schmerz auf, als seine gebrochenen Finger belastet wurden. Gemeinsam trugen sie ihn die Treppe hinauf und legten ihn ins Mädchenbadezimmer. Alex löste das Seil aus seinem Gürtel und reichte es Ovid. Dieser band mit ein paar geschickten Griffen Aris Hände auf dessen Rücken zusammen und mit dessen Gürtel auch die Beine.
Draußen auf dem Gang holte Ovid einen Stuhl aus einem angrenzenden Zimmer und blockierte so die Klinke.
Das ganze geschah ohne, daß die beiden ein Wort wechseln mussten. Rasch liefen sie zu Paul ins Wohnzimmer und Ovid packte ein weiteres Mal mit an um die junge Frau in den Schuppen zu verfrachten. Dieser war nur vom Haus aus zugänglich, nicht von außen.
Drinnen war es dunkel und sie legten Helene auf den kalten Steinboden, ehe sie die Tür schlossen und sich auf den Weg in den Keller machten.
"Wir haben sie getrennt. Und jetzt?" Paul grinste nur zufrieden.
"Jetzt spielen wir eine Runde Katz und Maus mit ihnen."
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Der Geruch von Regen
Fiksi Ilmiah"Valos" oder auch "Virtuell Avatar 01" genannt, ist ein neues Projekt, dass ein großer Schritt für die moderne Technologie werden soll. Doch bevor es auf den Markt kommt, wird es von 14 Testpersonen geprüft. Allerdings wird es für die kleine Gruppe...