Kapitel 64

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Ich versuche es zu verstehen.
Alles.
Aber es fällt mir so schwer, wenn du mir so wenig sagst.

"Solltest du dich jetzt nicht eigentlich freuen?"
"Ja wahrscheinlich schon."
"Und warum tust du es dann nicht?"
"Weil ich nicht verstehe, warum er das gemacht hat. Falls er denkt das ich mich jetzt besser fühle, oder wir quitt sind, dann wäre das absolut scheiße.
Wenn er das gemacht hat, weil er mich vielleicht auch mag, dann wäre das ein Grund um glücklich zu sein, aber keine Ahnung..."

"Ich denke er mag dich auch, aber vielleicht weiß er einfach nur noch nicht wie er damit umgehen soll."
"Kann sein. Am liebsten würde ich einfach die Zeit zurück drehen."
"Das würde wohl jeder gerne mal."
"Da hast du Recht." sagte Noah und seufzte dann tief.

Die Zeit verflog während Noah mir von seiner Kindheit erzählte, die natürlich ebenfalls fast nur aus Geschichten von ihm und Finn handelte.
Aber das störte mich nicht, ich mochte es, wenn er darüber redet.

"Jetzt aber mal genug von mir und meinen Problemen, was wirst du wegen Stegi machen?" sagte er nachdem wir beide eine Zeit lang still gewesen waren.
Ich sah ihn etwas verwirrt an und zuckte dann einfach nichtssagend mit den Schultern.
"Wirst du es ihm sagen?"
"Spinnst du? Ich bin froh wenn er weiterhin mit mir redet. Das ich ihn mag wird er nie erfahren."
"Also bleibst du lieber unglücklich?"
"Ich will einfach, nur das er glücklich ist und habe nicht vor das alles mit meinen schwachsinnigen Gefühlen kaputt zu machen."
"An deiner Stelle würde ich es ihm wahrscheinlich auch nicht sagen, aber denk nochmal in Ruhe darüber nach."
"Mache ich, ich kann in letzter Zeit eh kaum an etwas anderes denken."
"Ja das kenne ich." sagte er traurig und sah dann auf seine Hände.

"Morgen Abend bin ich bei Stegi zu Hause. Sein Vater veranstaltet wohl ein Essen mit seinen Arbeitskollegen und da will er nicht alleine sein." sagte ich, um Noah auf andere Gedanken zu bringen.
"Das ist doch gut oder?"
"Ich weiß nicht genau. Irgendwie macht er ein ziemlich gequälten Eindruck wenn er darüber redet. Aber er kann wohl auch nicht absagen, meint er zumindest."
"Ich hätte wahrscheinlich auch keine große Lust auf so ein Essen."
"Ja schon, aber da ist noch was anderes."
"Und was?"
"Das weiß ich nicht. Du meintest er und sein Vater haben ein gutes Verhältnis, oder?"
"Damals schon, ja. Aber wie es heute ist kann ich dir nicht sagen. Wobei ich nicht denke, dass sich da groß was geändert hat."
"Okay." sagte ich nur und nahm dann auch einen Schluck von meiner Mische, die ich schon so lange in der Hand hielt, das sie bereits ganz warm geworden war.
Als sich der Geschmack in meinem Mund ausbreitete verzog ich angewidert das Gesicht und Noah grinste mich an, denn er wusste ganz genau das die von ihm gemixte Scheiße absolut nicht schmeckte.
Ich kippte den Rest des Bechers wortlos neben mich und nahm mir dann das letze Bier, welches wesentlich besser schmeckte.
"Hey, die war mit Liebe gemacht." sagte er empört.
"Tut mir Leid, aber in diesem Fall verzichte ich auf deine Liebe."
Wir mussten beide lachen, wurden aber von meinem klingelnden Handy unterbrochen.
Auf dem Bildschirm leuchtete Stegis Name auf und ungewollt fing mein Herz an zu rasen.
Ich stand schwankend vom Boden auf und ging dann ein Stück weg, bevor ich ran ging.

Tim?
Ja?
Ich wollte nur fragen, ob es okay ist wenn ich noch zu dir komme.
Ja klar, wann denn?
Also ich bin quasi schon auf dem Weg, ich wollte nur vorher doch nochmal anrufen, weil du gar nicht mehr geschrieben hast.
Er klang so unsicher, das ich mich kurz dafür verfluchte, nicht auf mein Handy gesehen zu haben.
Sorry hab ich total vergessen. Du kannst gerne klingeln und rein gehen, ich bin dann auch bald da.
Achso, du bist noch gar nicht zu Hause.
Nein, Noah und ich haben geredet. Wie spät ist es denn?
Gleich 18 Uhr.
Fuck, ich dachte es ist noch nicht so spät. Bis gleich.

Ich hörte Stegi noch kurz leise lachen und legte dann auf.
"Noah wollen wir los?"
"Was, jetzt schon?"
"Es ist kurz nach 6, wir haben morgen Schule und haben total viel getrunken. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf." sagte ich und grinste ihn kurz an, bevor ich ihn am Arm hochzog, da er aussah als würde er es nicht schaffen alleine aufzustehen.
Wir schmissen die Flaschen in einen Mülleimer und gingen dann zu unseren Fahrrädern.

Nachdem ich das Fahrrad wieder bei Noah abgestellt hatte, musste ich den restlichen Weg zu Fuß nach Hause laufen.
Als ich an meiner Haustür ankam, war ich komplett durchgefroren und schloss mit steifen Fingern die Tür auf.
Ich zog schnell meine Schuhe aus und rannte dann die Treppe hoch, in mein Zimmer.
Stegi lag mit Kopfhörern auf meinem Bett und las ein Buch.
Da er auf dem Bauch lag, bemerkte er mich nicht und ich nutze die Gelegenheit aus, um neben ihn auf's Bett zu springen.
Er zuckte zusammen und zog sich dann die Kopfhörer aus den Ohren.
"Musste das jetzt sein?"
"Ja musste es." sagte ich und grinste ihn breit an.
Stegi verzog angewidert das Gesicht, als mein Atem sein Gesicht traf.
"Du hast getrunken." stellte er mit bitterer Stimme fest.
"Ja aber nur ein ganz kleines bisschen."
"Aha." sagte er nur und sah dann wieder auf sein Buch.
"Ach komm jetzt sei doch nicht so." sagte ich und fuhr ihm mit meiner Hand durch die Haare.
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, da schlug er meine Hand schon wieder weg.
Der Alkohol hatte mein Hirn wohl doch mehr benebelt als ich dachte, denn ich ließ mich nicht, wie sonst immer, davon abschrecken.
Da er mir jetzt gegenüber saß, umfasste ich mit beiden Händen sein Gesicht und zwang ihn so, hoch zu sehen.
Diesmal ließ er es zu, sah mir aber misstrauisch in die Augen.
Als ich sein Gesicht noch näher an meins zog und anfing zu reden, traf mein Atem erneut sein Gesicht.
Seine Augen weiteten sich plötzlich panisch und er schubste mich grob von sich weg.
Meine Hände blieben noch kurz in der Luft hängen, dann ließ ich sie schlapp auf meine Oberschenkel sinken.
Jedes Mal, wenn er mich so abwies, tat es ein kleines bisschen mehr weh.
Auch wenn ich meistens versuchte es zu verdrängen, diesmal gelang es mir nicht.

Ich glaube er sah den Schmerz in meinen Augen, denn er setzte an, etwas zu sagen, aber ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum schweigen und ging dann in mein Badezimmer.


Stexpert - Don't give up (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt