Kapitel 19

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Was hat dich nur so zerrissen?
Was hat dich so sehr verletzt?
Was hat dich,dein Herz und dein ganzes Leben so sehr zerfetzt?

Ich wurde von einem starken ruckeln an meiner Schulter, langsam aus dem Schlaf gerissen.
Müde schlug ich meine Augen auf und sah direkt in Raffis Gesicht, welcher mich geweckt hatte.
"Wir haben vergessen uns einen Wecker zu stellen."
Als ich seine Worte langsam realisierte, setzte ich mich auf und sah ihn entgeistert an.
"Wie spät ist es denn?"
"Kurz nach acht."
"Na toll."
Ich stand auf und nahm mir schnell ein paar Sachen aus meinem Schrank, danach verschwand ich im Badezimmer.
Ich beeilte mich mit dem anziehen, putze schnell Zähne und machte meine Haare ein wenig zurecht.
Als ich wieder in mein Zimmer kam war Raffael bereits angezogen und drängte sich hinter mich in mein Badezimmer um sich ebenfalls die Zähne zu putzen und sich die Haare zu machen.
Als er damit fertig war, schnappten wir uns schnell unsere Taschen, rannten runter, zogen uns unsere Schuhe und Jacken an und stiegen dann in sein Auto.
"War ja eigentlich klar, dass sowas passiert." sagte er.
Wir sahen uns an und mussten beide anfangen zu lachen.
"Aber es hat auch was gutes, wir müssen das Referat erst morgen halten."
"Wenn wir gut durch kommen und so in 15 Minuten da sind, nimmt sie uns bestimmt mit Absicht noch dran." sagte Raffi und seufzte.
"Willst du auch einen Kaffee?" fragte er ein paar Minuten später und fuhr auf den Parkplatz der Tankstelle.
"Ja, gerne."
Es dauerte nicht lange, da kam er mit zwei heißen Bechern Kaffee wieder und drückte mir einen davon in die Hand, bevor er Einstieg.
"Dann kommen wir halt noch später, ist mir mittlerweile auch ziemlich egal." sagte er nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte.
Mir kam das auch ganz recht.
Ich hatte eh keine besonders große Lust ein Referat vor einer Klasse zu halten, die ich eigentlich noch gar nicht wirklich kenne.
Die nächsten 10 Minuten Autofahrt verliefen schweigend und mir wären beinahe wieder die Augen zugefallen, aber da parkte Raffael sein Auto schon auf dem Parkplatz der Schule.
Wir stiegen beide aus und gingen dann auf den Eingang zu.
Bevor wir rein gingen, schmissen wir unsere Kaffeebecher noch in den Mülleimer, unsere Lehrerin sollte schließlich nicht komplett sauer werden.
Vor dem Klassenraum stoppten wir kurz und stritten spaßeshalber darüber wer jetzt klopft.
Diese Entscheidung wurde uns jedoch relativ schnell abgenommen, da unsere Lehrerin die Tür aufriss und uns beim raus gehen noch fast umlief.
"Ach, ihr beide lasst euch heute auch noch blicken? Da habt ihr ja Glück gehabt, ihr beide müsst erst morgen halten." sagte sie zu uns und ging dann mit ein paar Zetteln in der Hand weiter.
Wir grinsten uns beide kurz an und gingen dann zusammen in den Klassenraum, wo uns fast jeder Augenblicklich ansah.
Die meisten sahen gleich wieder weg, doch ich achtete nicht wirklich auf die anderen.
Mein Blick war auf dem weg zu meinem Platz nur auf eine Person gerichtet, Stegi.
Irgendwie hatte ich heute erwartet, dass er mich ansehen würde, wenn auch nur ganz kurz.
Aber wie auch die letzten Male hatte er seinen Kopf auf seine Arme gelegt und sah aus als würde er schlafen.
Aber immerhin war er heute wieder da.
Damit es nicht noch auffallen würde, wie ich ihn anstarre, stellte ich meine Tasche neben meinen Tisch und ließ mich dann auf meinen Platz fallen.
Kaum saß ich wieder, kam die Müdigkeit wieder zurück, schlimmer als zuvor.
Ich konnte ein lang gezogenes gähnen nicht unterdrücken und ließ dann meinen Kopf ebenfalls auf meine Arme sinken.
Nur sah ich dabei trotzdem nach vorne, ich wollte nicht gleich zu Anfang einen schlechten Eindruck machen.
"Wieso sind du und Raffi zu spät? Kenn ich gar nicht von ihm, passiert ihm so selten."
"Er hat bei mir gepennt und wir haben vergessen den Wecker zu stellen."
"Achso. War Tobi gar nicht bei ihm? Die beiden hocken doch sonst immer aufeinander."
Wir mussten beide kurz grinsen, weil seine Aussage mehr als nur ein bisschen zweideutig war.
"Die beiden hatten sich ein wenig gestritten und dann ist er spontan zu mir gekommen, um ein wenig zu reden."
"Ah okay. Ihr beide seid schon ziemlich dicke."
"Ja, kann sein. Ich will mich nicht dazwischen drängen oder so, wir kommen halt nur gut miteinander klar."
"Nein alles gut, so war das auch nicht gemeint. Ich freu mich, dass du so gut in unsere Gruppe passt, die anderen mögen dich alle total und ich auch."
Er lächelte mich kurz an und drehte sich dann wieder zurück nach vorne.
Ich tat es ihm gleich, denn unsere Lehrerin war wieder zurück und fing an Zettel auszuteilen.
Die Zettel stellten sich als Handout heraus und zwei Mädchen aus der Klasse fingen an, ihr Referat zu halten.
Da eigentlich alles wichtige schon auf dem Zettel stand, nutzte ich die Chance um ein wenig abzuschalten.
Mein Blick fiel wie schon so oft auf den Jungen neben mir.
Er saß mittlerweile wieder und sah nach vorne, wo die Mädchen das Referat hielten.
Ab und zu schrieb er sich ein bisschen was auf und sah dann wieder konzentriert nach vorne.
Er sah heute ein wenig besser aus.
Seine Kleidung sah sauber aus und ich konnte auch keine Löcher ausmachen.
Seine Augenringe waren nicht mehr ganz so schlimm wie gestern, vielleicht konnte er ein wenig besser schlafen.
Sein Gesicht war so blass wie immer, aber ich konnte keinen violetten Schimmer mehr ausmachen.
Wahrscheinlich hatte ich mir das gestern doch nur eingebildet.
Ich sah ihn noch eine ganze Weile an, bis er es dann zu bemerken schien und seinen Kopf in meine Richtung drehte.
Seine Augen sahen mich kalt an, fast noch kälter als die anderen male.
In ihnen glitzerte eine unterdrückte Wut, die mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Auch wenn ich mir sicher war, dass sie nicht mir galt und wenn, dann nur ein winziger Teil davon, zog sich in mir etwas zusammen.
Trotz dieser Wut in seinen Augen, konnte ich noch etwas anderes ausmachen.
Unendliche Traurigkeit.
Ihn ihnen lag eine schon fast unerträgliche Verzweiflung und alles was ich wissen wollte war, warum?
Was hatte ihn so zerbrochen?
Kann allein der Tod zwei geliebter Menschen so viel anrichten?
Einen Menschen so kaputt machen?

Stexpert - Don't give up (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt