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Nevid und Maximilian saßen gerade beim Frühstück, als es an der Türe klingelte. Der Unsichtbare, dessen Augen noch immer von dem Heulkrampf des vorigen Abends angeschwollen waren, kaute lustlos auf seinem Nutellabrötchen herum und nippte ab und zu an seinem mittlerweile lauwarmen Kaffee. Immer und immer wieder schwirrten seine Gedanken um das verpatzte Date mit Lorik. Vor seinem inneren Auge sah er dessen Abscheu in seinem perfekten Gesicht. Es tat weh, von all den Gefühlen überrollt zu werden, immer wieder aufs neue den schmerzhafter werdenden Stich fühlen zu müssen. Nevid fühlte sich, als wäre er getreten worden, als hätte Lorik eigenhändig seine kalte Hand um dessen Herz geschlossen und würde immer weiter zudrücken.

Eigentlich hatte er vorgehabt, den heutigen Tag nur in Maximilians Bett zu verbringen. Denn Mille hatte wohl nicht gewollt, dass sein Mitbewohner alleine die Nacht auf dem Sofa verbrachte, in seinen grünbraunen Augen hatte sich ernsthafte Sorge gespiegelt. Und so war es geschehen, dass Nevid von nun an in dessen riesigem Doppelbett schlief. Jedoch hatte der Blauhaarige ihm nicht erlaubt, den Tag dort zu verbringen, so viel Nevid auch versucht hatte, ihn umzustimmen. ,,Nein", hatten seine Worte gelautet, ,,wenn du den ganzen Tag nur rumliegst und in deinem eigenen Elend versinkst geht es dir nur schlechter." Schlussendlich hatte der Unsichtbare dies zwar eingesehen, begeistert war er allerdings nach wie vor nicht von der Idee, auch nur einen Fuß außerhalb dieser Wohnung zu setzen.

Von dem Klingeln der Türe aufgeschreckt, hob Nevid seinen Blick an und sah zu Mille, der vorsichtig sein angebissenes Aufbackbrötchen beiseite legte und sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr. Sein Blick verfinsterte sich und im ersten Moment verstand Nevid nicht, was nun das Problem war, so sehr war er noch in Erinnerungen versunken. Erst als Mille aufstand realisierte er, was das Klingeln zu bedeuten hatte: Lorik stand vor der Wohnung.

Er wäre gerne weggerannt, doch etwas in ihm befahl ihm, sich zu erheben und seinem Mitbewohner zu folgen, der nun die Türe aufriss und seinen Gegenüber angriffslustig anstarrte. Bevor dieser auch nur zu Wort kommen konnte, hatte Mille jedoch bereits mit seiner flachen Hand ausgeholt und dem Schwarzhaarigen eine Ohrfeige verpasst. Fassungslos fuhr Lorik sich über die Wange. ,,Sag Mal spinnst du!? Was sollte das denn?", begann er wütend. ,,Was das sollte? Du fragst mich allen verdammten Ernstes was das sollte?! Soll ich dir Mal eine Gegenfrage stellen: Was, verflucht noch Mal, sollte das gestern mit Nev? Ich hätte echt nicht gedacht, dass du so ein Arsch bist, immerhin kenne ich dich schon ein wenig länger. Aber so etwas zu Nev zu sagen geht ja wohl gar nicht! Und jetzt raus hier, ich kann deine verfickte Fresse nicht länger ertragen", brauste Maximilian auf und wurde immer lauter.

Nevid machte sich klein, warum, wusste er nicht genau. Er konnte seinen Blick nicht von dem Schwarzhaarigen wenden, der da in der Türe stand. Sein Magen zog sich zusammen und er fühlte sich, als würde er jeden Moment umkippen.

Dann begann Lorik zu lachen. Es klang höhnisch und hatte nichts mehr mit dem Lorik zu tun, den Maximilian bereits seit drei Jahren kannte. ,,Ach, darum geht's... Hat die kleine Schwuchtel dich jetzt etwa angesteckt oder wieso rastest du so aus? Ich an deiner Stelle würde ja eher ihn rausschmeißen, du willst doch sicher keinen ekelhaften, schwulen Mitbewohner! Das hatte er verdient, was ich zu ihm gesagt habe, das was er da fühlt ist einfach nur krank und widerwärtig. Mit so etwas will ich nichts zu tun haben. Schau ihn dir doch Mal an- oh, warte, man kann ihn ja nicht sehen!" Erste Tränen bahnten sich den Weg über Nevids Wangen während er den verletzenden Worten Loriks zuhörte. Widerwärtig, das war er also für ihn. Mehr nicht.

Zuvor hatte er sich noch nie gefragt, was der Unterschied zwischen hetero- und homosexuellen Paaren war. Schon als Kind hatte er darin keinen Unterschied gemacht und auch nun als Neunzehnjähriger fand er es völlig normal. Dass das, was er fühlte, von anderen Leuten als falsch angesehen werden könnte, kam ihm nun erst in den Sinn. Natürlich hatte er auch früher schon homophobe Meinungen zu hören bekommen, sie jedoch fröhlich verdrängt.

Doch jetzt fragte er sich, ob seine Art zu lieben vielleicht die falsche war.

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Ich hasse Lorik und Nevid tut mir so Leid :((

So nah und doch so fern | BoyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt