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Schon früh am nächsten Tag begannen Lelaenia, Noryn und Randon, erneut Kampfübungen durchzuführen. Randon war es sehr wichtig, dass sie zumindest einigermaßen in der Lage waren, sich zu verteidigen. Denn er wusste genau, dass sie sich noch sehr oft verteidigen werden müssten. Denn schon morgen würde sein Vater eine Rede vor allen Zraonen des Landes halten und er bezweifelte, dass das gut ausgehen würde.

Besonders in der Nacht zuvor ließ das Misstrauen Randon gegenüber etwas nach. Er erzählte so detailliert und voller Emotionen über sein Leben in Dasma und über den König, dass Lelaenia nicht anders konnte, als ihm zu vertrauen. Und insgeheim vertraute selbst Noryn ihm mit der Zeit, auch wenn er dies nicht so schnell zugeben würde.

Und so stand Randon erneut vor Lelaenia, während diese ihr Schwert in den Händen hielt. Randon korrigierte ihre Haltung, die nun standhafter war, da ihr Körper sich nicht mehr ganz in der Nähe ihres Schwertes befand. ,,Je näher dein Oberkörper am Schwert ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass dein Gegner dich trifft, da er dich in unmittelbarer Reichweite hat.", murmelte Randon und sah ihr dann in die Augen. Plötzlich hielt er in seiner Bewegung inne und starrte ihre Augen an. ,,Deine Augen ... die zwei schwarzen Punkte neben deiner Pupille ... ich bin mir sicher, ich habe schon einmal etwas darüber gelesen", grübelte er und runzelte die Stirn. ,,Warum fällt es mir bloß nicht ein?! Ich hab schon einmal von diesem seltenen Phänomen gehört. Würde mir bloß der Name einfallen!", sagte er verzweifelt und seufzte. Lelaenia sah ihn bloß verwirrt an. Sie hatte sich nie wirklich Gedanken über ihre Augen gemacht, sah es nie als nötig an. Doch Randons Tonfall ließ sie denken, dass es vielleicht doch eine ganz gute Idee wäre, sich darüber Gedanken zu machen. Aber nicht jetzt, denn jetzt waren wichtigere Dinge relevant. ,,Ach, mir wird es sicher bald wieder einfallen.", sagte er dann kopfschüttelnd und ging wieder zu Noryn.

Noryn schien sich wirklich sehr Mühe zu geben, denn er wollte Randon beweisen, dass er es drauf hatte. Tatsächlich war er gar nicht mal so schlecht für den Anfang, nur hatte er noch viele Ausrutscher. Und genauso kam es auch dieses Mal. Aus einem für Lelaenia unerklärlichen Grund fiel Noryn das Schwert aus der Hand, welches Randon ihm geschenkt hatte. Verärgert brummte er und Randon hob es auf und gab es ihm etwas zurückhaltend wieder. Er schien nach Noryns Wutausbruch gestern immer noch eingeschüchtert zu sein - das dachte Lelaenia jedenfalls.

Schlagartig ließ ein lautes Schnaufen Lelaenias Kopf blitzartig nach rechts drehen. Sie hatte den Drachen, den Randon mit zaghaftem Ton Ippotis nannte, beinahe vergessen. Was schwer vorstellbar war, denn er nahm fast den ganzen Hügel ein. Er schlief jedoch die meiste Zeit und für die Nacht flog er weg, weil das Wetter hier in Penoria manchmal zu kalt für einen Drachen war und sie sehr an ihre Heimat gebunden waren. Doch gerade schien er ziemlich wach zu sein, denn er beäugte Lelaenia mit seinen roten Augen wachsam.

Unsicher sah sie kurz zu Randon und Noryn, die aber gar nichts davon mitbekamen. Randon stand dicht hinter Noryn und hielt mit seinen Händen seine Arme, um ihm zu zeigen, wie er sie halten soll. Dabei war nicht nur Randon ziemlich rot im Gesicht.

Lelaenia blickte wieder neugierig zu Ippotis und biss sich nervös auf die Lippe. Der Drache faszinierte sie, denn er sah so grausam aus wie direkt aus der Hölle entkommen, doch er verhielt sich ruhig und schien sie tatsächlich nicht mit seinen Hörnern aufspießen zu wollen. Und auch er sah sie aufmerksam an. Lelaenia erinnerte sich daran, wie ihr Vater ihr als Kind ein Buch über einen bösen Drachen erzählt hatte, der so in etwa wie Ippotis aussah. Die Geschichte machte ihr jedoch keine Angst. Sie hatte seitdem unbedingt einen Drachen sehen wollen, um ihn zeichnen zu können. Auch wenn nicht unbedingt aus dieser Nähe.

Vorsichtig trat sie ihm näher bis sie genau vor seinem riesigen Maul stand. Der Drache schnupperte neugierig während Lelaenia die Augen zugekniffen hatte und sie etwas zitterte.

Plötzlich wurde der Boden unter ihren Füßen weggerissen. Sie riss ihre Augen auf und ließ einen kurzen Schrei aus, als sie dann hart auf den Rücken des Drachen landete. Stöhnend rieb sie sich den Kopf und versuchte sich wieder zu fassen. Randon und Noryn hatten aufgehört zu üben und starrten sie nun bestürzt an.

Randon lächelte dann jedoch. ,,Ippotis lässt nur wahre Krieger auf seinem Rücken. Nun, das wundert mich auch nicht sehr." Fasziniert lächelte auch Lelaenia jetzt, da sie wusste, dass Ippotis sie nicht verletzen wollte. Sie strich über die vielen, glatten Schuppen und Ippotis brummte glücklich und ließ seinen Kopf auf den Boden fallen, woraufhin fast der ganze Hügel wackelte.

,,Wisst ihr, Drachen werden wie Kinder erzogen. Entweder man erzieht sie zu blutrünstigen Monstern oder man erzieht sie so, wie es meine Mutter mit Ippotis getan hat. Ich hatte also furchtbar Glück, dass sie mir ihren Drachen vererbt hat, als sie vor etwa zwanzig Jahren gestorben ist." Randon seufzte traurig und strich über den Drachen. ,,Ippotis hat ihr 500 Jahre treu gedient. Als er bemerkt hat, dass sie nie wieder aufwachen würde, hat er sich Monate lang zurückgezogen und kaum etwas gegessen."

Noryn schluckte mitleidig. ,,Ich hatte damals vom Tod der Königin gehört. Niemand wusste so wirklich, wie das passieren konnte.", sagte er vorsichtig. Randon nickte. ,,Das stimmt, nicht einmal ich weiß es. Ich weiß nur, dass sie vergiftet wurde. Von wem bleibt wohl für immer ein Rätzel." Lelaenia fühlte Randons Leid und senkte ihren Kopf als Zeichen der Anteilnahme. Es musste schrecklich sein, nicht zu wissen, was passiert war.

Die Stille, die sich gelegt hatte, wurde schlagartig unterbrochen, als sie Schritte und ein schweres Atmen hörten. Lelaenia rutschte von Ippotis hinunter und zog ihr Schwert. Randon und Noryn sahen sich misstrauisch an und hielten ebenfalls ihr Schwert bereit.

Noryn ließ sein Schwert jedoch sofort fallen, als er seinen Vater erkannte. ,,Vater?", fragte er verwirrt und ging auf ihn zu. Dieser sah sie erleichtert an. ,,Ich habe euch so lange gesucht!" Er umarmte seinen Sohn fest und wollte eigentlich auch Lelaenia umarmen, wusste aber, dass es mehr als unpassend gewesen wäre. Als er jedoch Randon erblickte, stockte er und fiel dann auf die Knie zu seinen Füßen. ,,Prinz Randon.", murmelte er ängstlich. ,,Keine Sorge, Vater. Er gehört zu uns.", erklärte Noryn, woraufhin Jack Manners vorsichtig wieder aufstand. ,,Wie-", fing er an, doch ließ es dann sein. ,,Ist ja jetzt auch egal. Hört zu! Der Eingang zur Erde wurde geschlossen."

Noryn zog scharf die Luft ein und Lelaenia schüttelte ungläubig den Kopf. ,,Was? Das kann doch nicht sein!" Jack Manners sah sie besorgt an. ,,Ich war gerade draußen, um nach allen Tieren zu sehen, da sah ich ein Leuchten im Wald. Ich habe mir Sorgen gemacht und dachte vielleicht, dass etwas Schlimmes hier in Tría passiert wäre. Also bin ich hierher gekommen. Als ich wieder zurück wollte, war der Eingang geschlossen. Die Magie, die dafür sorgt, dass der Eingang geöffnet bleibt, ist momentan sehr schwach und wird von einer viel mächtigeren Magie zurückgedrängt."

Randon schluckte. ,,Mein Vater.", sagte er nur vorahnend. ,,Aber warum sollte König Kydraen dafür seine Magie verschwenden?", fragte Noryn verwirrt. ,,Heißt das etwa, dass ich nie wieder zurück kann?", fragte Lelaenia beunruhigt. Sie würde nie ihren Schulabschluss machen können, würde nie wieder ihre Eltern sehen, würde nie ein normales, eigenständiges Leben führen können.

,,Das ist jetzt auch nicht so wichtig. Ich bin aus einem anderen Grund hergekommen.", erklärte Jack Manners und atmete tief ein und aus. Bedrückt sah er den Boden an und Lelaenia, Randon und Noryn konnten nur noch das Schlimmste befürchten. ,,Es gab wieder mehrere Brände am anderen Ende des Waldes. Zum Glück ist niemand während dieser Brände gestorben. Aber die Pflanzen verlieren an Kraft und Magie, Königin Driana ist kurz davor, aufzugeben. Einige Zraonen sind sehr schwer krank." Manners legte eine kurze Pause ein, um den anderen Zeit zu geben, diese schrecklichen Informationen zu realisieren. Doch sie alle wussten, dass Jack Manners noch nicht fertig war und das Schlimmste noch kommen würde.

Noryn hörte auf zu atmen, als sein Vater ihn ansah. ,,Nach den Bränden gestern Nacht ... haben sich einige Zraonen mit den Dasmanten ... angelegt. Sie haben sich beschwert und wurden etwas zu laut. Die Dasmanten ... haben sie so lange brennen lassen, bis sie nicht mehr konnten und sie tot umfielen. Drei Zraonen kamen ums Leben, darunter auch Sam. Er war wütend, weil sein Penorus getötet wurde. Es- tut mir leid, mein Sohn."

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Ja, das war's wohl mit Sam :(
Glaubt ihr auch, dass König Kydraen den Eingang geschlossen hält? Und was glaubt ihr hat es mit den zwei schwarzen Punkten neben Lelaenias Pupille auf sich?;)

Das nächste Kapitel kommt morgen :)

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