Kapitel 48

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Warum fällt es den einen so leicht, sich zu öffnen und den anderen nur so schwer?

Am nächsten Morgen wachte ich deutlich erholter und auch um einiges motivierter auf, als am Tag zuvor.
Es war gerade mal 7 Uhr, also beschloss ich Brötchen holen zu gehen, da die anderen noch schliefen.
Ich zog mich schnell an, schnappte mir dann alles was ich brauchen würde und ging los.
Ich ließ mir eine Menge Zeit und genoss die frische Luft.

Als ich nach einer Weile wieder zu Hause ankam, fing ich an den Tisch zu decken und nach und nach wurde auch der Rest meiner Familie wach.
"Das ist aber lieb von dir." sagte meine Mutter als sie in die Küche kam.
Sie setzte den Kaffee auf und half mir dann bei dem Rest.
Es war lange her, das wir an einem Sonntag Morgen alle zu Hause waren und zusammen Frühstücken konnten.
Ich merkte erst jetzt, wo es so weit war, wie ich das vermisst hatte.
In diesem Moment fühlte sich alles ein wenig normaler an, ein kleines Stückchen weniger leer in mir.
Ich seufzte und meine Mutter sah mich ein wenig verwirrt an, sagte aber nichts.
Nachdem wir alles fertig hatten kamen auch mein Vater und Ben runter und setzten sich an den Tisch.
Wir saßen lange zusammen da, aßen und redeten.
Holten das auf, was wir in letzter Zeit versäumt hatten. 

Nach dem Essen hatten wir noch lange zusammen gesessen, sodass wir das Mittagessen ausfallen ließen.

Ich half meinem Bruder noch eine Weile bei seinen Hausaufgaben, ich hatte zwar keine große Lust dazu, aber er hatte lange nicht mehr gefragt, also wollte ich nicht Nein sagen.

Danach hatte ich noch lange mit Raffael telefoniert. Ich hatte ihm nicht gesagt, was Tobi mir erzählt hat, auch wenn es mir schwer fiel.
Ich hoffe einfach, dass er bald mit ihm redet und die beiden sich dann wieder vertragen.

Der Nachmittag ging ziemlich schnell vorbei und um 17 Uhr beschloss ich, laufen zu gehen.
Wir wollten so gegen 19 Uhr essen, also hatte ich noch genug Zeit.
Ich zog mich schnell um, sagte meinen Eltern Bescheid und lief dann los.

Wie immer tat mir die frische Luft und die Bewegung gut und mein Kopf wurde nach und nach immer leerer.
Für einen kurzen Moment verschwanden meine Sorgen und ich war frei.
Leider verging dieser Moment viel zu schnell, als mein Handy klingelte.
Meine Mutter rief mich an und entnervt ging ich ran.

„Was ist denn? Ich hab doch gesagt ich gehe laufen."
„Ja ich weiß, du musst aber bitte sofort nach Hause kommen."

Ich wollte sie gerade fragen was los ist, aber sie hatte schon aufgelegt.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich Panik bekam und rannte so schnell wie möglich wieder zurück.

Völlig außer Atem kam ich wieder zu Hause an und wurde schon von meiner Mutter erwartet.
Sie lehnte in der Haustür und sah mich besorgt an, was mich nur noch mehr verwirrte.

„Was ist denn los?"
„Stegi sitzt in der Küche. Ich weiß nicht was passiert ist, er redet nicht mit mir."

Seufzend trat ich ins Haus ein und stellte meine Schuhe im Flur ab.
Einerseits freute ich mich, das Stegi hergekommen ist, andererseits hatte ich aber auch Angst.
Es musste einen guten Grund haben, das er jetzt hier ist.
Und als ich in die Küche trat und ich in sein Gesicht sah, da wusste ich, er hatte einen Grund.
Am liebsten wäre ich jetzt auf ihn zu gegangen und hätte ihn in den Arm genommen.
Ganz fest und nie wieder los gelassen.
Aber ich wusste, das er das nicht wollen würde.
"Komm mit." sagte ich stattdessen nur und ging nach oben in mein Zimmer und von da aus in mein Badezimmer.
Ich deutete mit der Hand auf die Toilette und er ließ sich auf dem Deckel nieder.
Ich drückte ihm einen nassen Lappen in die Hand und nahm ihm das durchweichte Taschentuch aus der Hand.
Ich schmiss das blutige Tuch weg und holte dann von unten den Verbandskasten.
Langsam kniete ich mich vor ihn und sah ihn einfach nur an.
Sein weißes Hemd war voller Blut.
Sein Gesicht hatte er zum größten Teil schon wieder sauber gemacht, aber ein wenig war noch da.
Auf seiner Stirn prangte eine ca. 3 cm lange Schnittwunde.
Ich wusste, wenn ich fragen würde wer das war, dann würde er mir nicht antworten.
So wie die ganzen Male zuvor, also ließ ich es einfach.
Ich tupfte seine Stirn mit einer Kompresse und Desinfektionsmittel notdürftig sauber und klebte dann ein Pflaster drauf.
Ich packte alles wieder zusammen und ging dann in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett setzte.
Stegi kam nach einer Weile nach und setzte sich ebenfalls auf mein Bett.
"Wieso bist du hier?"
Es kam keine Antwort von ihm und auch wenn er mir fehlte, warum auch immer, machte sich Wut in mir breit.
"Stegi, wer war das? Wer hat dir das angetan?"
"Ist doch egal wer das war."
"Nein ist es nicht."
"Warum nicht, was würde sich ändern, wenn du es wüsstest?"
"Dann könnte ich dir helfen."
"Nein könntest du nicht und warum solltest du auch?"
"Weil wir Freunde sind?"
"Sind wir das?" er sagte es verächtlich und stand dann langsam auf.
Seine Augen waren kalt, voller Wut, so wie am Anfang und das war es, was mich zögern ließ.
Ich konnte ihm nicht Antworten, weil ich mir nicht mehr sicher war.
Bevor Stegi sich umdrehen und gehen konnte packte ich ihn am Arm, um ihm daran zu hindern.
Mit voller Wucht schlug er meinen Arm von sich.
Seine Augen glichen einem Sturm.
So viele Gefühle tosten zur selben Zeit durch sie hindurch.
Angst, Wut, Hilflosigkeit, Einsamkeit, zu viele um sie alle aufzählen und benennen zu können.
"Wir sind Freunde, Stegi. Lass mich dir helfen."
"Nein wir sind keine Freunde Tim. So jemand wie du wird niemals mein Freund sein."
Mit diesen Worten verschwand er und ließ mich alleine zurück.
Langsam ließ ich mich auf mein Bett sinken und kauerte mich darauf zusammen.
Er hatte schon so viele Dinge zu mir gesagt, aber niemals tat es so weh wie jetzt.
Er ging und ließ mich Einsam zurück, noch ein Stückchen leerer als zuvor.






Stexpert - Don't give up (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt