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Der Saal fiel zusammen. Randons Flammen verkohlten die jahrhundertealten Baumstämme, die den Palast hielten. Das dicke Glas der Fenster zersplitterte mit einem lauten Knall. Und Randon konnte das Feuer nicht mehr stoppen. Es hatte keinen Platz mehr in seinem Körper.

Das alles ging so schnell und kam so unerwartet, dass keiner - nicht einmal Kydraen Blackfire - Zeit hatte, die Flammen vernünftig abzuwehren und Randon mit eigenen Flammen zu bekämpfen. Das war auch nicht möglich, denn Randon wurde von seiner eigenen Kraft so zurückgeschleudert, dass er mit den Scherben aus dem Fenster fiel.

Es ist vorbei, dachte er sich in den wenigen Sekunden, die er fiel und die ihm wie eine Ewigkeit erschienen. Ich werde sterben.
Ganz leicht erkannte er die Sonne im Norden, erkannte seine Urgroßmutter Lelaenia, die ihn wahrscheinlich gleich nicht aufnehmen würde. Weil er ein Verräter war.

Er würde den Sturz nicht überleben. Von seiner Magie war nichts mehr übrig, dass er sich hätte retten können. In der aller letzten Sekunde dachte er weder an den Krieg noch an seinen bevorstehenden Tod. Nein, er dachte an Noryn mit seinen kieferngrünen Augen und den gleich farbigen Haaren. Er dachte daran, wie er jedes Mal grinste, wenn Randon errötete und er dachte daran, wie sehr er ihn für seinen Mut bewunderte.

Hart schlug Randon auf einen schuppenartigen Boden auf und er landete so hart, dass ihm die Luft zum Atem geraubt wurde und alles schwarz wurde. Jetzt bin ich tot, war das letzte, was er dachte, bevor er das Bewusstsein verlor.

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Langsam öffnete er die Augen und versuchte gleichmäßig zu atmen. Einige Sekunden vergingen bis Randon realisierte, dass er auf einem Bett lag und dass Noryn über ihn schwebte. Noryns Haare hingen in allen möglichen Richtungen und sein Gesicht hatte an Farbe verloren. Dunkle Ringe waren unter seinen Augen zu erkennen. ,,Oh bei Zrao, du bist aufgewacht.", hauchte er erleichtert und entspannte seine Schultern etwas.
Randon wollte ihm zu lächeln, doch er brachte es nicht über sich. Sein Körper fühlte sich hohl an, so als wären seine ganzen Innereien bei seinem Flammenausbruch zu Asche zerfallen.

,,Oh Randon, mein Randon.", flüsterte Noryn und strich ihm die blutverkrusteten Haare aus dem Gesicht, woraufhin er seine Lippen vorsichtig auf seine Stirn legte. Langsam legte er eine Hand auf seine nackte Brust, die daraufhin grün funkelte. Randon zuckte zusammen, als Noryn mit seiner Magie seine Brandwunden heilte. Einen Moment Mal, Brandwunden? Ich bin nicht in der Lage, Wunden durch meine eigenen Flammen zu bekommen.

Mühevoll versuchte Randon seinen Kopf zu heben, um sich seine Brust genauer anzusehen, doch Noryn drückte ihn sanft zurück. ,,Ich kümmer mich schon darum.", beruhigte Noryn ihn mit sanfter Stimme und fuhr fort. Er fragte ihn dabei kein einziges Mal, was geschehen war, wofür Randon ihm unglaublich dankbar war.

So ausgelaugt, so leer fühlte Randon sich, dass er befürchtete all seine Magie verloren zu haben. Entkräftet hob er seine rechte Hand und versuchte eine Flamme zu erzeugen. Doch es bildete sich nur eine elend kleine, weshalb Randon enttäuscht die Augen schloss. Plötzlich legte sich eine andere Hand um seine und ließ die Flamme somit erloschen. ,,Das solltest du fürs Erste lassen. Du musst erst einmal wieder zu Kräften kommen."

Diese Worte ließen ihn wieder klar denken. Sofort riss er die Augen auf und setzte sich auf, was er aber gleich danach bereute, da seine Haut zu reißen schien. ,,Wo- wo sind die anderen? Es müssen schnell alle weg! Sofort! Sie sollten sich aufteilen und-", stotterte Randon von Panik erfüllt, doch Noryn unterbrach ihn. ,,Ich hab mir schon gedacht, dass etwas im Palast passiert ist. Beruhig dich bitte, Randon. Ich habe bereits dafür gesorgt, dass sich alle einen neuen Unterschlupf suchen. Auch deine Krieger. Sie sind alle in Sicherheit.", versichterte er ihm und drückte seine Hand leicht. Träge lehnte sich Randon an die Wand hinter ihm. ,,Keiner ist mehr in Sicherheit.", erwiderte er aussichtslos.

Ein Klopfen an der Wand ließ Randon aufschrecken und er drehte seinen Kopf augenblicklich zur Tür. ,,Randon! Du bist aufgewacht!", stellte Jonah erleichtert fest. Mit angespanntem Kiefer ballte Randon seine Hände zu Fäusten, als er Jonah sein. Trotz Schmerzen sprang er auf und ehe er sich versah rammte er Jonah auch schon mit aller Kraft gegen die Wand.  Schmerzerfüllt stöhnte dieser auf, woraufhin Randon ihn am Kragen hochzog. Seine Magie war zwar erschöpft, aber seine Wut gab ihm etwas Kraft und ließ ihn genug Flammen erzeugen, mit denen er die Haut an seiner Kehle versengte.

Nur im Hintergrund hörte er Noryn geschockt die Luft einziehen und seinen Namen rufen, denn Randon konzentrierte sich voll und ganz auf Jonah. ,,Wie lange?", knurrte er und zitterte bereits vor Wut. Jeder Atemzug schmerzte seine Brust. ,,Randon, ich ... bitte!", flehte er schweratmend und mit weinerlicher Stimme, woraufhin Randon seinen Kopf erneut gegen die Wand schlug. ,,Wie lange?", wiederholte er und wurde lauter.

,,Es tut mir leid, bitte Randon! Ich hatte keine andere Wahl! Erst- erst seit einigen Tagen. Bitte, Randon, lass mich das erklären.", bettelte er und kniff die Augen vor Schmerzen zusammen. Verbittert betrachtete Randon seinen besten Freund und Krieger, mit dem er aufgewachsen war und der mit ihm das alles aufgebaut hatte. Unmittelbar hatte er gewusst, dass Jonah sie verraten hatte, denn er war die einzige Person, die wusste, dass Randon Lelaenia ihr Schwert nach ihrer Befreiung zurückgegeben hatte. ,,Du täuschst dich, mein Freund. Man hat immer eine Wahl.", spuckte er verachtend.

,,Meine Schwester! Er hat meine kleine Schwester in seiner Gewalt!" Randon sah ihn lange an und ließ ihn daraufhin los. Schnell war Noryn an seiner Seite, um ihn zu stützen, denn es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten. ,,Deshalb glaube mir bitte, ich hatte keine andere Wahl.  Er hatte sich seit unserem Verschwinden aus Dasma schon etwas Derartiges gedacht. Und um seine Bestätigung zu erlangen, entführte er meine Schwester als Geisel, um an Informationen zu gelangen. Rea ist doch noch ein Kind, Randon. Was hätte ich sonst tun sollen?" Er klang so verzweifelt, dass Randon wegsehen musste.

Überraschenderweise meldete sich Noryn nun zu Wort. ,,Du hättest uns davon berichten können. Wir hätten gemeinsam einen Weg gefunden, sie zu befreien, aber stattdessen hast du das Leben von uns allen gefährdet. Ich verstehe deine Beweggründe, aber noch mehr werde ich die Entscheidung von meinem König verstehen können."
Randon benötigte einen Moment bis er verstand, dass Noryn ihn meinte. Mit geschlossenen Augen atmete er tief durch. ,,Wir werden Rea zurückholen.", versichterte er ihm. ,,Und ich verschone dich. Dieses Mal. Ich verspreche dir jedoch, dass ich beim nächsten Mal keine Gnade walten lassen werde."

Eifrig nickte Jonah. ,,Es wird nicht zu einem nächsten Mal kommen, eure Hoheit." Randon und Noryn wussten beide, welches Risiko Randon mit Jonahs Freilassung eingegangen war.
,,Du solltest jetzt gehen.", sagte Noryn und entließ ihn somit.

Daraufhin führte Noryn Randon zurück ins Bett. Sein Wutanfall hatte seine Folgen und einige Wunden wurden wieder aufgerissen. Erschöpft lehnte Randon sich an die Wand. Er konnte sich nicht länger zurückhalten. Brennend heiße Tränen flossen seine Wangen hinunter.

Er dachte an seine Mutter und wie sein Vater sie wohl getötet hatte. Wie sie sich gefühlt haben muss, als ihr bewusst wurde, dass ihr Ehemann, den sie so sehr liebte, sie töten würde. Er dachte an die Worte seines Vaters, daran, dass die große Sonne Lelaenia die Flammen ihres Urenkels nach seinem Tod nicht aufnehmen würde. Und er dachte an den bevorstehenden Krieg, an die Macht seines Vaters, daran, dass sie selbst mit Noxēn an ihrer Seite in der deutlichen Unterzahl waren. Und er dachte an Tría und an andere Welten wie die Erde, wie sie nach dem Sieg von Kydraen Blackfire aussehen würden.

Mitfühlend senkte Noryn seine Augenlider und drückte vorsichtig Randons Kopf gegen seine Brust. Keiner von den beiden sagte diese Nacht ein Wort, denn sie hielten sich so fest, dass dies auch nicht nötig gewesen wäre.

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Könnt ihr Jonah verstehen?  Und wie wird es wohl jetzt weitergehen?

Twin StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt